Stiftung »Arkivet« - Zentrum für Geschichtsvermittlung und Friedensbildung
Stiftelsen Arkivet - Senter for Historieformidling og Fredsbygging
1942 richtete die Gestapo im Gebäude des Staatsarchivs in Kristiansand ihr regionales Hauptquartier ein.
2001 nahm im Gebäude das Bildungszentrum »Stiftelsen Arkivet« seine Arbeit auf. In den Kellerräumen wird eine Ausstellung über den norwegischen Widerstand und die Folterpraktiken der Gestapo gezeigt.
Geschichte
Gleich in den ersten Tagen der deutschen Besatzung Norwegens beschlagnahmte die Wehrmacht das Gebäude des Staatsarchivs in Kristiansand. Ende Januar 1942 übernahm die Gestapo das Haus und nutzte es als ihr Hauptquartier in der Region Sørlandet. Im Keller wurden nach und nach Zellen und eine Folterkammer eingerichtet. Im Laufe der nächsten Jahre hielt die Gestapo insgesamt etwa 3.500 Verhaftete im Gebäude gefangen. Meist handelte es sich um Mitglieder von norwegischen Widerstandsgruppen. Viele Gefangene verschleppten Gestapo und SS in Konzentrationslager, andere wurden später hingerichtet. Im Volksmund erhielt das Haus den Beinamen »Haus des Schreckens«.
Opfergruppen
Zwischen 1942 und 1945 hielt die Gestapo insgesamt etwa 3.500 Menschen im Gebäude des Staatsarchivs gefangen. 162 Gefangene wurden später hingerichtet oder starben in Konzentrationslagern.
Erfahre mehr über
Norwegen
Im April 1940 besetzte die deutsche Wehrmacht nach mehrwöchigen Gefechten das Königreich Norwegen. Hier lebten zu diesem Zeitpunkt über 1.300 norwegische Juden und etwa 600 jüdische Flüchtlinge, vor allem in Oslo und Trondheim. Die Mehrheit der norwegischen Bevölkerung stand den Deutschen ablehnend gegenüber. Bis zum deutschen Einmarsch besaß auch die seit 1933 existierende norwegische Partei »Nasjonal Samling« (Nationale Einheit) unter Vidkun Quisling (1887–1945) mit ihrem judenfeindlichen Kurs keinen Rückhalt in der Bevölkerung. Ab Juni 1941 betrieben deutsche Besatzer und Quislings Nationalisten die Ausgrenzung der jüdischen Bevölkerung und die Verfolgung von Regimegegnern immer radikaler. Im Februar 1942 wurde eine Kollaborationsregierung mit Quisling als Ministerpräsident eingesetzt, die unter Kontrolle des deutschen Reichskommissars Josef Terboven (1898–1945) stand und die den Terror – insbesondere gegen Juden – weiter verschärfte. Im Oktober 1942 wurden alle Juden in Norwegen verhaftet. Ende November 1942 und Ende Februar 1943 deportierte die SS 690 von ihnen – Kinder, Frauen und Männer – auf Schiffen nach Stettin in Pommern (heute: Polen) und von dort direkt oder über Berlin in das Vernichtungslager Auschwitz. Insgesamt wurden mindestens 765 Juden aus Norwegen Opfer des Massenmords – mehr als vierzig Prozent der jüdischen Bevölkerung des Landes.
In Norwegen entstanden mehrere Widerstandsgruppen, die zivilen Ungehorsam leisteten und Sabotageakte durchführten. Verhaftete Untergrundkämpfer kamen in die Konzentrationslager Natzweiler-Struthof, Neuengamme und Sachsenhausen. Beim Rückzug der Wehrmacht im Frühjahr 1945 wurden viele Orte und Industrieanlagen in Nordnorwegen vollständig niedergebrannt, Quisling am 8. Mai 1945 verhaftet und am 24. Oktober 1945 in der Festung Akershus in Oslo hingerichtet. Der Name Quisling ist in mehrere Sprachen als der Inbegriff von Kollaboration und Verrat eingegangen. Bis 1945 hatten sich etwa 45.000 Norweger seiner Partei angeschlossen. Im Akershus befindet sich seit 1970 das zentrale norwegische Widerstandsmuseum und ein Denkmal für die norwegischen Patrioten, die an dieser Stelle während des Zweiten Weltkrieges erschossen wurden. Seit den 1990er Jahren entstanden mehrere Holocaustdenkmäler in Trondheim und Oslo. In Quislings früherem Osloer Dienstsitz (»Villa Grande«) ist seit 2005 das Zentrum zur Erforschung des Holocaust und der religiösen Minderheiten untergebracht. Zum Symbol des norwegischen Widerstands und der Nachkriegsdemokratie wurde die Königsfamilie unter Haakon VII. (1872–1957). König und Kronprinz hatten sich gemeinsam der Kapitulation verweigert und waren ins britische Exil gegangen. In der Nähe einer Birke, an der sie im April 1940 Zuflucht gesucht hatten, wurde 1997 ein »Friedenshain« angelegt, der einen »dauerhaften Kampf für Freiheit, Frieden und Menschenwürde in der gegenwärtigen und zukünftigen Wirklichkeit« anmahnen soll. Diese Orientierung auf Gegenwart und Zukunft sowie eine entsprechende Friedens- und Menschenrechtserziehung ist vielen norwegischen Gedenkeinrichtungen eigen. Seit den 1980er Jahren hat auch die kritische Auseinandersetzung mit der Kollaboration und dem Alltag unter deutscher Besatzung ihren Platz in der Erinnerungskultur gefunden.
Erinnerung
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges diente das Gebäude bis Ende der 1990er Jahre wieder als Staatsarchiv. Nachdem bekannt wurde, dass die norwegische Regierung den Verkauf des Grundstücks plant, entstand eine Bürgerinitiative zur Erhaltung des Gebäudes. Aus dieser ging die Stiftung »Stiftelsen Arkivet« hervor, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, das Gebäude zu erhalten, über die Geschichte der Besatzungszeit zu informieren und Friedensarbeit zu leisten.
2001 konnte das Zentrum eröffnet werden. Die Kellerräume, in denen die Gestapo Zellen und eine Folterkammer eingerichtet hatte, ließ die Stiftung originalgetreu nachbauen. Als Teil der Ausstellung werden die Methoden der Gestapo mit lebensgroßen Puppen nachgestellt.
Angebote
Ausstellungsbereich zur Geschichte des Hauses als regionales Gestapo-Hauptquartier; Führungen und Workshops; Seminare im Bereich Kinder- und Erwachsenenbildung zu den Themen humanitäre Hilfe, Demokratie und Menschenwürde und Konfliktvermeidung; Forschung
Öffnungszeiten
Vor dem Besuch der Ausstellungen wird um Anmeldung gebeten.