Im Lager Fossoli hielten italienische Faschisten und später die deutsche SS seit 1943 Kriegsgefangene, politische Gegner und Juden fest. Das Lager war Ausgangspunkt für Deportationen in Konzentrations- und Vernichtungslager nördlich der Alpen. Auf dem Gelände des ehemaligen Lagers entsteht eine Gedenkstätte, während in der nahe gelegenen Stadt Carpi bereits seit 1973 ein Museum an die Deportationen erinnert.
1943, nach Italiens Abkehr vom Bündnis mit Deutschland und seiner Kapitulation vor den Alliierten, entstand in Norditalien die »Italienische Sozialrepublik«, ein faschistischer Puppenstaat unter deutscher Kontrolle. Dieser nutzte einen Teil des Lagers Fossoli ab dem 5. Dezember 1943 als Internierungslager für Juden. Das Lager war in der Nähe der Stadt Carpi, 20 Kilometer nördlich von Modena gelegen und war im Mai 1942 ursprünglich als Lager für alliierte Kriegsgefangene vom nordafrikanischen Kriegsschauplatz entstanden. Der Teil, in dem nun Juden gefangen gehalten wurden, hieß »Neues Lager«, während im »Alten Lager« italienische und ausländische Zivilisten interniert wurden. Ab Januar 1944 wurden auch politische Häftlinge im »Neuen Lager« festgehalten. Am 19. und 22. Februar 1944 fuhren die ersten Transporte von Juden aus Fossoli in die Lager Auschwitz-Birkenau und Bergen-Belsen, zu einem Zeitpunkt, als das Lager noch unter italienischer Leitung war. Die Deportationen wurden von Friedrich Bosshammer, dem Beauftragten für die Durchführung der »Endlösung« in Italien, von Verona aus organisiert.
Am 15. März 1944 übernahmen die Deutschen das Kommando im Lager Fossoli, das nun offiziell »Polizeidurchgangslager« hieß. Die Hauptaufgabe des Lagers war es nun, Deportationstransporte zusammenzustellen, die aus Fossoli auf direktem Wege in Richtung Norden fuhren. Lagerkommandant wurde SS-Untersturmführer Karl Friedrich Titho. Am 12. Juli 1944 wurden im Rahmen einer »Vergeltungsaktion« 67 politische Gefangene aus dem Lager am Schießplatz in Cibeno erschossen.
Am 2. August 1944 wurde das Lager aufgelöst, da es durch Partisanenaktivitäten und den Kriegsverlauf unsicher geworden war. Das Wachpersonal und die Gefangenen wurden in das neu errichtete Durchgangslager in Bozen verlegt. Kurz zuvor ließ Friedrich Bosshammer alle bisher aufgrund eines »Mischlingsstatus« oder einer »Mischehe« verschonten Juden noch deportieren.
Bis zur Schließung des Lagers und seiner Verlegung nach Bozen im August 1944 verließen mindestens acht bis heute ermittelte Transporte mit 5.000 Personen das Lager, von denen mehr als die Hälfte Juden waren. Fünf Transporte gingen in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau, die anderen nach Mauthausen, Buchenwald, Bergen-Belsen und Ravensbrück. Die Durchführung der Deportationen übernahmen italienische Carabinieri und Schutzpolizeieinheiten aus Südtirol. Die jüdischen Gefangenen wurden hauptsächlich nach Auschwitz-Birkenau deportiert, lediglich ein Transport mit Juden aus neutralen Ländern fuhr nach Bergen-Belsen.
Unter den Deportierten des ersten Transports aus Fossoli nach Auschwitz war auch der Schriftsteller Primo Levi (1919-1987), der das Lager und die Deportation in seinem Buch »Ist das ein Mensch?« beschreibt.
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Das »Alte Lager« zerfiel nach dem Krieg rasch und wurde zu Agrarland. Das »Neue Lager« hingegen wurde in den ersten Nachkriegsmonaten als Internierungslager für ehemalige Handlanger der »Italienischen Sozialrepublik« benutzt. Danach wurde das Gelände einige Zeit als »displaced persons camp« für heimatlos gewordene Juden verwendet, bis 1947 die »Nomadelfia« entstand, eine Wohngemeinschaft für Kriegswaisen. Nach dem Umzug der Gemeinschaft beherbergte das ehemalige Lagergelände von 1954-1970 italienische Flüchtlinge aus den Regionen Istrien und Julisch Venetien, die 1954 Jugoslawien zugesprochen worden waren.
Bereits 1955 taten sich ehemalige Gefangene, Mitglieder der jüdischen Gemeinden und Politiker zu einem Komitee zusammen, das die Errichtung eines Gedenkortes in der Stadt Carpi zum Ziel hatte. 1964 wurde das Projekt der Architekten Belgiojoso, Peressuti und Rogers sowie des Malers Renato Guttuso ausgewählt. Gemeinsam mit Gianluigi Banfi hatten die drei Architekten als Gruppe BBPR in den 1930er Jahren Berühmtheit erlangt. Banfi und Belgiojoso waren 1944 nach Mauthausen deportiert worden, wo Banfi umkam. Das »Museum und Denkmal für die Deportierten« wurde am 14. Oktober 1973 während einer Gedenkveranstaltung in Anwesenheit von 40.000 Menschen eingeweiht. Im Museum wird vor allem zeitgenössische Kunst gezeigt, die eine Atmosphäre der emotionalen Begegnung schaffen soll. Die Namen von insgesamt 15.000 italienischen Deportierten, unter ihnen viele Juden, werden im »Raum der Namen« genannt.
Seit 1996 wird das Museum von der »Stiftung Ehemaliges Lager Fossoli« verwaltet. Zentrale Aufgabe der Stiftung und des angegliederten »Studien- und Dokumentationszentrums« ist die Erschließung des ehemaligen Lagergeländes, auf dem nur noch die Mauern der Baracken erhalten geblieben sind, und dessen Umwandlung in eine Gedenkstätte. Dies geschieht seit 2002 in kleinen Schritten nach den Plänen des toskanischen Architekten Roberto Maestro.
Kostenlose Führungen (sonntags), gebührenpflichtige Führungen bei Vorbestellung, Publikation »Quaderni di Fossoli« (Hefte von Fossoli)
Lagergelände: Voranmeldung empfohlen
Museum in Carpi: freitags, samstags und an Feiertagen 10.00 bis 13.00 und 15.00 bis 19.00
21. Juni bis 20. September: freitags, samstags und an Feiertagen 10.00 bis 13.00 und 16.00 bis 20.00
http://www.fondazionefossoli.org/
fondazione.fossoli@carpidiem.it
+39 (0)59 688 272
Via Giulio Rovighi, 57
41012 Carpi