Kinderfriedhof Gantenwald

Kinderfriedhof Gantenwald


Im Landkreis Schwäbisch Hall diente ab Juni 1944 ein Gehöft in der Siedlung Gantenwald als Entbindungsanstalt für osteuropäische Zwangsarbeiterinnen. Viele der hier geborenen Kinder verstarben innerhalb weniger Monate wegen der ungenügenden Pflege. Ein Gedenkstein auf dem Kinderfriedhof Gantenwald erinnert an sie.

Geschichte

Um die Rüstungsindustrie aufrecht erhalten zu können, griffen die Betriebe im »Dritten Reich« immer häufiger auf weibliche Arbeitskräfte zurück. Nicht nur deutsche Frauen übernahmen vielerorts die Arbeit von Männern, auch tausende Frauen aus den besetzten Ländern zwangen die Nationalsozialisten ab 1941 verstärkt zur Arbeit in den Rüstungswerken. Bis Dezember 1942 schoben sie schwanger gewordene Zwangsarbeiterinnen aus Osteuropa in ihre Heimatländer ab. Ab 1943 wurden im Deutschen Reich aufgrund eines Beschlusses des Reichsführers SS Heinrich Himmler und dem Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz Fritz Sauckel mehrere »Ausländerkinder-Pflegestätten« eingerichtet. Die Kinder ausländischer Zwangsarbeiterinnen wurden kurz nach der Geburt von ihren Müttern getrennt und diesen Einrichtungen übergeben. Das Ziel war, die Zwangsarbeiterinnen nach kurzer Zeit wieder als Arbeitskräfte einsetzen zu können. Bereits nach acht bis zehn Tagen mussten sie wieder in die Rüstungsbetriebe zurückkehren. Anfangs waren die Säuglingssammellager als »Still- und Kleinkinderbetreuungseinrichtungen« gedacht. Doch ab 1944 mussten die betroffenen Frauen dort auch entbinden. Auf diese Weise sollte ihr Schicksal dem Blick der Öffentlichkeit verborgen bleiben. In den meisten »Ausländerkinder-Pflegestätten« behandelte das Personal die Kinder bewusst schlecht, indem es ihnen wenig Nahrung und Pflege zukommen ließ. Ausländische Frauen sollten möglichst wenig Nachwuchs haben. Auch in einem Gehöft der Siedlung Gantenwald veranlassten die nationalsozialistischen Behörden 1943 die Einrichtung einer »Ausländerkinder-Pflegestätte«. Bis 1945 waren hier etwa achtzig Säuglinge und Kleinkinder untergebracht. Viele von ihnen stammten von polnischen, ukrainischen und russischen Zwangsarbeiterinnen.

Opfergruppen

Aufgrund der völlig unzureichenden Ernährung, Pflege und medizinischen Versorgung starben wahrscheinlich 24 der in Gantenwald geborenen Kinder bevor sie das erste Lebensjahr erreichten. 19 von ihnen sind auf einem eigens angelegten Friedhof in der Nähe der ehemaligen »Ausländerkinder-Pflegestätte« begraben. Die aus Russland stammende achtzehnjährige Eugenia Rossamacha verstarb bei der Geburt ihres Sohnes. Ihr Grab befindet sich ebenfalls auf dem Kinderfriedhof Gantenwald.

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Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 begann die staatliche Verfolgung der Gegner des Regimes, von Juden, als »Zigeuner« bezeichneten Roma, Patienten sowie zahlreichen anderen Gruppen. Antisemitismus wurde erstmals Bestandteil der Regierungspolitik eines modernen Staates, die Verfolgung aller Gruppen schrittweise verschärft. Dabei griffen staatliche Verordnungen, Gewalttaten von Anhängern des Regimes und die Hetze der Presse ineinander. Der Terror gegen Juden im November 1938 (»Kristallnacht«) mit etwa hundert Toten bildete den Scheitelpunkt hin zur vollständigen Ausgrenzung und Ermordung der jüdischen Minderheit. Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs im September 1939 gerieten weite Teile Europas unter deutsche Herrschaft. Insbesondere im Osten entstand ein vielgliedriges System von Lagern und Mordstätten, in dem die SS bis zu sechs Millionen Juden, unter ihnen etwa 165.000 deutsche Juden, ermordete. Die Zahl der übrigen Deutschen, die in Folge des Krieges ihr Leben verloren, wird auf etwa sieben Millionen geschätzt, darunter fast 3,5 Millionen Zivilisten. Etwa 28 Millionen Einwohner der besetzten Sowjetunion (Soldaten und Zivilbevölkerung) und drei Millionen nichtjüdische Polen kamen gewaltsam zu Tode; an sie wird in Deutschland bis heute kaum erinnert. Deutschland wurde 1945 von den Alliierten besetzt; 1949 entstanden die Deutsche Demokratische Republik (DDR) und die Bundesrepublik Deutschland (BRD) mit sehr unterschiedlichen Gedenkkulturen. In der DDR dominierte die Selbstinterpretation als »antifaschistischer« deutscher Nachfolgestaat. Die Orte der ehemaligen Konzentrationslager (KZ) Buchenwald, Ravensbrück und Sachsenhausen wurden zu »Nationalen Mahn- und Gedenkstätten« und stellten vor allem den kommunistischen Widerstand dar. In der Bundesrepublik dominierte zunächst die Erinnerung an die Opfer der alliierten Bombenangriffe, von Flucht und Vertreibung. Das Gedenken an die nationalsozialistische Verfolgung, den Holocaust oder den Widerstand war einzelnen Gruppen überlassen, Täter und Tatbeteiligungen – außerhalb juristischer Prozesse – kein Gegenstand öffentlicher Diskussion. Das änderte sich ab Mitte der 1960er Jahre, als nach intensiver Debatte die Verjährung für Mord aufgehoben wurde. Gleichzeitig entstanden Erinnerungsstätten an Orten ehemaliger KZ (1965: Dachau und Neuengamme; 1966: Bergen-Belsen) und die Gedenkstätte Deutscher Widerstand 1968 in West-Berlin. Erst in den 1980er Jahren entwickelte sich durch lokale Initiativen eine vielfältige, oft kleinteilige Erinnerungslandschaft. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands 1990 wurden eine gesamtstaatliche Gedenkstättenkonzeption entwickelt und Orte der Erinnerung umfangreich überarbeitet. Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin konnte 2005 der Öffentlichkeit übergeben werden. Eine umfangreiche Dokumentation der nationalsozialistischen Verbrechen und ihrer Täter, die Topographie des Terrors, wurde im Mai 2010 eröffnet; das Ausstellungszentrum »Flucht, Vertreibung, Versöhnung« folgte 2021. Mittlerweile erinnern zentrale Denkmäler in Berlin auch an weitere Opfergruppen: An die ermordeten Sinti und Roma, an die Opfer im Rahmen der NS-»Euthanasie« ermordeten Patienten und an die verfolgten Homosexuellen. Die Opfer des nationalsozialistischen Terrors in den früheren Ostgebieten fielen nach Kriegsende einem doppelten Vergessen anheim. Die Erinnerung blieb für Jahrzehnte auf landsmannschaftliche Verbände in der BRD beschränkt und schloss die Zeit von 1933 bis 1945 meist aus. Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs nehmen sich jedoch deutsche, polnische, litauische und russische Initiativen auch dieses Teils der deutschen Vergangenheit an.

Erinnerung

Den kleinen Friedhof ließ die Gemeinde Bühlerzell in Zusammenarbeit mit dem Kreisplanungsamt 1984 neu gestalten. Kurz darauf wurde hier auf Initiative des Landkreises Schwäbisch-Hall ein Gedenkstein mit einer Plastik errichtet. Die Pflege der Gräber hat die Gemeinde Bühlerzell übernommen.

Öffnungszeiten

Jederzeit zugänglich

Kontakt

https://www.buehlerzell.de/de/freizeit-gaeste/gedenkstaetten

info@buehlerzell.de

+49 (0)7974 939 00


74426 Bühlerzell