Das Polizeidurchgangslager Bozen war eines von vier deutschen Konzentrationslagern auf italienischem Boden. Hier selektierte die SS politische Gefangene und Juden, um sie anschließend in Konzentrations- und Vernichtungslager nördlich der Alpen zu deportieren. Heute erinnert eine Reihe künstlerischer Arbeiten an historischen Orten an das Schicksal der Gefangenen.
Österreich musste Südtirol nach dem Ersten Weltkrieg an Italien abtreten. Die Landeshauptstadt Bozen wurde in der Zwischenkriegszeit Schauplatz von schweren Nationalitätenkonflikten: die ansässige deutschsprachige Bevölkerung wehrte sich vehement gegen die von der faschistischen Regierung forcierte Italienisierung. 1943 wurde der Einmarsch der Wehrmacht von der deutschen Bevölkerung in Südtirol enthusiastisch begrüßt. Nicht wenige erwarteten eine rasche Eingliederung der Region in das Deutsche Reich, die in der Folge jedoch ausblieb. Dennoch war die deutsche Einflussnahme in der Region um Bozen, seit September 1943 »Operationszone Alpenvorland« genannt, wesentlich größer als anderswo im besetzten Norditalien.
Im Juli 1944 wurde im Stadtteil Gries in direkter Nähe der zum Brennerpass führenden Straße das Polizeidurchgangslager Bozen eingerichtet. Es war als Nachfolgelager des Durchgangslagers Fossoli gedacht, das durch das Vorrücken der Alliierten unsicher geworden war. Sowohl die Lagerleitung um SS-Untersturmführer Karl Titho als auch fast das gesamte Wachpersonal kamen aus Fossoli nach Bozen, im August 1944 wurden auch die Insassen aus Fossoli nach Bozen verlegt. Das Lager war für 1.500 Häftlinge konzipiert, es wurden jedoch durchschnittlich 4.000 dort gefangen gehalten. Sie mussten sowohl innerhalb des Lagers als auch außerhalb Zwangsarbeit leisten, wie in der Kugellagerfabrik IMI im Virgltunnel, bei der Obsternte oder bei der Räumung von Schutt nach Bombenangriffen.
Wie zuvor Fossoli diente das Durchgangslager Bozen vor allem dazu, Transporte für Konzentrations- und Vernichtungslager nördlich der Alpen zusammenzustellen. Die meisten der vermutlich etwa 13 Transporte fuhren zum KZ Mauthausen, andere Ziele waren die Konzentrationslager Auschwitz, Dachau, Flossenbürg und Ravensbrück.
Am 3. Mai, vier Tage nach der Kapitulation der deutschen Streitkräfte in Italien, wurde das Lager aufgelöst. Zu einem zuvor geplanten Aufstand der Häftlinge kam es nicht mehr.
Ungefähr 11.000 Gefangene durchliefen das Lager Bozen. Es handelte sich zum größten Teil um politische Gefangene, es waren aber auch einige hundert Juden, Sinti und Roma, Kriegsgefangene und Geiseln – oftmals in Sippenhaft genommene Angehörige von Wehrdienstverweigerern und Widerstandsaktivisten – unter den Insassen. Sie stammten aus ganz Nord- und Mittelitalien, manche sogar aus dem Süden des Landes. Neben Italienern gab es 150 Ausländer aus insgesamt 29 Ländern im Lager.
Am Tag der Auflösung des Lagers kamen 3.500 Gefangene frei. Im Lager selbst kamen 44 Gefangene um, davon 20 bei einer Massenhinrichtung am 12. September 1944. Es handelte sich wahrscheinlich um Soldaten, die für die alliierten Geheimdienste aktiv waren.
Etwa 2.050 Menschen, die aus Bozen in Konzentrationslager im Deutschen Reich deportiert worden waren, kehrten nicht mehr zurück.
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Nach dem Krieg diente das ehemalige Durchgangslager für kurze Zeit als Internierungslager für deutsche Kriegsgefangene, später als Erholungs- und Schulungsort. Bis 1968 wurden die Baracken von Bozener Familien bewohnt, die durch den Krieg ihre Wohnungen verloren hatten. Heute ist vom ehemaligen Lagergelände nur noch eine Umgrenzungsmauer erhalten geblieben. Sie steht seit 2003 unter Denkmalschutz, im Juni 2004 wurden an ihr sechs Informationstafeln angebracht.
Um die Erinnerung an das Lager kümmert sich heute das Stadtarchiv Bozen, das auch das Projekt »Geschichte und Erinnerung. Das Bozener Lager« ins Leben gerufen hat. Das Projekt umfasst historische Forschung, künstlerische Formen der Erinnerung und Pädagogik.
Im Rahmen des 60. Jahrestags der Befreiung der Stadt Bozen wurden im April 2005 vier Kunstwerke der Bozener Künstlerin Christine Tschager eingeweiht, die als Gewinnerin aus einem internationalen Wettbewerb hervorging. Ihre Werke sollen an drei historischen Orten der Opfer Gedenken: Am ehemaligen Lagergelände, am Virgltunnel, wo viele Gefangene Zwangsarbeit verrichten mussten und an der Pacinottistraße, von der aus die Gefangenen zu den Deportationszügen geschickt wurden.
Stadtarchiv Bozen: Führungen nach Anmeldung, Publikationen, Wanderausstellungen, Tagungen, Audiovisuelles Archiv der Erinnerung (AADE)
Die Reste der Mauer sowie die Denkmäler sind uneingeschränkt zugänglich.
http://www.gemeinde.bozen.it/cultura_context.jsp?ID_LINK=739&area=11
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