Jüdisches Museum Bosnien-Herzegowina und Jüdischer Friedhof
Muzej Jevreja BiH
In der Alten Synagoge von Sarajewo erinnert seit 1966 ein jüdisches Museum an die jüdische Gemeinde, die dort seit dem 16. Jahrhundert existierte. Ab 1941 wurde fast die gesamte jüdische Bevölkerung von Angehörigen der Ustascha in Lager verschleppt, fast alle kamen ums Leben.
Geschichte
In der bosnischen Hauptstadt Sarajewo lebten 1941 zwischen 8.000 und 12.000 Juden. Der überwiegende Teil waren sephardische Juden: Sie waren Nachfahren von Juden, die bereits im 16. Jahrhundert aus Spanien nach Sarajewo eingewandert waren. Später kamen auch einige aus dem deutschen Sprachraum stammende Juden in die Stadt. Die Sepharden gründeten bereits im 16. und 17. Jahrhundert viele jüdische Einrichtungen, wie die Alte Synagoge oder den jüdischen Friedhof. Nach dem Angriff der deutschen Wehrmacht 1941 auf Jugoslawien wurde das Land zerschlagen: Das heutige Bosnien-Herzegowina fiel an den von der faschistischen Ustascha-Bewegung regierten Unabhängigen Staat Kroatien (Nezavisna Država Hrvatska, Abkürzung: NDH). Die Ustascha-Regierung ging sogleich brutal gegen ihre erklärten Gegner vor: Serben, Juden und Roma wurden von den kroatischen Behörden verfolgt und in Lager verschleppt. Die Alte Synagoge in Sarajewo wurde schwer beschädigt. Die jüdischen Männer, Frauen und Kinder aus Sarajewo wurden in kroatische Konzentrationslager deportiert. Nur etwa 1.500 Juden aus Sarajewo überlebten die Verfolgung durch die Ustascha.
Opfergruppen
Die genaue Zahl der Opfer kann nur geschätzt werden. Etwa 6.800 bis 10.200 Juden aus Sarajewo wurden in den Lagern der Ustascha ermordet oder kamen aufgrund unmenschlicher Lebensbedingungen dort ums Leben. Viele der etwa 1.500 Überlebenden wanderten später nach Israel aus.
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Bosnien und Herzegowina
In nur wenigen Gebieten Europas sind die Narben des 20. Jahrhunderts so deutlich sichtbar wie im südosteuropäischen Bosnien-Herzegowina. Nach dem Ersten Weltkrieg war das Land Bestandteil des Königreichs der Serben, Kroaten und Slowenen, das 1929 von König Alexander I. (1888–1934) in eine – meist von serbischen Offizieren gestützte – Diktatur umgewandelt wurde und den Namen Jugoslawien erhielt. Im April 1941 wurde der jugoslawische Staat von deutschen Truppen und ihren italienischen, ungarischen und bulgarischen Verbündeten besetzt und in einzelne annektierte, besetzte und scheinsouveräne Gebiete zerschlagen.
Bosnien-Herzegowina gehörte von 1941 bis 1944 zum »Unabhängigen Staat Kroatien«, einem vom Deutschen Reich abhängigen Staat unter dem Terrorregime der Ustascha mit ihrem »Poglavnik« (Führer) Ante Pavelić (1889–1959). Die Ustascha war eine nationalistische Aufstandsbewegung, die den von Serben dominierten jugoslawischen Staat seit 1929 vom Ausland aus bekämpft hatte. Ihre Vernichtungspolitik richtete sich nach 1941 insbesondere gegen die große serbische Minderheit in Kroatien, die vertrieben, interniert und ermordet wurde, und gegen Juden, Roma sowie religiöse und weltanschauliche Systemgegner. Es wird geschätzt, dass fast 12.000 der etwa 14.000 bosnischen Juden einen gewaltsamen Tod fanden. Hinzu kamen heftige Auseinandersetzungen der Ustascha mit verschiedenen Widerstandsbewegungen, die jedoch auch gegeneinander kämpften – mit hohen Opferzahlen auf allen Seiten. Diese ethnischen Konflikte durften nach Kriegsende 1944/45 und während der kommunistischen Diktatur unter dem früheren Partisanenführer Marschall Josip Broz Tito (1892–1980) nicht öffentlich benannt werden. Nach dem Zerfall Jugoslawiens 1991/92 waren sie allerdings auch Ursache für die bis dahin schlimmsten kriegerischen Auseinandersetzungen in Europa seit 1945. Der heutige föderale Staat Bosnien-Herzegowina gliedert sich in zwei Teile: die kurz vor dem Bosnienkrieg (1992–1995) errichtete Republik Srpska und die Bosnisch-Kroatische Föderation. Im Juli 1995 ermordeten Angehörige der Armee der Republik Srpska, der Polizei und serbischer Kampfgruppen an mehreren Tagen in der Gegend von Srebrenica bis zu 8.000 vor allem bosnische Männer und Jungen.
Die Gedenkkultur Bosnien-Herzegowinas war während der Tito-Ära und bis zum Zerfall Jugoslawiens von einer Vielzahl errichteter Widerstandsdenkmäler, Gedenkparks und museal genutzter Synagogen geprägt. Die wichtigsten sind die Synagoge »Il Kal Grandi« in Sarajewo, die Gedenkstätte von Donja Gradina in der Republik Srpska, wo ein Außenlager des größten kroatischen Konzentrationslagers Jasenovac bestand, und der 1981 als zentrale Gedenkstätte Sarajewos für die »Opfer des Zweiten Weltkriegs und die zu Tode gekommenen Partisanen« errichtete Gedenkpark von Vraca. Alle Einrichtungen wurden insbesondere während des Bosnienkrieges beschädigt, zerstört oder geplündert bzw. zeitweise geschlossen und erstanden erst langsam wieder. Die Ereignisse dieses Krieges überschatten das Gedenken an die Opfer während der Jahre 1941 bis 1944/45.
Erinnerung
Bis in die 1960er Jahre hinein diente die Alte Synagoge der kleinen sephardischen Gemeinde, die nach dem Zweiten Weltkrieg noch in Sarajewo lebte, als Gotteshaus. 1966 ließ die Stadt Sarajewo in dem Gebäude ein jüdisches Museum einrichten. Dafür wich die Gemeinde für ihre Gottesdienste auf die aschkenasische Synagoge aus, die übrigens eine der größten Synagogen Europas ist. Während des Bosnienkriegs in den 1990er Jahren wurde das jüdische Museum geschlossen und als Lagerraum für Exponate aus anderen Museen Sarajewos genutzt. Nach der Wiedereröffnung des Museums wurde es 2004 wieder der jüdischen Gemeinde zur Verfügung gestellt, die das Gebäude auch für Gebete nutzt.
Auf dem alten sephardischen Friedhof, der seit dem 17. Jahrhundert auf dem Berg Trebević besteht, befindet sich ein Denkmal für die Opfer des Holocaust in Bosnien-Herzegowina. Der Friedhof wurde mehrmals verwüstet. Während des Bosnienkriegs in den 1990er Jahren verursachten Kampfhandlungen schwere Beschädigungen. Nach dem Krieg konnte der Friedhof 1998 entmint und später weitestgehend in Stand gesetzt werden.