Haus von Izieu - Gedenkstätte für die ermordeten jüdischen Kinder

Maison d'Izieu - Mémorial des enfants juifs exterminés


Seit 1994 erinnert die Gedenkstätte Maison d´Izieu an die 44 jüdischen Kinder und ihre Betreuer, die 1944 von dort verschleppt und später ermordet wurden. Sie ist eine der zentralen Gedenkorte Frankreichs, an denen an nationalsozialistische Verbrechen erinnert wird.

Geschichte

Im Mai 1943 gelang es dem jüdischen Ehepaar Sabine und Miron Zlatin, eine Gruppe jüdischer Kinder in einem Haus in Izieu, einem Dorf östlich von Lyon, unterzubringen. Viele der Heranwachsenden hatten zuvor in Internierungslagern im Süden Frankreichs leben müssen, die die von Deutschland kontrollierte Vichy-Regierung eingerichtet hatte. Hilfsorganisationen wie dem Œuvre de Secours aux Enfants (deutsch: Kinderrettungswerk) war es gelungen, sie aus den Lagern zu befreien. Sie wurden von ihren Betreuern nach Izieu gebracht, weil sie sich dort in relativer Sicherheit befanden: Die Region stand zu diesem Zeitpunkt im Gegensatz zum übrigen Frankreich nicht unter deutscher Kontrolle, denn im November 1942 waren hier italienische Truppen einmarschiert. Die Einrichtung des Kinderheims erfolgte offiziell und mit Genehmigung des örtlich zuständigen Unterpräfekten. Erst im September 1943 rückten deutsche Militäreinheiten auch in das bisher italienisch besetzte Gebiet ein. Der SS- und Polizeiapparat begann mit der tödlichen Verfolgung der jüdischen Bevölkerung. Am 6. April 1944 überfielen Wehrmachts- und Gestapoangehörige das Kinderheim in Izieu und nahmen 44 jüdische Jungen und Mädchen sowie sieben ihrer Betreuer fest. 42 Kinder und fünf Erzieher ermordete die SS später im Vernichtungslager Auschwitz. Zwei Jugendliche und der Heimleiter wurden nach Estland verschleppt und dort erschossen.

Opfergruppen

In dem knappen Jahr seines Betriebs bot das Heim in Izieu mehr als 100 Kindern Unterkunft. Am 6. April 1944, dem Tag der Wehrmachts- und Gestaporazzia in Izieu, befanden sich 45 Kinder im Haus. Bis auf einen Jungen, der wieder freigelassen wurde, stammten sie aus jüdischen Familien. 44 Kinder sowie sieben Erzieher wurden dann zunächst nach Lyon verschleppt und anschließend in das Durchgangslager Drancy bei Paris verbracht. Bis Juni 1944 deportierte die SS 42 der Heimkinder und fünf ihrer Erzieher von dort in das Vernichtungslager Auschwitz. Mit Ausnahme der Betreuerin Léa Feldblum, die überlebte, starben sie in den Gaskammern des Lagers. Heimleiter Miron Zlatin und zwei Jugendliche wurden am 15. Mai 1944 von Drancy zur Zwangsarbeit nach Estland verschleppt und im Laufe des Sommers 1944 in der Festung Reval erschossen.

Erfahre mehr über Frankreich

Frankreich geriet nach der Niederlage seiner Armee im Juni 1940 unter deutschen Einfluss. Der Norden fiel unter deutsche Militärverwaltung, der Süden blieb zunächst unbesetzt. Im südfranzösischen Kurort Vichy wurde eine von Deutschland abhängige Regierung gebildet. Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs lebten etwa 300.000 Juden in Frankreich. Ihre genaue Zahl ist nicht bekannt, da die Religionszugehörigkeit in Frankreich nicht registriert wurde. Ende 1940 wurden im Norden die ersten antijüdischen Verordnungen erlassen. Der Politik der Zwangsregistrierung, Ausgrenzung und Beraubung folgten systematische Festnahmen durch die französische Gendarmerie. Vor allem Juden ohne französischen Pass gerieten ins Visier des deutschen SS- und Polizeiapparates sowie der einheimischen Behörden. Mit dem Anwachsen des französischen Widerstandes ging der deutsche Militärbefehlshaber General Otto von Stülpnagel (1878–1948) dazu über, als Abschreckung Unbeteiligte erschießen und insbesondere Juden festnehmen zu lassen. Diese Verhafteten gehörten zu den ersten, die ab März 1942 in die Vernichtungslager im besetzten Polen verschleppt wurden. Etwa 75.000 Menschen wurden in über siebzig Transporten verschleppt und ermordet. Die Mehrzahl der französischen Juden überlebte, zumeist in Verstecken im südlichen Landesteil. Krieg und Verfolgung fielen in Frankreich etwa 600.000 Menschen zum Opfer, unter ihnen 270.000 Zivilisten. Während andere Opfergruppen bis heute wenig differenziert behandelt werden, hat sich seit Ende der 1980er Jahre die Forschung zu Patienten, die in Heimen und Kliniken zu Tode kamen, verstärkt. Heute wird von bis zu 50.000 Opfern ausgegangen. In beiden Landesteilen hatte es während der Besetzung Verfolgung, Kollaboration und Widerstand gegeben. Insbesondere die Erinnerung an den Kampf der »Résistance« als Ausdruck französischer Vaterlandsliebe und das Leid der »Deportation« boten nach dem Krieg die Möglichkeit, Gegensätze zwischen Konservativen (Gaullisten) und nach Moskau ausgerichteten Kommunisten zu überbrücken. Dem entsprechen die Widmungen zahlreicher Museen und Gedenkstätten – wie das »Mémorial des Martyrs de la Déportation« (Denkmal für die Märtyrer der Deportation) in Paris aus dem Jahr 1956 und das 2005 in der KZ-Gedenkstätte Natzweiler eröffnete »Centre Européen du Résistant Déporté« (Europäisches Zentrum des deportierten Widerstandskämpfers). Ab Anfang der 1990er Jahre entstanden Einrichtungen wie das Maison d’Izieu (Haus von Izieu) bei Lyon, wo an 44 verschleppte jüdische Kinder erinnert wird, die Nationale Gedenkstätte im ehemaligen Lager Gurs sowie ein Erinnerungszentrum in Oradour sur Glane – einer Ortschaft, die die SS 1944 zerstört hatte. Die zentrale Gedenkstätte für die Opfer des Holocaust ist die 2005 eröffnete »Mémorial de la Shoah« im Zentrum der Hauptstadt. Mittlerweile haben mehrere französische Staatspräsidenten die Mitverantwortung des Landes für den Holocaust in Frankreich anerkannt. Die 1988 eröffnete und 2002 erweiterte Gedenkstätte in Caen, die an die Landung der Westalliierten in der Normandie 1944 erinnert, ist die meistbesuchte Gedenkstätte außerhalb von Paris. Hier finden die jährlichen nationalen Gedenkfeiern an den Sieg über das nationalsozialistische Deutschland statt. Zudem gibt es zahlreiche regionale Museen, in denen die Auseinandersetzung mit Verfolgung, Widerstand und Deportation im Mittelpunkt steht.

Erinnerung

Die Mitbegründerin des Kinderheims, Sabine Zlatin, die während der Razzia vom 6. April 1944 nicht zugegen war, besuchte wenige Wochen später das ausgeplünderte Haus und stellte Zeichnungen und Briefe der deportierten jüdischen Kinder sicher. Diesem ersten Akt der Erinnerung folgte nach Kriegsende ihr Antrag an den Präfekten des Départements Ain, eine Gedenkplatte an das Haus anbringen zu lassen. Diese Tafel und eine Erinnerungssäule in einem Nachbarort wurden am 7. April 1946, zwei Jahre nach der Razzia, feierlich enthüllt. Seitdem gedachten Angehörige der Kinder regelmäßig gemeinsam mit der örtlichen Bevölkerung der Ermordeten.
Das Jahr 1983 wurde zu einem Wendepunkt für die weitere Erinnerung. In diesem Jahr stellte die französische Justiz den ehemaligen Gestapochef von Lyon, Klaus Barbie, vor Gericht. Der Rechtsanwalt und Historiker Serge Klarsfeld und seine Frau Beate hatten ihn bereits Jahre zuvor in Bolivien aufgespürt. Im Barbie-Verfahren spielte die Deportation der Kinder von Izieu eine zentrale Rolle: Serge Klarsfeld fand bei seinen Recherchen ein Telegramm Barbies vom 6. April 1944 mit der Meldung von der Verhaftung und der geplanten Deportation der Kinder. Izieu wurde nun zu einem allgemein bekannten Ort der französischen Zeitgeschichte. Nach dem Ende des Prozesses 1988 bildete sich ein Förderverein, der den Aufbau einer nationalen Gedenkstätte im Ort forderte. Der damalige Staatspräsident François Mitterand nahm das Vorhaben 1992 in seine »Grands travaux«, Projekte mit landesweiter Ausstrahlung, auf. 1994 eröffnete er die Gedenkstätte in Izieu.

Angebote

Dauerausstellung, Führungen für Individualbesucher und Gruppen, weitere Angebote für Schüler, Studenten und Lehrer

Öffnungszeiten

Montag bis Freitag: 9.00 bis 17.00
Samstags 14.00 bis 18.00
Im Juli und im August täglich von 10.00 bis 18.30
Während der (französischen) Weihnachtsferien und an den allen Wochenenden im Dezember und Januar geschlossen

Kontakt

http://www.memorializieu.eu

info@memorializieu.eu

+33 (0)4 798 721 05

70 route de Lambraz
01300 Izieu