Denkmal für die ermordeten Juden in Dobre

Пам'ятник євреям загиблим у селі Добре


Im Dorf Dobre (russisch: Dobroje) erinnert ein Denkmal an über 560 Juden, die hier am 10. September 1941 von der Einsatzgruppe D ermordet wurden.

Geschichte

Das Dorf Dobre liegt in der Nähe der Stadt Mykolajiw (russisch: Nikolajew) nördlich des Schwarzen Meeres. Das Dorf wurde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts von jüdischen Kolonisten gegründet. Wenig später siedelten auch christliche Deutsche dort, die jüdischen Einwohner bildeten aber stets die Bevölkerungsmehrheit im Dorf, das 1916 über 3.100 Einwohner hatte. In den Wirren nach der Oktoberrevolution kamen mehrere Juden bei Pogromen oder infolge von Hunger und Krankheiten um. 1924 verbesserte sich die wirtschaftliche Situation des Dorfes durch die finanzielle Unterstützung der jüdischen Auswanderungshilfsorganisation »Jewish Colonization Association«. 1929 wurden im Zuge der Kollektivierung alle bäuerlichen Haushalte in zwei Kolchosen zusammengefasst. Die beiden Synagogen des Ortes wurden geschlossen. Viele Juden zogen in die nahegelegene Großstadt Mykolajiw. Die Einwohnerzahl sank auf etwa 2.100.
Am 12. August 1941, wenige Wochen nach dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion, wurde Dobre von der deutschen Wehrmacht besetzt. Etwa die Hälfte der Einwohner floh zuvor in den Osten. Am 9. September 1941 trieb der »Volksdeutsche Selbstschutz«, eine aus ethnischen Deutschen zusammengestellte lokale Miliz, alle Juden des Dorfes in einem Stall am Ortsrand zusammen. Diese Miliz war maßgeblich an der Ermordung der Juden iin dieser Region beteiligt. Am folgenden Tag ermordeten Mitglieder der Einsatzgruppe D alle jüdischen Kinder, Frauen und Männer in einer Grube in der Nähe des Dorfes. Die jüdische Gemeinde von Dobre war nach der »Aktion« ausgelöscht.
Nur wenigen gelang die Flucht. Unter ihnen war Alexander Perman, der zusammen mit zwei weiteren Jugendlichen am Tag vor der Erschießung fliehen konnte. Seine beiden Begleiter starben auf der Flucht. Er überlebte den Krieg als Soldat der Roten Armee.

Opfergruppen

Am 10. September 1941 ermordete das Sonderkommando 10a der Einsatzgruppe D nahezu alle Juden des Dorfes Dobre. Die sowjetische Untersuchungskommission gibt die Zahl der Opfer mit 560 an. Nach Aussagen von Zeugen wurden im Massengrab über 900 Menschen verscharrt.

Erfahre mehr über Ukraine

Die Ukraine, die zweitgrößte Republik der ehemaligen Sowjetunion, war einer der Hauptschauplätze des Zweiten Weltkriegs und des Holocaust. Die Zahl der ukrainischen Todesopfer wird auf fünf bis sechs Millionen Menschen geschätzt, darunter Hunderttausende Juden. Mitte September 1939, nach der sowjetischen Besetzung Ostpolens entsprechend einem deutsch-sowjetischen Geheimabkommen – dem Hitler-Stalin-Pakt –, kamen die südöstlichen Regionen Polens zur Sowjetukraine. Repressionen gegen die einheimische Bevölkerung gehörten fortan zum Alltag. Im Sommer 1941 traf der deutsche Angriff auf die Sowjetunion zunächst genau diese Gebiete. Schon in den ersten Tagen wurde die jüdische Bevölkerung als angebliche Stütze der Sowjetmacht Ziel blutiger Übergriffe. Sie gingen häufig von national gesinnten Ukrainern aus, die den Vormarsch der Wehrmacht zunächst begrüßten. Bald darauf begannen deutsche SS-Einsatzgruppen und verbündete rumänische Einheiten mit Massenerschießungen von Juden. Die Schlucht von Babij Jar (ukrainisch Babyn Jar) nahe Kiew, wo deutsche Einheiten und ukrainische Miliz an zwei Tagen im September 1941 mehr als 33.700 Juden ermordeten, ist heute ein weltweites Symbol für den Völkermord an den Juden. Auch die nichtjüdische Bevölkerung geriet ins Visier der Verfolger. In der nationalsozialistischen Rassenideologie galten Ukrainer wie alle »Slawen« als »Untermenschen«. Die Besatzer plünderten das Land, verschleppten weit über eine Million Zivilisten zur Zwangsarbeit und verübten öffentliche Geiselmorde. Ab 1943 tobte nicht nur ein Partisanenkrieg gegen die Wehrmacht, sondern auch der Kampf der nationalistischen »Ukrajinska Powstanska Armija« (Ukrainische Aufstandsarmee = UPA) gegen die Sowjets und die polnische Bevölkerung der Westukraine. Weit über 100.000 Polen fanden hierbei den Tod. 1944 wurde die Ukraine wieder sowjetisch und umfasst seitdem auch ehemals ostpolnische Regionen. Die UPA setzte ihren Kampf bis Mitte der 1950er Jahre fort. Die sowjetischen Behörden verschleppten rund 300.000 Ukrainer nach Sibirien, um diesen Widerstand zu brechen. Die Gedenkkultur war an der sowjetischen Symbolsprache ausgerichtet. Es entstanden monumentale Gedenkanlagen zur Feier des »Sieges« im Großen Vaterländischen Krieg. Erst in jüngerer Zeit trat neben die Heldenverehrung auch das Opfergedenken. In der Westukraine hat sich zudem eine Erinnerungskultur an den Kampf der UPA entwickelt, der als Unabhängigkeitskampf interpretiert wird. Eine Aufarbeitung der Kollaboration mit den deutschen Besatzern und des Antisemitismus hat erst um 2000 begonnen. Die Massenerschießungen an Juden wurden, mit wenigen Ausnahmen, bis in die 1980er Jahre übergangen. Erst die Regierung der unabhängigen Ukraine erkannte 1991 Babyn Jar als »Symbol jüdischen Märtyrertums« an. Die Ukraine war auch lange nach der Erlangung der Unabhängigkeit auf der Suche nach ihrer eigenen Identität. Die Dokumentation der sowjetischen Verbrechen – wie die staatlich herbeigeführte Hungerkatastrophe 1932/33 mit Millionen Toten (Holodomor) – hat größere Bedeutung als die Aufklärung über den Holocaust. Dennoch entstanden überall im Land neue Gedenkorte in Erinnerung an die ermordeten Juden, wie etwa die Gedenkstätte Drobizkij Jar in Charkiw oder das Holocaustmuseum in Odessa. An zahlreichen Massengräbern entstanden neue Denkmäler, teils mit Unterstützung aus Deutschland. In Kiew sollte bei der ehemaligen Massenerschießungsstätte Babyn Jar eine große Holocaustgedenkstätte mit weltweiter Ausstrahlung entstehen. Diese Pläne wurden mit dem großangelegten russischen Angriff auf die Ukraine vom 24. Februar 2022 auf Eis gelegt. Welche Auswirkungen der Verteidigungskrieg in Zukunft auf die Holocausterinnerung haben wird, bleibt abzuwarten.

Erinnerung

Das Dorf wurde am 10. März von 1944 von der Roten Armee befreit. 1955 gründeten Rita und Alexander Perman, zwei Überlebende aus Dobre, eine Kommission mit dem Ziel, die Namen der Opfer zu ermitteln und ihnen ein Denkmal zu setzten. In den folgenden Jahren erhielten sie die Erlaubnis der sowjetischen Behörden, die sterblichen Überreste der ermordeten Juden auf dem Friedhof des Dorfes beizusetzen. 1960 wurde das Denkmal auf dem Friedhof fertiggestellt. Die russische Inschrift lautet »Hier liegen sowjetische Bürger begraben, erschossen von deutsch-faschistischen Besatzern am 10. September 1941 im Dorf Dobre Baschtanskij Rajon«. Das Denkmal wurde um 2010 mit Unterstützung von Angehörigen aus Israel und Deutschland restauriert. Der Platz vor dem Denkmal wurde mit Steinplatten ausgelegt und der Davidstern erneuert. Unter den Spendern war auch die Tochter von Alexander Perman. Jährlich am 10. September findet am Denkmal eine Gedenkfeier statt. Die Gemeinschaft für jüdische Kultur aus Mykolajiw organisiert Fahrten zu den Erinnerungsorten.
Die Geschichte der Familie Perman ist eine von fünfzehn, die im »Raum der Familien« im Ort der Information des Berliner Holocaustdenkmals ausgestellt sind.

Angebote

Jährlich am 10. September findet am Denkmal eine Gedenkfeier statt.

Öffnungszeiten

Das Denkmal ist jederzeit zugänglich.

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