Erinnerung an die ermordeten Juden von Domaniwka

Пам'ять вбитих євреїв Доманівки


In Domaniwka (russisch: Domanjowka) erinnern ein Denkmal und eine Gedenktafel an über 18.000 Juden, die dort zwischen 1941 und 1944 in einem rumänischen Lager ermordet wurden oder aufgrund der katastrophalen Lebensumstände dort umkamen.

Geschichte

Domaniwka unweit des Flusses Südlicher Bug gelegen, wurde Anfang des 19. Jahrhunderts gegründet. 1897 waren von 1.145 Einwohnern 903 Juden. Es gab mehrere jüdische Läden und eine Synagoge. 1939 zählte der Ort noch 369 Juden. Die deutsche Wehrmacht und die rumänische Armee besetzten Domaniwka am 5. August 1941.
Ende des Monats ermordeten die Besatzer 24 Juden. Im September kam Domaniwka zum rumänisch besetzten Gebiet Transnistrien, dessen Verwaltungssitz Odessa wurde.
Wenig später richteten die rumänischen Besatzer in Domaniwka ein Lager für Juden ein. Die Juden wurden im Gemeindehaus, in der Synagoge und in zwei halb verfallenen Scheunen eingesperrt. Im November 1941 wurden die ersten Juden aus Bessarabien und aus der Region Odessa ins Lager verschleppt. Bis Januar 1942 wuchs ihre Zahl auf insgesamt 20.000 an. Ihre Lebensumstände waren katastrophal und ihr Schicksal besiegelt: Bereits im Dezember 1941 hatte Oberst Modest Isopescu den Befehl erlassen, alle Juden des Lagers zu ermorden.
Bis Februar 1942 ermordeten rumänische Einheiten insgesamt etwa 18.000 Juden und verscharrten ihre Leichen westlich von Domaniwka. Im Frühling zwangen sie 60 Juden aus dem Lager, die bereits verwesenden Leichen wieder auszugraben und zu verbrennen, um eine Epidemie zu verhindern. Diese Arbeit dauerte mehrere Wochen. Im Januar 1942 wurden mehrere Hundert Juden aus der Region Odessa und Bessarabien im Lager inhaftiert. Im Juni trafen nochmal Hunderte Juden aus Odessa ein. Zu diesem Zeitpunkt waren noch insgesamt 2.000 bis 3.000 Juden im Lager am Leben. Einige von ihnen wurden zur Zwangsarbeit abkommandiert und erhielten dafür kleine Essensrationen. Nach Absprache mit der rumänischen Gendarmerie ermordete das Sonderkommando R weitere hundert Juden. Ende 1942 waren noch etwa 1.000 Juden am Leben, in der Mehrheit Frauen. Ende 1943 deportierten die Rumänen die meisten Juden aus Domaniwka in ein weiteres Vernichtungslager in Transnistrien, Achmetschetka, wo sie aller Wahrscheinlichkeit nach ermordet wurden.

Opfergruppen

Einigen Angaben zufolge kamen im Lager Domaniwka insgesamt etwa 20.000 Juden um. Etwa 18.000 ermordeten die Besatzer bei den Massakern zwischen Dezember 1941 und Februar 1942. Die Opfer stammten vorwiegend aus Odessa und seiner Umgebung. An der Ermordung der Juden war hauptsächlich die rumänische Gendarmerie und die Armee beteiligt. Unterstützt wurde sie von ukrainischen Milizen und dem Sonderkommando R, die hauptsächlich aus in der Region ansässigen Volksdeutschen bestand. Aufgrund der katastrophalen Lebensumstände im Lager starben tausende Insassen an Hunger, Kälte und Krankheiten. Gegen Ende des Jahres 1942 erschoss das Sonderkommando R weitere hundert Juden. In den letzten Monaten vor der Ankunft der Roten Armee erschossen die rumänischen Besatzer weitere 250 Juden, darunter 50 Kinder. Anfang März 1944 ermordete eine SS-Einheit, die von Osten her kam, mehrere dutzend ukrainische Juden aus dem Lager.
Bei der Ankunft der Roten Armee am 28. März 1944 waren nur noch etwa 500 Juden am Leben. Die meisten von ihnen waren erst kurz zuvor im Lager angekommen.

Erfahre mehr über Ukraine

Die Ukraine, die zweitgrößte Republik der ehemaligen Sowjetunion, war einer der Hauptschauplätze des Zweiten Weltkriegs und des Holocaust. Die Zahl der ukrainischen Todesopfer wird auf fünf bis sechs Millionen Menschen geschätzt, darunter Hunderttausende Juden. Mitte September 1939, nach der sowjetischen Besetzung Ostpolens entsprechend einem deutsch-sowjetischen Geheimabkommen – dem Hitler-Stalin-Pakt –, kamen die südöstlichen Regionen Polens zur Sowjetukraine. Repressionen gegen die einheimische Bevölkerung gehörten fortan zum Alltag. Im Sommer 1941 traf der deutsche Angriff auf die Sowjetunion zunächst genau diese Gebiete. Schon in den ersten Tagen wurde die jüdische Bevölkerung als angebliche Stütze der Sowjetmacht Ziel blutiger Übergriffe. Sie gingen häufig von national gesinnten Ukrainern aus, die den Vormarsch der Wehrmacht zunächst begrüßten. Bald darauf begannen deutsche SS-Einsatzgruppen und verbündete rumänische Einheiten mit Massenerschießungen von Juden. Die Schlucht von Babij Jar (ukrainisch Babyn Jar) nahe Kiew, wo deutsche Einheiten und ukrainische Miliz an zwei Tagen im September 1941 mehr als 33.700 Juden ermordeten, ist heute ein weltweites Symbol für den Völkermord an den Juden. Auch die nichtjüdische Bevölkerung geriet ins Visier der Verfolger. In der nationalsozialistischen Rassenideologie galten Ukrainer wie alle »Slawen« als »Untermenschen«. Die Besatzer plünderten das Land, verschleppten weit über eine Million Zivilisten zur Zwangsarbeit und verübten öffentliche Geiselmorde. Ab 1943 tobte nicht nur ein Partisanenkrieg gegen die Wehrmacht, sondern auch der Kampf der nationalistischen »Ukrajinska Powstanska Armija« (Ukrainische Aufstandsarmee = UPA) gegen die Sowjets und die polnische Bevölkerung der Westukraine. Weit über 100.000 Polen fanden hierbei den Tod. 1944 wurde die Ukraine wieder sowjetisch und umfasst seitdem auch ehemals ostpolnische Regionen. Die UPA setzte ihren Kampf bis Mitte der 1950er Jahre fort. Die sowjetischen Behörden verschleppten rund 300.000 Ukrainer nach Sibirien, um diesen Widerstand zu brechen. Die Gedenkkultur war an der sowjetischen Symbolsprache ausgerichtet. Es entstanden monumentale Gedenkanlagen zur Feier des »Sieges« im Großen Vaterländischen Krieg. Erst in jüngerer Zeit trat neben die Heldenverehrung auch das Opfergedenken. In der Westukraine hat sich zudem eine Erinnerungskultur an den Kampf der UPA entwickelt, der als Unabhängigkeitskampf interpretiert wird. Eine Aufarbeitung der Kollaboration mit den deutschen Besatzern und des Antisemitismus hat erst um 2000 begonnen. Die Massenerschießungen an Juden wurden, mit wenigen Ausnahmen, bis in die 1980er Jahre übergangen. Erst die Regierung der unabhängigen Ukraine erkannte 1991 Babyn Jar als »Symbol jüdischen Märtyrertums« an. Die Ukraine war auch lange nach der Erlangung der Unabhängigkeit auf der Suche nach ihrer eigenen Identität. Die Dokumentation der sowjetischen Verbrechen – wie die staatlich herbeigeführte Hungerkatastrophe 1932/33 mit Millionen Toten (Holodomor) – hat größere Bedeutung als die Aufklärung über den Holocaust. Dennoch entstanden überall im Land neue Gedenkorte in Erinnerung an die ermordeten Juden, wie etwa die Gedenkstätte Drobizkij Jar in Charkiw oder das Holocaustmuseum in Odessa. An zahlreichen Massengräbern entstanden neue Denkmäler, teils mit Unterstützung aus Deutschland. In Kiew sollte bei der ehemaligen Massenerschießungsstätte Babyn Jar eine große Holocaustgedenkstätte mit weltweiter Ausstrahlung entstehen. Diese Pläne wurden mit dem großangelegten russischen Angriff auf die Ukraine vom 24. Februar 2022 auf Eis gelegt. Welche Auswirkungen der Verteidigungskrieg in Zukunft auf die Holocausterinnerung haben wird, bleibt abzuwarten.

Erinnerung

Im Zentrum von Domaniwka befindet sich seit sowjetischer Zeit eine Gedenktafel, die an die ermordeten Juden des Lagers erinnert. Die russische Inschrift lautet: »In diesem Gebäude des Dorfes Domanjewka gab es während der faschistischen Okkupation von 1941 bis 1944 ein Konzentrationslager-Ghetto.Die Faschisten ermordeten und erschossen 18 Tausend Juden«. Heute befinden sich in dem Gebäude ein Lebensmittelgeschäft und das Gemeindehaus des Dorfes. Etwa 300 Meter weiter südlich steht das Gebäude der ehemaligen Synagoge. Sie wurde seit der Zeit nach der Oktoberrevolution nicht mehr als Gotteshaus genutzt.
1994 ließ der Historiker Boris Gidalewitch (1908–2003) aus Odessa ein Denkmal für die ermordeten Juden in der Nähe ihrer Massengräber errichten. Durch seine Initiative wurden 23 Denkmäler in Erinnerung an die jüdischen Opfer im ehemaligen Transnistrien-Gebiet errichtet. Das Denkmal befindet sich westlich von Domaniwka hinter einem Wäldchen. Laut der ukrainischen Inschrift liegen an dieser Stelle 19.000 ermordete Juden begraben. Weniger als einen Kilometer entfernt befindet sich eine weitere Massenerschießungsstätte, wo heute ein Sportplatz steht. Hier ermordeten die rumänischen Besatzer und ihre Helfer im Dezember 1941 etwa 600 Juden. In der Nähe liegt der jüdische Friedhof des Ortes, auf dem seit 1987 keine Bestattung mehr stattfand. Heute existiert im Ort, der einst aufgrund seiner vorwiegend jüdischen Bevölkerung als Schtetl bezeichnet wurde, keine jüdische Gemeinde mehr.
1999 wurde die Familie Gnatiuk von der israelischen Gedenkstätte Yad Vashem mit dem Ehrentitel »Gerechte unter den Völkern« geehrt. Sie versteckte zwei Monate lang die Familie Starkmann in ihrem Keller. Frau Starkmann und ihre drei Kinder überlebten den Krieg und zogen zurück nach Odessa.
2002 erschien der Dokumentarfilm »Exodus«(russisch: Izchod) von Ewgenij Olenin. Er thematisiert das Leid der deportierten Juden und enthält Interviews mit Zeitzeugen, vorwiegend mit Intellektuellen aus Odessa.

Öffnungszeiten

Das Denkmal ist jederzeit zugänglich.

Kontakt

http://www.holocaust-odessa.org/

www.holocaust-museum@mail.ru

+38(048)722 60 97