Holocaustdenkmäler und Museum des jüdischen Widerstands Nowogrodek

Музей еврейского сопротивления в Новогрудке / Музей яўрэйскага супраціўлення ў Навагрудку


In Nowogrodek (polnisch: Nowogródek, belarussich: Nawahradak, russisch: Nowogrudok) lebten vor dem Zweiten Weltkrieg über 5.000 Juden. Die meisten wurden ermordet, vielen hundert gelang es jedoch, als Mitglieder einer jüdischen Partisanengruppe im Wald zu überleben. In Nowogrodek, das heute zu Belarus gehört, sind seit den 1990er Jahren mehrere Gedenkorte entstanden, die an die jüdische Geschichte und die ermordeten Juden der Stadt erinnern.

Geschichte

Nowogrodek gehörte vor dem Ersten Weltkrieg zum Russischen Reich, ab 1921 zur neu entstandenen Republik Polen. In der Zwischenkriegszeit hatte die Stadt etwa 10.000 Einwohner; etwa die Hälfte waren Juden, die meist Jiddisch sprachen, die andere Hälfte vor allem Polen und Belarussen. Nowogrodek war ein Zentrum jüdischen Lebens mit einer Vielzahl von jüdischen Institutionen wie Schulen, Waisenhäusern, Sportvereinen und Synagogen.
Am 17. September 1939 besetzte die Sowjetunion Ostpolen, darunter Nowogrodek. In Erleichterung darüber, dass ihnen die Besatzung durch die deutsche Wehrmacht erspart blieb, begrüßten viele Juden die Rote Armee. In den folgenden Monaten jedoch fielen viele Bürger der Stadt, darunter auch zahlreiche Juden, dem Terror der sowjetischen Behörden zu Opfer: viele wurden enteignet, verhaftet oder nach Sibirien deportiert.
Nach dem Überfall auf die Sowjetunion besetzte die Wehrmacht Nowogrodek am 4. Juli 1941. Die Besatzer begannen sofort, antijüdische Maßnahmen durchzusetzen; bereits am 26. Juli erschossen Angehörige der SS 52 jüdische Männer auf dem Marktplatz. Anfang Dezember 1941 richteten die Besatzungsbehörden ein Ghetto für die jüdische Bevölkerung ein. Bevor die Juden das Ghetto bezogen, erschossen deutsche Einheiten am 8. Dezember mindestens 3.000 von ihnen beim nahegelegenen Dorf Skrzydlewo. Die übriggebliebenen Juden mussten in das Ghetto, später in ein Arbeitslager umziehen. Nach zwei weiteren Massenerschießungen blieben nur noch wenige hundert Juden am Leben. Etwa 200 Juden gelang die Flucht aus dem Arbeitslager durch einen selbst gebauten Tunnel. Die meisten schlossen sich einer bewaffneten jüdischen Widerstandsgruppe an, die in der Nähe operierte, den »Bielski-Partisanen«, benannt nach ihren Anführern Tuvia, Zus und Asael Bielski. Ihr wichtigstes Ziel war, so vielen Juden wie möglich das Leben zu retten. Als das Gebiet im Sommer 1944 durch die Rote Armee befreit worden war, hatten mehr als 1.200 Juden unter der Obhut der Bielskis überlebt.

Opfergruppen

Von den etwa 10.000 Juden, die vor dem Zweiten Weltkrieg in Nowogrodek lebten, überlebten nur einige hundert den Holocaust. Der Erschießung von 52 jüdischen Männern im Juli 1941 folgten drei große Massenerschießungen, in denen deutsche Einheiten von SS und Wehrmacht unter Mitwirkung von belarussischen und litauischen Milizen die jüdische Bevölkerung nach und nach fast vollständig ermordeten: am 8. Dezember 1941, am 7. August 1942 und am 7. Mai 1943. Dutzende Häftlinge des Arbeitslagers starben am 26. September 1943 im Kugelhagel der Wachen unmittelbar nach dem Ausbruch durch den Tunnel.

Erfahre mehr über Belarus

Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs im September 1939 und dem Einmarsch der Roten Armee in Ostpolen kam der Nordosten des Landes zu Belarus als Teil der Sowjetunion. Im Sommer 1941 wurde dann ganz Belarus von deutschen Truppen erobert. Während der folgenden drei Jahre kam jeder vierte oder gar jeder dritte Einwohner gewaltsam ums Leben. Fast alle Städte des Landes wurden völlig zerstört. Wehrmacht oder SS brannten etwa 620 Dörfer, darunter Chatyn, systematisch samt ihren Einwohnern nieder. Malyj Trostenez, nahe der belarussichen Hauptstadt Minsk, war die größte Vernichtungsstätte auf dem Gebiet der besetzten Sowjetunion. Heute nimmt man an, dass mindestens 60.000 deutsche und einheimische Juden dort ermordet wurden. Für Minsk wird die Zahl der getöteten Juden auf bis zu 85.000 geschätzt, für das gesamte Gebiet auf 230.000. Belarus bildete von 1941 an mit über tausend aktiven Gruppen ein Hauptgebiet des sowjetischen Partisanenkampfes gegen die deutschen Besatzer. Ab Ende 1943 wurde das Land von der Roten Armee zurückerobert und galt im Sommer 1944 als vollständig von der deutschen Besatzung befreit. Das Land war weitestgehend verwüstet, das gesellschaftliche Gefüge erschüttert und die Menschen traumatisiert. Belarus gehörte ab 1944 wieder zur Sowjetunion. Ein großer Teil der 1939 einverleibten polnischen Gebiete blieben Teil des Landes. In der staatlichen Erinnerungs- und Denkmalkultur des Landes dominierten nach Kriegsende der Tag der Befreiung des Landes am 3. Juli 1944 und der Tag des Sieges am 9. Mai 1945 als Ende eines »heldenhaften« Kampfes im Großen Vaterländischen Krieg. Von zentraler Bedeutung war stets auch die Erinnerung an den Partisanenkrieg. Im sowjetischen Staatsverband verzichtete man auf eine eigenständige Nennung des Massenmords an den Juden. Daher stellt ein Obelisk in der Erschießungsgrube am ehemaligen Minsker Ghetto, der »Jama«, eine Besonderheit auf dem Gebiet der damaligen Sowjetunion dar. Er wurde bereits 1946 errichtet und blieb für Jahrzehnte das einzige Denkmal mit einer jiddischen Aufschrift und direkter Nennung der ermordeten Juden. Ungewöhnlich ist auch die Erinnerungsstätte in Chatyn, wo im März 1943 153 Menschen bei lebendigem Leib verbrannt worden waren. 1969 entstanden, zeichnet sie sich durch Schlichtheit aus und verzichtet auf die sonst übliche Monumentalität, es stehen die menschliche Dimension des Grauens und das Leid der Opfer im Vordergrund. Mit der Schaffung eines unabhängigen belarussischen Staates 1991 begann die Suche nach einer eigenen nationalen Identität. Hierbei spielen die Opferzahlen – insbesondere während des Zweiten Weltkrieges – eine entscheidende Rolle. Bewusst wird allerdings eine Unterscheidung zwischen dem Gebietstand vor und nach 1939 vermieden. Die Verbrechen der Stalinzeit, aber auch der Holocaust rückten ebenso in das Blickfeld, wurden aber aufgrund der vorhandenen Regierungsform nicht weitergehend öffentlich gemacht. Das staatliche Gedenken, das seinen Ausdruck auch im 2014 eröffneten, monumentalen Neubau des Museums der Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges findet, bleibt vom Kampf in den Jahren 1941 bis 1944 geprägt. Zugleich hat jedoch der Verband der jüdischen Gemeinden in Belarus inzwischen eine Reihe von Denkmälern für die Opfer des Massenmordes errichten lassen. Seit Anfang der 1990er Jahre haben mehrere deutsche Städte Stelen im Gedenken an die dorthin deportierten und getöteten Juden in Minsk errichtet; das Berliner Erinnerungszeichen wurde – vom Land Berlin und der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas finanziert – am 25. Juni 2009 feierlich eingeweiht. Auch eine würdige Gestaltung des Areals von Malyj Trostenez geht voran: seit 2015 erinnert eine Gedenkanlage an die Opfer. Ein zweiter Bauabschnitt wurde 2018 im Beisein der Staatspräsidenten Deutschlands, Österreichs und von Belarus eröffnet. An der Realisierung beteiligte sich auch die Bundesrepublik finanziell, wie auch an der Renovierung der Geschichtswerkstatt, die sich in einem historischen Gebäude auf dem Gebiet des ehemaligen Minsker Ghettos um die Dokumentation von Opferschicksalen kümmert.

Erinnerung

Nach dem Krieg gehörte Nowogrodek zur Sowjetunion. Die polnische Bevölkerung wurde zum großen Teil vertrieben. Unmittelbar nach der Befreiung durch die Rote Armee kehrten einige hundert Juden, die bei den Bielski-Partisanen überlebt haben, in die Stadt zurück. Die Möglichkeiten, ein neues Leben anzufangen, waren für sie sehr begrenzt: Die Stadt war verwüstet, die meisten Familienangehörigen waren ermordet worden. Die meisten Juden wollten nach den Erfahrungen der Jahre 1939 bis 1941 nicht als Bürger der Sowjetunion leben und verließen 1946 das Land. Viele von ihnen emigrierten nach Israel.
In den 1960er Jahren entstanden sowjetische Denkmäler an den Massenerschießungsorten, bei denen jedoch nicht ersichtlich war, dass es sich bei den Opfern um Juden handelte. Die jahrhundertenlange jüdische Geschichte der Stadt geriet in Vergessenheit.
Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion konnten viele ehemalige Bürger Nowogrodeks zum ersten Mal ihre Heimat besuchen. Der in London lebende Jack Kagan, der bei den Bielski-Partisanen überlebt hatte, stiftete mehrere neue Holocaustdenkmäler, die an den Massengräbern aufgestellt wurden.
Das Regionalmuseum beschäftigt sich seit den 1990er Jahren sehr intensiv mit der jüdischen Geschichte der Stadt und bemüht sich um die Erinnerung an die ermordeten Juden. Ein Teil der Dauerausstellung ist den Verhältnissen im Ghetto, dem Tunnelbau und den Bielski-Partisanen gewidmet. Das Museum kümmert sich auch um die Erhaltung der baulichen Spuren des Stützpunktes der Bielski-Partisanen im nahegelegenen Nalibocka-Wald.
Im April 2012 veröffentlicht die Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas die Lebenserinnerungen Jack Kagans.

Angebote

Führungen, Vorträge, Exkursionen, Organisation von Konferenzen und Seminaren

Öffnungszeiten

Dienstag bis Sonntag 9.00 bis 18.00

Kontakt

www.navagrudak.museum.by

ukngkm@mail.ru

+375 (0)1597 449 16

Minskaja 64-66
231400 Nawahrudak