Ab Juni 1940 wurden mehrere Tausend ausländische und staatenlose Juden im Lager Ferramonti di Tarsia im süditalienischen Kalabrien interniert. Es war das größte von 15 solche Internierungslager, die das faschistische Italien unterhielt. Seit Ende der 1980er Jahre kümmern sich Bürgerinitiativen um den Erhalt der historischen Spuren. 2004 wurde ein kleines Museum auf dem Gelände eröffnet.
Ab 1936 ging das faschistisch regierte Italien ein immer engeres Bündnis mit dem nationalsozialistischen Deutschland ein. Obwohl es zunächst auf Distanz zur antijüdischen Politik Hitlers geblieben war, wurden 1938 auch in Italien Rassengesetze nach deutschem Muster eingeführt. Einen doppelt schweren Stand hatten jüdische Einwanderer und Flüchtlinge: sie wurden nach dem Kriegseintritt Italiens am 10. Juni 1940 interniert. Am 15. Juni befahl das Innenministerium, ausländische und staatenlose jüdische Männer zwischen 18 und 60 Jahren zu verhaften. Am 20. Juni kamen die ersten von ihnen in Ferramonti, einem Ort der Gemeinde Tarsia in der Nähe von Cosenza in Süditalien an. Das Lager lag in einem Sumpfgebiet auf einer ehemaligen Baustelle für Landgewinnungsarbeiten. Die Gegend war stark malariaverseucht, so dass 800 Häftlinge daran erkrankten, keiner jedoch tödlich.
Trotz Krankheiten und nicht immer ausreichender Versorgung waren die Lebensbedingungen in Ferramonti nicht mit denen eines deutschen Konzentrationslagers zu vergleichen. Es gab weder Misshandlungen noch Deportationen, die Alltagsbedingungen waren nicht menschenunwürdig. Obwohl der Zugang der Internierten zu politischen Informationen eingeschränkt wurde, wurde neben einer Schule, einer Synagoge und einem Theater auch eine Bibliothek im Lager unterhalten. In den 92 Baracken wählten die Internierten jeweils einen Vertreter, der die Lagerleitung auf Missstände aufmerksam machen konnte. Im Lager fanden vier Hochzeiten statt, 21 Kinder wurden dort geboren.
Kurz vor dem Waffenstillstand Italiens mit den Alliierten am 8. September 1943 wurden alle Internierten freigelassen. Die meisten von ihnen tauchten in benachbarten Dörfern unter, bis das Lager – als erstes in Europa – am 14. September von der Britischen Armee befreit wurde. Bis zu seiner offiziellen Schließung am 11. Dezember 1945 bestand es unter britischer Verwaltung als Lager für »displaced persons« weiter.
In Ferramonti di Tarsia, dem größten italienischen Internierungslager für Juden, wurden mindestens 2.500 Menschen interniert. Andere Quellen geben 3.862 ausländische und 141 italienische Juden für Ferramonti an.
Die Internierten, von denen viele auf ein Ausreisevisum warteten, waren zum Großteil Emigranten und Flüchtlinge aus dem Deutschen Reich und aus von Deutschland besetzten Ländern: Polen, Serbien, und der Tschechoslowakei. Das Dekret vom 7. September 1938 hatte allen Juden, die ab 1919 eingewandert waren, die italienische Staatsbürgerschaft entzogen und ihnen eine Frist von 6 Monaten gegeben, das Land zu verlassen. Diese Frist wurde jedoch mehrmals verlängert. Einer offiziellen Schätzung zufolge lebten 1940 noch 3.870 Juden in Italien, die nach 1919 eingewandert waren. Hinzu kamen mehrere tausend Juden, die sich mit einem Transitvisum in Italien aufhielten.
Zunächst wurden in Ferramonti nur Männer interniert. Frauen und Kinder lebten in »freier Internierung« an bestimmten abgelegenen, polizeilich überwachten Orten. Später wurden jedoch auch sie nach Ferramonti und in ähnliche Lager überstellt. Ab 1941 wurden in Ferramonti außerdem griechische, chinesische, jugoslawische und französische Zivilisten sowie einige italienische Antifaschisten interniert.
In Ferramonti di Tarsia gab es mit Ausnahme von vier Menschen, die bei einem versehentlichen Bombenangriff der Alliierten auf das Lager ums Leben kamen, keine gewaltsamen Todesfälle.
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Am historischen Ort sind heute nur wenige Spuren erhalten geblieben. Ende der 1960er Jahre wurde der Großteil der Baracken zerstört, um der Autobahn A3, die mitten durch das ehemalige Lagergelände verläuft, Platz zu machen.
Gegen Ende der 1980er Jahre nahmen sich verschiedene Bürgerinitiativen des ehemaligen Lagergeländes an, was von einem zunehmenden Bewusstsein für die Geschichte des Faschismus in Italien zeugte. Sie setzten sich für die Erhaltung des historischen Ortes ein; als Ergebnis wurde 1990 ein erster Gedenkstein dort eingeweiht. Das Gelände wurde 1999 vom Ministerium für Kulturgüter teilweise unter Denkmalschutz gestellt, was jedoch nicht verhindern konnte, dass kurz darauf durch Verbreiterungsarbeiten für die Autobahn ein weiterer Teil geschleift wurde. Einzig die Steinbaracken, in denen das Lagerpersonal wohnte, sind erhalten geblieben. Dort befindet sich heute das »Museum der Erinnerung«, das von der Gemeinde Tarsia finanziert und am 25. April 2004 eröffnet wurde. Es dokumentiert vor allem mit Hilfe historischer Fotos das Schicksal der Internierten.
Historisches Museum, Bibliothek, Dokumentation über italienische Konzentrationslager, Führungen zu historischen Orten der Provinz Cosenza und zu Gedenkorten Süd- und Mittelitaliens
Besuch der Gedenkstätte nur nach Anmeldung bei der Verwaltung der Gemeinde Tarsia
https://www.campodiferramonti.it/
ferramonti@comune.tarsia.cs.it
+39 0981 952015