Stiftung Neue Synagoge Berlin – Centrum Judaicum

Stiftung Neue Synagoge Berlin – Centrum Judaicum


In der Oranienburger Straße befand sich bis zu ihrer Zerstörung im Zweiten Weltkrieg die größte Synagoge Deutschlands. Nach einer umfassenden Rekonstruktion entstand das Gebäude als Centrum Judaicum 1995 neu. Zu den Aufgaben der Stiftung Neue Synagoge – Centrum Judaicum gehört neben der Wahrung jüdischer Traditionen auch, an die Opfer des Holocaust zu erinnern.

Geschichte

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verdreifachte sich die Zahl der in Berlin lebenden Juden. Viele Neu- und Umbauten fielen in diese Zeit: Neben jüdischen Friedhöfen, Schulen und Krankenhäusern entstanden mehrere Synagogen in der Stadt. Bis 1866 hatte es in Berlin nur eine Synagoge gegeben, in der Heidereutergasse. Die Neue Synagoge in der Oranienburger Straße wurde zwischen 1859 und 1866 nach den Plänen des Berliner Architekten Eduard Knoblauch erbaut. Er hatte sich bei seinem Entwurf am Stil der maurischen Baukunst orientiert. Mit einer fünfzig Meter hohen goldenen Kuppel, der kunstvollen und aufwendigen Inneneinrichtung und mehr als 3.000 Sitzplätzen entstand inmitten Berlins die größte und prächtigste Synagoge Deutschlands. Sie wurde zu einem Zentrum des Reformjudentums. Gottesdienste wurden hier auch deutschsprachig abgehalten und mit Orgelmusik begleitet.
Bald nach der Eröffnung der Neuen Synagoge gab es judenfeindliche Reaktionen. Mit dem Hinweis auf die Größe, die pompöse Ausstattung und den orientalischen Baustil der Synagoge wurde gegen angebliche Fremdheit und Reichtum der Juden gehetzt.
Während des Novemberpogroms 1938 verübten Nationalsozialisten einen Brandanschlag auf die Synagoge. Durch das Handeln des zuständigen Polizeireviervorstehers wurde sie vor größeren Schäden bewahrt: Er wies die Feuerwehr an, die in der Synagoge gelegten Brände zu löschen. Bis zur Enteignung des Gebäudes durch den nationalsozialistischen Staat konnte die Jüdische Gemeinde die Synagoge weiter für Gottesdienste nutzen. Im Januar 1943 richtete die Wehrmacht in den Räumen das »Heeresbekleidungsamt III« ein. Wenige Monate darauf, im November 1943, wurde die Neue Synagoge während eines Luftangriffs getroffen und stark beschädigt.

Opfergruppen

Allein aus Berlin deportierten die Nationalsozialisten mehr als 50.000 Juden in die Ghettos und Vernichtungslager im Osten. Damit wurde die Jüdische Gemeinde der Vorkriegszeit größtenteils ausgelöscht.

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Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 begann die staatliche Verfolgung der Gegner des Regimes, von Juden, als »Zigeuner« bezeichneten Roma, Patienten sowie zahlreichen anderen Gruppen. Antisemitismus wurde erstmals Bestandteil der Regierungspolitik eines modernen Staates, die Verfolgung aller Gruppen schrittweise verschärft. Dabei griffen staatliche Verordnungen, Gewalttaten von Anhängern des Regimes und die Hetze der Presse ineinander. Der Terror gegen Juden im November 1938 (»Kristallnacht«) mit etwa hundert Toten bildete den Scheitelpunkt hin zur vollständigen Ausgrenzung und Ermordung der jüdischen Minderheit. Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs im September 1939 gerieten weite Teile Europas unter deutsche Herrschaft. Insbesondere im Osten entstand ein vielgliedriges System von Lagern und Mordstätten, in dem die SS bis zu sechs Millionen Juden, unter ihnen etwa 165.000 deutsche Juden, ermordete. Die Zahl der übrigen Deutschen, die in Folge des Krieges ihr Leben verloren, wird auf etwa sieben Millionen geschätzt, darunter fast 3,5 Millionen Zivilisten. Etwa 28 Millionen Einwohner der besetzten Sowjetunion (Soldaten und Zivilbevölkerung) und drei Millionen nichtjüdische Polen kamen gewaltsam zu Tode; an sie wird in Deutschland bis heute kaum erinnert. Deutschland wurde 1945 von den Alliierten besetzt; 1949 entstanden die Deutsche Demokratische Republik (DDR) und die Bundesrepublik Deutschland (BRD) mit sehr unterschiedlichen Gedenkkulturen. In der DDR dominierte die Selbstinterpretation als »antifaschistischer« deutscher Nachfolgestaat. Die Orte der ehemaligen Konzentrationslager (KZ) Buchenwald, Ravensbrück und Sachsenhausen wurden zu »Nationalen Mahn- und Gedenkstätten« und stellten vor allem den kommunistischen Widerstand dar. In der Bundesrepublik dominierte zunächst die Erinnerung an die Opfer der alliierten Bombenangriffe, von Flucht und Vertreibung. Das Gedenken an die nationalsozialistische Verfolgung, den Holocaust oder den Widerstand war einzelnen Gruppen überlassen, Täter und Tatbeteiligungen – außerhalb juristischer Prozesse – kein Gegenstand öffentlicher Diskussion. Das änderte sich ab Mitte der 1960er Jahre, als nach intensiver Debatte die Verjährung für Mord aufgehoben wurde. Gleichzeitig entstanden Erinnerungsstätten an Orten ehemaliger KZ (1965: Dachau und Neuengamme; 1966: Bergen-Belsen) und die Gedenkstätte Deutscher Widerstand 1968 in West-Berlin. Erst in den 1980er Jahren entwickelte sich durch lokale Initiativen eine vielfältige, oft kleinteilige Erinnerungslandschaft. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands 1990 wurden eine gesamtstaatliche Gedenkstättenkonzeption entwickelt und Orte der Erinnerung umfangreich überarbeitet. Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin konnte 2005 der Öffentlichkeit übergeben werden. Eine umfangreiche Dokumentation der nationalsozialistischen Verbrechen und ihrer Täter, die Topographie des Terrors, wurde im Mai 2010 eröffnet; das Ausstellungszentrum »Flucht, Vertreibung, Versöhnung« folgte 2021. Mittlerweile erinnern zentrale Denkmäler in Berlin auch an weitere Opfergruppen: An die ermordeten Sinti und Roma, an die Opfer im Rahmen der NS-»Euthanasie« ermordeten Patienten und an die verfolgten Homosexuellen. Die Opfer des nationalsozialistischen Terrors in den früheren Ostgebieten fielen nach Kriegsende einem doppelten Vergessen anheim. Die Erinnerung blieb für Jahrzehnte auf landsmannschaftliche Verbände in der BRD beschränkt und schloss die Zeit von 1933 bis 1945 meist aus. Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs nehmen sich jedoch deutsche, polnische, litauische und russische Initiativen auch dieses Teils der deutschen Vergangenheit an.

Erinnerung

Nach dem Zweiten Weltkrieg blieb das Gebäude der Neuen Synagoge schwer beschädigt. 1958 veranlasste die DDR-Regierung die Sprengung der erhalten gebliebenen Haupthalle und den Abriss der einsturzgefährdeten Kuppel.
Jahrelang kämpfte die kleine Jüdische Gemeinde Ostberlins um den Erhalt der Ruinen der Neuen Synagoge und um die Einrichtung eines Gedenkortes dort. Erst 1988, fünfzig Jahre nach den Novemberpogromen, genehmigte die DDR-Regierung den Wiederaufbau der Neuen Synagoge. Auch aus außenpolitischen Gründen wurde im selben Jahr die Stiftung Neue Synagoge Berlin – Centrum Judaicum gegründet.
Der Großteil der Umbauarbeiten erfolgte nach der Wiedervereinigung Deutschlands. Zur Straßenseite hin wurde die Originalfassade nachgebaut, dahinter kam es jedoch zu umfangreichen Veränderungen. Die Haupthalle, in der früher die Gottesdienste stattfanden, wurde nicht wieder errichtet. Durch die vollständig verglaste Rückfront des Nachbaus ist der ehemalige Standort des einst über 3.000 Plätze fassenden Betsaals sichtbar. Dadurch und mit Hilfe von Markierungen auf dem Fußboden können Besucher die Größe der ehemaligen Synagoge erahnen. Ihre Ruinen wurden beim Wiederaufbau integriert und sind weiterhin sichtbar. Der frühere Standort des Thoraschreins ist durch Säulen gekennzeichnet.
Im Mai 1995 wurde das Gebäude als Centrum Judaicum mit der ständigen Ausstellung »Tuet auf die Pforten« wieder geöffnet. Unter der Adresse in der Oranienburger Straße 28 bis 30 befinden sich heute unter anderem ein kleiner Gebetsraum, ein Archiv, ein Dokumentationszentrum und die Jüdische Volkshochschule. Auch Räume der Jüdischen Gemeinde und des Jüdischen Kulturvereins sind unter dieser Adresse zu finden. In einem Neubau befinden sich Büro- und Archivräume des Centrum Judaicums. Seine Hauptaufgabe bestehen darin, die Erinnerung an die einstige jüdische Bevölkerung Berlins zu pflegen und ihre Tradition und Kultur zu bewahren.
2018 wurde eine neue Dauerausstellung im Haus eröffnet.

Angebote

Dauerausstellung, wechselnde Ausstellungen, Führungen, Archiv, Fotoarchiv, Bibliothek, Veranstaltungen

Öffnungszeiten

April bis September: montags bis freitags 10.00 bis 18.00, sonntags 10.00 bis 19.00,
Oktober bis März: sonntags bis donnerstags 10.00 bis 18.00, freitags 10.00 bis 15.00,
Samstags und an hohen jüdischen Feiertagen geschlossen

Kontakt

https://centrumjudaicum.de/

office@centrumjudaicum.de

+49(0)30 880 283 00

Oranienburger Straße 28/30
10117 Berlin