Gedenkstätte ROTER OCHSE Halle (Saale)

Gedenkstätte ROTER OCHSE Halle (Saale)


Die Haftanstalt »Roter Ochse« in Halle diente ab 1933 der Internierung politischer Gegner des nationalsozialistischen Regimes. Von 1942 bis 1945 vollstreckte die nationalsozialistische Justiz hier auch Todesurteile. Nachdem von 1945 bis 1950 Sowjetische Militärtribunale abgehalten wurden, nutzte das Ministerium für Staatssicherheit der DDR Teile des Gebäudekomplexes. Die Gedenkstätte »Roter Ochse« wurde im Februar 1996 eröffnet.

Geschichte

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten diente die 1842 eröffnete Haftanstalt, im Volksmund »Roter Ochse« genannt, vornehmlich der Inhaftierung von Personen, die aus politischen, rassischen und religiösen Gründen nicht in die »Volksgemeinschaft« passten. In den ersten Monaten des Jahres 1933 inhaftierte die SA und die Polizei »Schutzhäftlinge«, die ohne formale Anklage und Rechtsbeistand auf unbestimmte Zeit gefangen gehalten werden konnten. Sondererlasse und Notverordnungen führten zu Massenverhaftungen politischer Gegner. Nach Erweiterungsbauten stieg die Kapazität der Einrichtung zwischen 1933 und 1938 von 500 auf 790 Gefangene. Ab 1942 führte die nationalsozialistische Justiz auch Hinrichtungen in der Haftanstalt »Roter Ochse« durch.
Im April 1945 befreiten US-amerikanische Truppen die Zuchthausinsassen.
Ab Juli 1945 wurde Thüringen Teil der sowjetischen Besatzungszone, den »Roten Ochsen« übernahm der sowjetische Geheimdienst NKWD. Das Gefängnis diente in der Folge als Untersuchungshaftanstalt, in der Sowjetische Militärtribunale (SMT) stattfanden. Ab August 1945 inhaftierte die Besatzungsmacht Kriegsverbrecher und ehemalige NSDAP-Funktionäre, aber zunehmend auch andere Gegner des neuen politischen Systems. Die sowjetische Militärjustiz, deren Gerichtsverfahren keinen rechtsstaatlichen Prinzipien entsprachen, fällte mindestens 1.600 Urteile, davon über 100 Todesurteile. Ab 1950 übernahm das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) der kurz zuvor gegründeten DDR Teile der Untersuchungshaftanstalt. Bis 1989 inhaftierte das MfS im »Roten Ochsen« um die 9.600 Verdächtige, tatsächliche und vermeintliche Gegner der SED-Diktatur. Im Dezember 1989 wurde die Untersuchungshaftanstalt infolge der friedlichen Revolution in der DDR geschlossen.

Opfergruppen

Während der nationalsozialistischen Herrschaft bildeten drei Häftlingskategorien den Großteil der in Halle Inhaftierten: Politische, rassisch und religiös Verfolgte, sowie Kriminelle und Kriminalisierte. Nach der Umwandlung in ein Zuchthaus im Jahr 1935 nahm die Zahl der politischen Häftlinge stark zu. Während des Zweiten Weltkriegs waren auch Menschen aus den besetzten Ländern hier inhaftiert. Nach der Errichtung einer Hinrichtungsstätte 1942 exekutierten die Nationalsozialisten hier bis zum Kriegsende 549 Menschen aus 15 Ländern.
Nach der Übernahme der Haftanstalt durch das sowjetische Militär und der Installierung eines Durchgangslagers saßen im »Roten Ochsen« bereits im Oktober 1945 über 1.700 Häftlinge ein. Viele Häftlinge wurden in Speziallager überstellt, über andere hielten die sowjetischen Behörden vor Ort Militärtribunale ab. Zu den Angeklagten zählten auch viele Jugendliche, die der Zugehörigkeit im »Werwolf« oder in anderen »antisowjetischen Gruppierungen« verdächtigt wurden. Bis 1947 verhängten die Richter mindestens gegen neun Jugendliche Todesurteile.
Zwischen 1950 und 1989 hielt das Ministerium für Staatssicherheit etwa 9.600 Menschen, vor allem politische Häftlinge im »Roten Ochsen« fest. Zu den häufigsten Verdachtsgründen zählten illegale Grenzübertritte, Spionage und »staatsfeindliche Hetze«.

Erfahre mehr über Deutschland

Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 begann die staatliche Verfolgung der Gegner des Regimes, von Juden, als »Zigeuner« bezeichneten Roma, Patienten sowie zahlreichen anderen Gruppen. Antisemitismus wurde erstmals Bestandteil der Regierungspolitik eines modernen Staates, die Verfolgung aller Gruppen schrittweise verschärft. Dabei griffen staatliche Verordnungen, Gewalttaten von Anhängern des Regimes und die Hetze der Presse ineinander. Der Terror gegen Juden im November 1938 (»Kristallnacht«) mit etwa hundert Toten bildete den Scheitelpunkt hin zur vollständigen Ausgrenzung und Ermordung der jüdischen Minderheit. Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs im September 1939 gerieten weite Teile Europas unter deutsche Herrschaft. Insbesondere im Osten entstand ein vielgliedriges System von Lagern und Mordstätten, in dem die SS bis zu sechs Millionen Juden, unter ihnen etwa 165.000 deutsche Juden, ermordete. Die Zahl der übrigen Deutschen, die in Folge des Krieges ihr Leben verloren, wird auf etwa sieben Millionen geschätzt, darunter fast 3,5 Millionen Zivilisten. Etwa 28 Millionen Einwohner der besetzten Sowjetunion (Soldaten und Zivilbevölkerung) und drei Millionen nichtjüdische Polen kamen gewaltsam zu Tode; an sie wird in Deutschland bis heute kaum erinnert. Deutschland wurde 1945 von den Alliierten besetzt; 1949 entstanden die Deutsche Demokratische Republik (DDR) und die Bundesrepublik Deutschland (BRD) mit sehr unterschiedlichen Gedenkkulturen. In der DDR dominierte die Selbstinterpretation als »antifaschistischer« deutscher Nachfolgestaat. Die Orte der ehemaligen Konzentrationslager (KZ) Buchenwald, Ravensbrück und Sachsenhausen wurden zu »Nationalen Mahn- und Gedenkstätten« und stellten vor allem den kommunistischen Widerstand dar. In der Bundesrepublik dominierte zunächst die Erinnerung an die Opfer der alliierten Bombenangriffe, von Flucht und Vertreibung. Das Gedenken an die nationalsozialistische Verfolgung, den Holocaust oder den Widerstand war einzelnen Gruppen überlassen, Täter und Tatbeteiligungen – außerhalb juristischer Prozesse – kein Gegenstand öffentlicher Diskussion. Das änderte sich ab Mitte der 1960er Jahre, als nach intensiver Debatte die Verjährung für Mord aufgehoben wurde. Gleichzeitig entstanden Erinnerungsstätten an Orten ehemaliger KZ (1965: Dachau und Neuengamme; 1966: Bergen-Belsen) und die Gedenkstätte Deutscher Widerstand 1968 in West-Berlin. Erst in den 1980er Jahren entwickelte sich durch lokale Initiativen eine vielfältige, oft kleinteilige Erinnerungslandschaft. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands 1990 wurden eine gesamtstaatliche Gedenkstättenkonzeption entwickelt und Orte der Erinnerung umfangreich überarbeitet. Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin konnte 2005 der Öffentlichkeit übergeben werden. Eine umfangreiche Dokumentation der nationalsozialistischen Verbrechen und ihrer Täter, die Topographie des Terrors, wurde im Mai 2010 eröffnet; das Ausstellungszentrum »Flucht, Vertreibung, Versöhnung« folgte 2021. Mittlerweile erinnern zentrale Denkmäler in Berlin auch an weitere Opfergruppen: An die ermordeten Sinti und Roma, an die Opfer im Rahmen der NS-»Euthanasie« ermordeten Patienten und an die verfolgten Homosexuellen. Die Opfer des nationalsozialistischen Terrors in den früheren Ostgebieten fielen nach Kriegsende einem doppelten Vergessen anheim. Die Erinnerung blieb für Jahrzehnte auf landsmannschaftliche Verbände in der BRD beschränkt und schloss die Zeit von 1933 bis 1945 meist aus. Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs nehmen sich jedoch deutsche, polnische, litauische und russische Initiativen auch dieses Teils der deutschen Vergangenheit an.

Erinnerung

Im Jahr 1993 schlug der damalige Justizminister des Landes Sachsen-Anhalt, Dr. Walter Remmers, die Errichtung einer Gedenkstätte im »Roten Ochsen« vor. Diese sollte an die Opfer der Diktaturen vor und nach 1945 erinnern. Ein daraufhin erarbeitetes Gutachten sah vor, die Museumsräume für beide historische Perioden nach Stockwerken zu trennen. Am 15. Februar 1996 wurde die Gedenkstätte vom Land Sachsen-Anhalt mit einer provisorischen Ausstellung eröffnet. In den darauf folgenden Jahren diskutierte ein Arbeitskreis unter Beteiligung von Vertretern von Interessen- und Opferverbänden konzeptionelle Überlegungen zum weiteren Ausbau der Gedenkstätte. Ab 2002 wurde das Gebäude denkmalgerecht saniert. Seit der Eröffnung der Gedenkstätte 2006 informieren zwei neue Dauerausstellungen zu den drei Themenbereichen. Im Erdgeschoss wird die politische Justiz im »Roten Ochsen« von 1933 bis 1945 beleuchtet, im zweiten Obergeschoss steht die politische Justiz 1945 bis 1989 mit Ausstellungsteilen zum Gebäude als Ort sowjetischer Militärtribunale sowie als Untersuchungshaftanstalt des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR im Mittelpunkt.

Angebote

Angebote zur Bildungsarbeit für Schulen und andere Bildungsträger, Vorträge, Seminare und Führungen

Öffnungszeiten

montags und freitags 10:00 bis 14:00, dienstags bis donnerstags 10:00 bis 16:00, jedes erste Wochenende im Monat 13:00 bis 17:00, an gesetzlichen Feiertagen geschlossen

Kontakt

https://gedenkstaette-halle.sachsen-anhalt.de/

info-roterochse@erinnern.org

+49 (0)345 470 698 337

Am Kirchtor 20b
06108 Halle/Saale