Erinnerung an die ermordeten Juden von Otaci

Memoria evreilor uciși din Otaci


In der moldawischen Kleinstadt Otaci (russisch früher: Ataki) erinnern mehrere Grabsteine auf dem jüdischen Friedhof an die ermordeten und deportierten Juden der Stadt, Bessarabiens und der Bukowina.

Geschichte

Otaci, an den Ufern des Dniesters gegenüber der ukrainischen Stadt Mohyliw-Podilskyj (russisch: Mogiljow-Podolskij) gelegen, liegt in der historischen Region Bessarabien. Der Ort wurde 1419 das erste Mal schriftlich erwähnt. Nachdem Bessarabien 1812 Teil des Russischen Zarenreichs wurde, zogen viele Juden aus dem heutigen Polen und der Ukraine in das Gebiet, das Teil des »Ansiedlungsrayons« war, in dem sich Juden ansiedeln durften. Bereits 1817 war die Hälfte der Bevölkerung jüdisch. Nach dem Ersten Weltkrieg gehörte Bessarabien zu Rumänien. In den 1930er Jahren waren fast 80 Prozent der Einwohner von Otaci Juden.
Am 28. Juni 1940 rückte die Rote Armee in Bessarabien ein. Die Provinz wurde daraufhin der bis dahin kleinen Moldauischen Sozialistischen Sowjetrepublik (MSSR) zugeteilt.
Im Juni 1941 überfiel die deutsche Wehrmacht zusammen mit Rumänien die Sowjetunion. Nur wenige Juden aus Otaci konnten sich vor den nahenden Truppen retten. Nach dem Einmarsch der rumänischen Armee war antijüdische Gewalt war an der Tagesordnung. Juden wurde pauschal vorgeworfen, mit den sowjetischen Machthabern zusammengearbeitet zu haben.
Zwischen Otaci und Mohyliw-Podilskyj war einer von fünf Übergängen am Dnjestr. Im Herbst 1941 richteten die Rumänen ein Übergangslager in der Stadt ein, durch das Juden aus Bessarabien und der Bukowina weiter ins rumänisch besetzte ukrainische Gebiet Transnistrien geschleust werden sollten. Die Zustände im Lager waren katastrophal. Aus Platzmangel mussten viele Juden unter freiem Himmel und auf den Dächern schlafen. Tausende starben an Hunger und Krankheiten. In den Straßen und in den Häusern reihten sich die Leichen. Widerstand wurde mit dem Tod bestraft.
Die Juden aus Otaci versuchten durch Zahlungen an die rumänischen Grenzsoldaten ihr Leben zu retten, doch am Ende des Jahres 1941 wurden auch sie nach Transnistrien deportiert. Viele der nach Transnistrien deportierten Juden kamen in rumänischen Lagern und Ghettos ums Leben, andere wurden von deutschen Einheiten erschossen.

Opfergruppen

Titus Popescu, als Kapitän des Regiments der Grenzsoldaten in Otaci für den Ablauf der Deportationen über den Dniester verantwortlich, sagte aus, dass über die Zahl der Opfer nicht Buch geführt worden sei. Die Zahl der Todesopfer des Transitlagers in Otaci ist damit unbekannt.
Laut Aussage von Zeitzeugen wurden auch einzelne Erschießungen in Otaci durchgeführt. Die meisten Juden aus dem Transitlager wurden über den Dnjestr nach Transnistrien deportiert.

Erfahre mehr über Republik Moldau

Die heutige Republik Moldau umfasst den größten Teil der historischen Provinz Bessarabien östlich des Flusses Pruth sowie einen kleinen Streifen östlich des Dnjestr, der zur Region Transnistrien (»jenseits des Dnjestr«) gehört. Die Landessprache ist rumänisch. Vor dem Ersten Weltkrieg gehörte diese Landschaft zum Russischen Zarenreich, danach jedoch, ohne den transnistrischen Teil, zum Königreich Rumänien. 1939 lebten hier etwa 205.000 Juden. Nachdem das Deutsche Reich und die Sowjetunion in einem Geheimabkommen – dem so genannten Hitler-Stalin-Pakt – ihre »Interessensphären« zwischen Ostsee und Schwarzem Meer abgesteckt hatten, marschierte die Rote Armee im Sommer 1940 in Bessarabien ein. Der sowjetische Geheimdienst NKWD verschleppte anschließend 11.000 »unliebsame« Personen, darunter über Tausend Juden, nach Sibirien. Rumänien suchte nach diesen umfangreichen Gebietsverlusten verstärkt die Nähe zum nationalsozialistischen Deutschland. Im Sommer 1941 marschierten seine Truppen an der Seite der deutschen Wehrmacht auf sowjetisches Gebiet vor, Bessarabien und das gesamte zur Ukraine gehörende transnistrische Gebiet bis zum Fluss Bug kamen unter rumänische Hoheit. Zwischen Juli und August 1941 ermordeten Angehörige der Wehrmacht und der SS-Einsatzgruppe D, rumänische Sonderkommandos und Polizeieinheiten über 150.000 Juden der Region, plünderten die verlassenen Häuser und Geschäfte. Die Überlebenden wurden in Ghettos und Lager gepfercht und ab dem 15. September über den Djnestr nach Transnistrien verschleppt, ebenso wie politische Gefangene, die der Kollaboration mit den sowjetischen Behörden verdächtigt wurden. Ab 1945 kehrten 7.000 bis 10.000 in die Sowjetunion geflohene oder verschleppte Juden zurück. Nach dem Krieg wurde Bessarabien erneut zur Moldawischen Sozialistischen Sowjetrepublik. Gedacht wurde der Befreiung durch die Rote Armee und des »Sieges« im Großen Vaterländischen Krieg. Alles »Rumänische« wurde systematisch getilgt. Nach der Unabhängigkeit der Republik Moldau 1991 wurde lange über eine Wiedervereinigung mit Rumänien gestritten. Die mehrheitlich russische Bevölkerung im transnistrischen Teil verhinderte dies aber. Der Grundkonflikt zwischen dem größeren bessarabisch-rumänischsprachigen und dem kleineren, seit 1992 nach einem kurzen Bürgerkrieg abtrünnigen transnistrisch-russischsprachigen Gebiet, verbunden mit großen wirtschaftlichen und sozialen Problemen des Landes, drängen das Erinnern an Holocaust und Zweiten Weltkrieg in den Hintergrund. In verschiedenen Städten Moldaus erinnern seit Beginn der 1990er Jahre dennoch Denkmäler, Gedenktafeln oder -steine an die Massaker im Sommer 1941 und an die ermordeten Juden – so in Dubossary und der heutigen Hauptstadt Kischinau, auf dem jüdischen Friedhof von Tighina oder in Dörfern wie Vertujeni und Pepeni.

Erinnerung

Nach dem Krieg blieb Otaci bei der Sowjetunion. Es kehrten nur wenige Juden in die Stadt zurück. 2004 gaben lediglich 9 der mehr als 8.000 Einwohner Otacis an, Juden zu sein, die Mehrheit der Bevölkerung stellen heute Ukrainer und Roma.
Auf dem jüdischen Friedhof südlich des Dorfes Vălcineţ sind bis heute 3.500 Grabsteine erhalten. Die meisten Steine stammen aus dem späten 19. Jahrhundert, während ein kleiner Teil bis ins 18. Jahrhundert zurückreicht. Daneben befinden sich auf dem Friedhof Denkmäler, die den Opfern des Holocaust gewidmet sind. Der Friedhof verfällt zusehends und ist zum Teil bereits zugewachsen, obwohl sich Einzelne um seinen Erhalt kümmern.
In der Druzhba-Straße befindet sich Otacis ehemalige Synagoge. Sie wurde Anfang des 20. Jahrhunderts gebaut und nach dem Zweiten Weltkrieg in ein Kulturzentrum umgewandelt. Seit den 1990er Jahren wird das Gebäude nicht mehr genutzt und ist teilweise verfallen, dennoch wird es regelmäßig von Reisenden aufgesucht.

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