In Osthofen, einer Kleinstadt in der Nähe von Worms, befand sich von März 1933 bis Juni 1934 ein frühes Konzentrationslager. In dieses Lager kamen Personen, die sich vor allem aus politischen Gründen in Polizeihaft befanden. In der Gedenkstätte KZ Osthofen informiert eine Ausstellung der Landeszentrale für politische Bildung Rheinland-Pfalz und des Fördervereins Projekt Osthofen e.V. über die Zeit des Nationalsozialismus in der Region. Gleichzeitig wird an das Schicksal der Inhaftierten in den Konzentrationslagern Osthofen und Hinzert erinnert.
Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme versuchte die neue Regierung die Opposition auszuschalten. Bereits am Anfang ihrer Herrschaft richtete die Führung mehrere Konzentrationslager ein. In der Region Hessen/Rheinhessen wurde auf Weisung der örtlichen NSDAP Anfang März 1933 ein KZ in einer leerstehenden Papierfabrik in Osthofen eingerichtet. Ihre Verwaltung fiel unter die Zuständigkeit des Polizeiamtes Worms. Vor allem Kommunisten, aber auch Sozialdemokraten, die sich bereits länger als eine Woche in polizeilicher »Schutzhaft« befanden, sollten dort inhaftiert werden. In ein zum KZ gehörenden zweiten Lager wurden Gefangene gebracht, für die »verschärfter Arrest« vorgesehen war. Später verlegten die Behörden das Lager II in das Amtsgerichtsgefängnis von Osthofen. Ab Juni 1933 verhaftete die Polizei zunehmend Juden und Personen, die anderen oppositionellen Parteien und Gruppierungen als KPD und SPD angehörten. Die Gefangenen wurden ohne jegliches Gerichtsverfahren in das KZ Osthofen überstellt. In der nationalsozialistischen Presse wurde das KZ als »Erziehungs- und Besserungsanstalt« dargestellt, in der »verwilderte Marxisten zu anständigen Menschen« erzogen werden sollten. Die Wirklichkeit sah dagegen weitaus brutaler aus. In beiden Lagern wurden viele der Gefangenen von den Wachleuten schwer misshandelt. Im Lager I waren die Männer in der großen, nasskalten und ungeheizten Fabrikhalle untergebracht. Sie bauten sich selber Mobiliar zusammen und mauerten Kamine, um die Fabrikhalle im Winter notdürftig beheizen zu können. Im Lager II lebten die Gefangenen unter weitaus schlechteren Bedingungen. Ihnen wurden die im Lager I erlaubten Besuche und Lebensmittelpakete von außerhalb gänzlich verwehrt. Die Verpflegung der Häftlinge war in beiden Lagern unzureichend, dennoch mussten sie Arbeitsdienst in- und außerhalb der Lager verrichten. Im Juni 1934 wurde das KZ Osthofen aufgelöst.
Trotz der brutalen Misshandlungen von Gefangenen und der schlechten Lebensbedingungen im Lager gab es im KZ Osthofen keine Todesfälle. Mehr als die Hälfte der Inhaftierten waren Mitglieder der KPD. Zu den zwei weiteren im Lager vertretenen größeren Häftlingsgruppen zählten Sozialdemokraten und Juden. Angehörige der Zentrumspartei, Katholiken, Zeugen Jehovas und einige Sinti und Roma wurden von der Polizei ebenfalls verhaftet und in das KZ Osthofen verbracht. Im Durchschnitt blieben die Männer vier bis sechs Wochen in Haft, einige von ihnen jedoch weitaus länger. Unter den Inhaftierten des KZ Osthofen befand sich in der Anfangsphase auch eine Frau. Der SPD-Reichstagsabgeordnete Carlo Mierendorff, später im Kreisauer Kreis im Widerstand aktiv, gehörte ebenfalls zu den Inhaftierten.
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1972 gründeten ehemalige Häftlinge des KZ Osthofen eine Lagergemeinschaft, die 1978 an der Außenmauer der Fabrik eine Gedenktafel anbrachte. 1992 kaufte das Land Rheinland-Pfalz das Gelände. 1996 konnte in der alten Papierfabrik ein erstes Dokumentationszentrum über die Zeit des Nationalsozialismus eingerichtet werden. Seit 2002 befindet sich das NS-Dokumentationszentrum des Landes Rheinland-Pfalz im Obergeschoss des umgebauten Gebäudes. Besucher können im Lesesaal Informationen zur Zeit des Nationalsozialismus in diesem Bundesland sammeln, vor allem aber zu den beiden rheinland-pfälzischen Konzentrationslagern Osthofen und Hinzert. Verantwortlich für das Dokumentationszentrum ist die Landeszentrale für politische Bildung Rheinland-Pfalz. In Osthofen arbeitet sie eng mit dem Förderverein Projekt Osthofen e.V. zusammen. Gemeinsam erarbeiteten sie eine neue Dauerausstellung, die 2004 unter dem Titel »Nationalsozialismus in Rheinland-Pfalz« eröffnet werden konnte.
Gruppenführungen nach Vereinbarung, Lesesaal
Dienstags bis freitags 9.00 bis 17.00, samstags, sonntags und an Feiertagen 13.00 bis 17.00
https://www.gedenkstaette-osthofen-rlp.de/
info@ns-dokuzentrum-rlp.de
+49 (0)6242 910 810
Ziegelhüttenweg 38
67574 Osthofen