Ehemalige Synagoge Wenkheim

Ehemalige Synagoge Wenkheim


Während der Novemberpogrome 1938 zerstörten und plünderten Angehörige der SA in Wenkheim die Inneneinrichtung der Synagoge. Knapp zwei Jahre später deportierte die SS die Juden aus dem Dorf in das Internierungslager Gurs. Heute befinden sich in der Synagoge eine kulturelle Begegnungsstätte und ein Dokumentationszentrum, das in einer Ausstellung an das Schicksal der Wenkheimer Juden erinnert.

Geschichte

1875 lebten etwa 160 Juden in Wenkheim, einem Dorf in Nordbaden, heute ein Ortsteil von Werbach. Die 1841 erbaute Synagoge war der Mittelpunkt der jüdischen Gemeinde. 1933, im Jahr der nationalsozialistischen Machtübernahme, gehörten ihr noch 46 Mitglieder an. Ihnen gehörten Textilwarengeschäfte, ein Kolonial- und Eisenwarengeschäft, zwei Viehhandlungen und eine Mazzenbäckerei, in der Brot aus ungesäuertem Teig für das Pessachfest gebacken wurde. Ab 1933 begann auch in Wenkheim eine zunehmende Ausgrenzung der jüdischen Einwohner aus der Dorfgemeinschaft. Aufgrund der immer häufigeren und brutaleren antisemitischen Übergriffe verließen viele von ihnen nach und nach ihren Heimatort. Während der Novemberpogrome 1938 zerstörten Angehörige der SA die Inneneinrichtung der Wenkheimer Synagoge und plünderten die Kultgegenstände. Eine geplante Sprengung der Synagoge scheiterte. Das aus diesem Grund erhalten gebliebene Gebäude nutzte später die örtliche Hitlerjugend. Während des Zweiten Weltkrieges diente das Synagogengebäude als Unterkunft für belgische Kriegsgefangene. Am 22. und 23. Oktober 1940 forderte die Gestapo im Rahmen der sogenannten Wagner-Bürckel-Aktion die jüdischen Einwohner aus den Regionen Baden und Saar-Pfalz dazu auf, sich innerhalb einer Stunde mit wenig Gepäck auf öffentlichen Plätzen einzufinden. Von dort wurden die jüdischen Männer, Frauen und Kinder in das französische Internierungslager Gurs nahe der spanischen Grenze deportiert. In Wenkheim betraf diese Maßnahme etwa 13 Juden. Bei ihnen handelte es sich um die letzten im Ort verbliebenen jüdischen Bewohner, nachdem ein großer Teil von ihnen bereits ins Ausland geflüchtet war.

Opfergruppen

Von August 1942 bis Herbst 1943 wurden insgesamt 3.000 jüdische Männer, Frauen und Kinder von Gurs über Drancy in die Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau und Sobibor deportiert. Belegt ist die Ermordung von sieben Juden aus Wenkheim in Auschwitz-Birkenau. Vier der Wenkheimer Juden starben bereits im Lager Gurs aufgrund der katastrophalen Bedingungen dort.

Erfahre mehr über Deutschland

Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 begann die staatliche Verfolgung der Gegner des Regimes, von Juden, als »Zigeuner« bezeichneten Roma, Patienten sowie zahlreichen anderen Gruppen. Antisemitismus wurde erstmals Bestandteil der Regierungspolitik eines modernen Staates, die Verfolgung aller Gruppen schrittweise verschärft. Dabei griffen staatliche Verordnungen, Gewalttaten von Anhängern des Regimes und die Hetze der Presse ineinander. Der Terror gegen Juden im November 1938 (»Kristallnacht«) mit etwa hundert Toten bildete den Scheitelpunkt hin zur vollständigen Ausgrenzung und Ermordung der jüdischen Minderheit. Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs im September 1939 gerieten weite Teile Europas unter deutsche Herrschaft. Insbesondere im Osten entstand ein vielgliedriges System von Lagern und Mordstätten, in dem die SS bis zu sechs Millionen Juden, unter ihnen etwa 165.000 deutsche Juden, ermordete. Die Zahl der übrigen Deutschen, die in Folge des Krieges ihr Leben verloren, wird auf etwa sieben Millionen geschätzt, darunter fast 3,5 Millionen Zivilisten. Etwa 28 Millionen Einwohner der besetzten Sowjetunion (Soldaten und Zivilbevölkerung) und drei Millionen nichtjüdische Polen kamen gewaltsam zu Tode; an sie wird in Deutschland bis heute kaum erinnert. Deutschland wurde 1945 von den Alliierten besetzt; 1949 entstanden die Deutsche Demokratische Republik (DDR) und die Bundesrepublik Deutschland (BRD) mit sehr unterschiedlichen Gedenkkulturen. In der DDR dominierte die Selbstinterpretation als »antifaschistischer« deutscher Nachfolgestaat. Die Orte der ehemaligen Konzentrationslager (KZ) Buchenwald, Ravensbrück und Sachsenhausen wurden zu »Nationalen Mahn- und Gedenkstätten« und stellten vor allem den kommunistischen Widerstand dar. In der Bundesrepublik dominierte zunächst die Erinnerung an die Opfer der alliierten Bombenangriffe, von Flucht und Vertreibung. Das Gedenken an die nationalsozialistische Verfolgung, den Holocaust oder den Widerstand war einzelnen Gruppen überlassen, Täter und Tatbeteiligungen – außerhalb juristischer Prozesse – kein Gegenstand öffentlicher Diskussion. Das änderte sich ab Mitte der 1960er Jahre, als nach intensiver Debatte die Verjährung für Mord aufgehoben wurde. Gleichzeitig entstanden Erinnerungsstätten an Orten ehemaliger KZ (1965: Dachau und Neuengamme; 1966: Bergen-Belsen) und die Gedenkstätte Deutscher Widerstand 1968 in West-Berlin. Erst in den 1980er Jahren entwickelte sich durch lokale Initiativen eine vielfältige, oft kleinteilige Erinnerungslandschaft. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands 1990 wurden eine gesamtstaatliche Gedenkstättenkonzeption entwickelt und Orte der Erinnerung umfangreich überarbeitet. Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin konnte 2005 der Öffentlichkeit übergeben werden. Eine umfangreiche Dokumentation der nationalsozialistischen Verbrechen und ihrer Täter, die Topographie des Terrors, wurde im Mai 2010 eröffnet; das Ausstellungszentrum »Flucht, Vertreibung, Versöhnung« folgte 2021. Mittlerweile erinnern zentrale Denkmäler in Berlin auch an weitere Opfergruppen: An die ermordeten Sinti und Roma, an die Opfer im Rahmen der NS-»Euthanasie« ermordeten Patienten und an die verfolgten Homosexuellen. Die Opfer des nationalsozialistischen Terrors in den früheren Ostgebieten fielen nach Kriegsende einem doppelten Vergessen anheim. Die Erinnerung blieb für Jahrzehnte auf landsmannschaftliche Verbände in der BRD beschränkt und schloss die Zeit von 1933 bis 1945 meist aus. Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs nehmen sich jedoch deutsche, polnische, litauische und russische Initiativen auch dieses Teils der deutschen Vergangenheit an.

Erinnerung

1984 gründete sich der »Verein zur Erforschung jüdischer Geschichte und Pflege jüdischer Denkmäler im tauberfränkischen Raum«. In den folgenden Jahren machte es sich der Verein zur Aufgabe, die Wenkheimer Synagoge als kulturgeschichtliches Denkmal zu erhalten und darin ein Dokumentationszentrum zu errichten. Nach einer aufwendigen Renovierung wurde 1992 der Betsaal in seiner ursprünglichen Gestalt wiederhergestellt. Seither wird er für verschiedene kulturelle Veranstaltungen von Vereinen, Schulen und weiteren Initiativen genutzt. Die katholische Kirchengemeinde des Ortes nutzt die ehemalige Synagoge als Gemeindehaus. Im Jahr 2004 erfolgte die Restaurierung des Tauchbeckens für das rituelle Bad, der Mikwe. Auf der ehemaligen Frauenempore der Synagoge befindet sich eine Dauerausstellung zur Geschichte der Juden im Main-Tauber-Kreis. Neben der Synagoge erinnert zudem ein gut erhalten gebliebener Friedhof an die einstige jüdische Gemeinde von Wenkheim.

Angebote

Nutzung des Betsaals für Konzerte, Ausstellungen, Vorträge, Diskussionen sowie für schulische Unterrichtsveranstaltungen, Handbibliothek

Öffnungszeiten

Mai bis Oktober samstags und sonntags 14:30 bis 16:30sowie nach Vereinbarung

Kontakt

https://www.synagoge-wenkheim.de

mailto-synagoge-wenkheim@gmx.de

+49 (0)9341 121 90