Topographie des Terrors

Topographie des Terrors


Seit 1987 besteht auf dem Gelände zwischen Niederkirchnerstraße (vor 1951: Prinz-Albrecht-Straße), Wilhelmstraße und Anhalterstraße im Zentrum Berlins die Ausstellung »Topographie des Terrors«. Hier befanden sich zwischen 1933 und 1945 die Zentralen von Gestapo, SS und Reichssicherheitshauptamt. Die Ausstellung informiert über die Geschichte dieser Organisationen und die von ihnen europaweit verübten Verbrechen.

Geschichte

Auf dem Gelände zwischen Prinz-Albrecht-Straße (heute: Niederkirchnerstraße), Wilhelmstraße und Anhalterstraße befand sich von 1933 bis 1945 die Zentrale des nationalsozialistischen Polizeiapparates. In diesem Teil der Berliner Friedrichstadt erstreckte sich seit Ende des 18. Jahrhunderts das traditionelle preußische Regierungsviertel. Bereits 1933 mietete die nationalsozialistische Führung die ehemalige Kunstgewerbeschule in der Prinz-Albrecht-Straße 8 an und richtete dort das Geheime Staatspolizeiamt ein, den zentralen Dienstsitz der Gestapo. Die Gestapozentrale besaß seit 1933 ein eigenes »Hausgefängnis« mit 39 Zellen, in denen Gestapoangehörige Häftlinge verhörten und folterten. Später zogen weitere Organisationen in die Prinz-Albrecht-Straße und in die Wilhelmstraße, so die SS und mit ihr der Sitz des Reichsführers SS und der Sicherheitsdienst der SS (SD). Diese Einrichtungen erstreckten sich schon bald auf weitere Gebäude in der Wilhelmstraße. Ab 1939 hatte das neu geschaffene Reichssicherheitshauptamt (RSHA) ebenfalls in den Gebäuden Wilhelmstraße 101-106 seinen zentralen Sitz.
Mit den Hauptquartieren von Gestapo und SS lag auf diesem Gelände die nationalsozialistische Befehlszentrale für die Verfolgung politischer Gegner sowie für die Ermordung der europäischen Juden und anderer Opfergruppen. Während des Zweiten Weltkrieges wurden die Gebäude durch Bombentreffer stark beschädigt.

Opfergruppen

Im Hausgefängnis der Gestapozentrale in der Prinz-Albrecht-Straße 8 verhörte und folterte die Gestapo politische Gegner und Widerstandskämpfer, während des Krieges auch ausländische Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene. Wie viele Menschen hier festgehalten wurden, ist unklar. Für die meisten Gefangenen war das Gestapogefängnis nur eine Station auf ihrem Weg in verschiedene Konzentrationslager und in andere Gefängnisse. Vor allem aber war das Prinz-Albrecht-Gelände ein Ort der Täter: Von hier aus wurde die Verfolgung politischer Gegner abgestimmt, hier wurde der Mord an den europäischen Juden und anderen Gruppen geplant und vorbereitet. Die Verantwortlichen bei SS, RSHA und Gestapo waren keine bloßen Schreibtischtäter. Sie gehörten einer jungen, vom Nationalsozialismus überzeugten und aufstiegsorientierten Generation an. Neben ihren Verwaltungstätigkeiten nahmen viele höhere Mitarbeiter aus dem RSHA am nationalsozialistischen Massenmord aktiv teil, wie zum Beispiel bei der Führung von Einsatzgruppen im besetzten Osteuropa.

Erfahre mehr über Deutschland

Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 begann die staatliche Verfolgung der Gegner des Regimes, von Juden, als »Zigeuner« bezeichneten Roma, Patienten sowie zahlreichen anderen Gruppen. Antisemitismus wurde erstmals Bestandteil der Regierungspolitik eines modernen Staates, die Verfolgung aller Gruppen schrittweise verschärft. Dabei griffen staatliche Verordnungen, Gewalttaten von Anhängern des Regimes und die Hetze der Presse ineinander. Der Terror gegen Juden im November 1938 (»Kristallnacht«) mit etwa hundert Toten bildete den Scheitelpunkt hin zur vollständigen Ausgrenzung und Ermordung der jüdischen Minderheit. Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs im September 1939 gerieten weite Teile Europas unter deutsche Herrschaft. Insbesondere im Osten entstand ein vielgliedriges System von Lagern und Mordstätten, in dem die SS bis zu sechs Millionen Juden, unter ihnen etwa 165.000 deutsche Juden, ermordete. Die Zahl der übrigen Deutschen, die in Folge des Krieges ihr Leben verloren, wird auf etwa sieben Millionen geschätzt, darunter fast 3,5 Millionen Zivilisten. Etwa 28 Millionen Einwohner der besetzten Sowjetunion (Soldaten und Zivilbevölkerung) und drei Millionen nichtjüdische Polen kamen gewaltsam zu Tode; an sie wird in Deutschland bis heute kaum erinnert. Deutschland wurde 1945 von den Alliierten besetzt; 1949 entstanden die Deutsche Demokratische Republik (DDR) und die Bundesrepublik Deutschland (BRD) mit sehr unterschiedlichen Gedenkkulturen. In der DDR dominierte die Selbstinterpretation als »antifaschistischer« deutscher Nachfolgestaat. Die Orte der ehemaligen Konzentrationslager (KZ) Buchenwald, Ravensbrück und Sachsenhausen wurden zu »Nationalen Mahn- und Gedenkstätten« und stellten vor allem den kommunistischen Widerstand dar. In der Bundesrepublik dominierte zunächst die Erinnerung an die Opfer der alliierten Bombenangriffe, von Flucht und Vertreibung. Das Gedenken an die nationalsozialistische Verfolgung, den Holocaust oder den Widerstand war einzelnen Gruppen überlassen, Täter und Tatbeteiligungen – außerhalb juristischer Prozesse – kein Gegenstand öffentlicher Diskussion. Das änderte sich ab Mitte der 1960er Jahre, als nach intensiver Debatte die Verjährung für Mord aufgehoben wurde. Gleichzeitig entstanden Erinnerungsstätten an Orten ehemaliger KZ (1965: Dachau und Neuengamme; 1966: Bergen-Belsen) und die Gedenkstätte Deutscher Widerstand 1968 in West-Berlin. Erst in den 1980er Jahren entwickelte sich durch lokale Initiativen eine vielfältige, oft kleinteilige Erinnerungslandschaft. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands 1990 wurden eine gesamtstaatliche Gedenkstättenkonzeption entwickelt und Orte der Erinnerung umfangreich überarbeitet. Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin konnte 2005 der Öffentlichkeit übergeben werden. Eine umfangreiche Dokumentation der nationalsozialistischen Verbrechen und ihrer Täter, die Topographie des Terrors, wurde im Mai 2010 eröffnet; das Ausstellungszentrum »Flucht, Vertreibung, Versöhnung« folgte 2021. Mittlerweile erinnern zentrale Denkmäler in Berlin auch an weitere Opfergruppen: An die ermordeten Sinti und Roma, an die Opfer im Rahmen der NS-»Euthanasie« ermordeten Patienten und an die verfolgten Homosexuellen. Die Opfer des nationalsozialistischen Terrors in den früheren Ostgebieten fielen nach Kriegsende einem doppelten Vergessen anheim. Die Erinnerung blieb für Jahrzehnte auf landsmannschaftliche Verbände in der BRD beschränkt und schloss die Zeit von 1933 bis 1945 meist aus. Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs nehmen sich jedoch deutsche, polnische, litauische und russische Initiativen auch dieses Teils der deutschen Vergangenheit an.

Erinnerung

Nach dem Krieg wurden die Ruinen der Gebäude an Prinz-Albrecht und Wilhelmstraße abgerissen, die Trümmer abgeräumt. Nach der Aufteilung der Stadt in Sektoren 1945 lag das ehemalige RSHA-Gelände direkt an der Grenze zwischen amerikanischem und sowjetischem Sektor. Die Prinz-Albrecht-Straße im sowjetischen Teil wurde nach der kommunistischen Widerstandskämpferin Käthe Niederkirchner umbenannt. Mit dem Bau der Berliner Mauer 1961 wurde das Gelände zum Grenzgebiet in West-Berlin und war freie Fläche und Schuttplatz. Ein Teil der Fläche wurde vom Autodrom (»Fahren ohne Führerschein«) genutzt. Die ehemalige Stadtmitte geriet in Vergessenheit. Ende der 1970er Jahre stand das Gelände wieder im öffentlichen Blickpunkt: Die Internationale Bauausstellung (IBA) lehnte den für 1980 geplanten Ausbau einer Straße über das ehemalige Gestapogelände ab. Verschiedene Bürgerinitiativen und Vereine setzten sich für die Errichtung eines Dokumentationszentrums oder den Bau eines Mahnmals auf dem ehemaligen Gestapogelände und für eine Auseinandersetzung mit dem Ort der Täter ein. 1983 lobte der Berliner Senat einen Architekturwettbewerb zur Gestaltung des Gebiets aus, der ausgewählte Entwurf wurde jedoch nie verwirklicht. Der Senat von Berlin setzte eine Arbeitsgruppe unter Leitung von Reinhard Rürup ein, die zur 750-Jahr-Feier Berlins 1987 eine provisorische Ausstellung errichtete und das Gelände der Öffentlichkeit zugänglich machte. Auch das Kellergeschoss im Gestapogebäude, die Überreste des »Hausgefängnisses«, wurden freigelegt. Die Initiative »Perspektive Berlin« und ihre Vorsitzende Lea Rosh forderten 1988 den Bau eines Mahnmals für die ermordeten Juden Europas auf dem Grundstück. 1992 gründete der Berliner Senat die Stiftung Topographie des Terrors. Der 1993 begonnene Bau eines Dokumentationszentrums nach einem Entwurf des Architekten Peter Zumthor wurde 2004 abgebrochen. Ein neues Ausstellungsgebäude eröffnete im Mai 2010.

Angebote

Dauerausstellung, Führungen, Bildungsangebote, Seminare, Bibliothek

Öffnungszeiten

täglich 10.00 bis 20.00
am 24., 31. Dezember und 1. Januar geschlossen

Kontakt

http://www.topographie.de

info@topographie.de

+49 (0)30 254 509-50

Niederkirchnerstraße 8
10963 Berlin