Bromberg – »Tal des Todes«

Bydgoszcz – »Dolina Śmierci«


In der Nähe Fordons, heute ein Stadtteil von Bromberg (polnisch: Bydgoszcz) zuvor eine eigenständige Kleinstadt etwa 12 Kilometer nordöstlich von Bromberg, ermordeten im Herbst 1939 Angehörige des deutschen »Selbstschutzes« und des Einsatzkommandos 16 massenhaft polnische und jüdische Zivilisten in einem Tal. Heute befindet sich im »Tal des Todes« (polnisch: »Dolina Śmierci«) eine Gedenkanlage in Erinnerung an die Ermordeten.

Geschichte

Nach dem Ersten Weltkrieg beschlossen im Januar 1920 die Siegermächte im Friedensvertrag von Versailles eine Neuordnung der östlichen Gebiete des Deutschen Reiches. Der größte Teil Westpreußens, Teile Oberschlesiens und die Provinz Posen, zu der Bromberg gehörte, fielen an den wieder entstandenen polnischen Staat. Über 30 Prozent der Einwohner Polens waren Anfang der 1920er Jahre Angehörige nationaler Minderheiten, etwa eine Million waren Deutsche. In der Zwischenkriegszeit gab es häufig Konflikte zwischen den Regierungen in Berlin und Warschau um die deutsche Minderheit und den Verlauf der Grenze. Unmittelbar nach dem deutschen Angriff auf Polen am 1. September 1939, bei der die Luftwaffe auch zivile Ziele bombardierte, folgten »Einsatzgruppen« der einmarschierenden Wehrmacht. Anhand von Listen, die bereits vor Kriegsausbruch erstellt wurden, verhafteten und erschossen sie Tausende Angehörige der polnischen Intelligenz: unter anderem Lehrer, Juristen, Beamte und Geistliche.
Zwei Tage vor dem Einmarsch der Wehrmacht in Bromberg, am 3. September 1939, wurden polnische Truppen von Unbekannten unter Beschuss genommen. Daraufhin ermordeten polnische Armeeangehörige und Zivilisten 100 bis 300 ortsansässige Deutsche. Die nationalsozialistische Propaganda verzehnfachte die Zahl der Opfer und nahm diese und andere Ausschreitungen zum Vorwand für die bereits zuvor geplanten Morde an der polnischen Oberschicht. In der ersten Woche der Besatzung Brombergs führten Einheiten der Wehrmacht und Einsatzgruppen Massenerschießungen durch. Im Oktober und November 1939 erschossen Angehörige des Einsatzkommando 16 und des »Selbstschutzes«, einer im August 1939 aus Angehörigen der deutschen Minderheit gegründeten Hilfspolizei der SS, in einem abgeschiedenen schmalen Tal in Fordon polnische und jüdische Einwohner Brombergs und seiner Umgebung. Auch an anderen Orten fanden ähnliche Morde statt.

Opfergruppen

Insgesamt wurden in Bromberg etwa 10.500 Personen nach dem deutschen Einmarsch ermordet.
Historiker schätzen, dass im »Tal des Todes« zwischen 1.200 bis 1.400 polnische und jüdische Einwohner Brombergs und der Umgebung, in der Gegend insgesamt bis zu 3.000 Personen, ermordet wurden. Die meisten Opfer waren Angehörige der polnischen Oberschicht.

Erfahre mehr über Polen

Mit dem Angriff auf Polen und der Besetzung des Landes durch deutsche Truppen im Westen und durch die Rote Armee im Osten begann im September 1939 der Zweite Weltkrieg. Unmittelbar nach dem Einmarsch setzten in beiden Teilungsgebieten Verfolgung und Terror ein. Deutsche Verbände verübten Massaker an Angehörigen der geistigen Eliten, jüdischen und nichtjüdischen Zivilisten sowie Patienten. Ab Ende 1939 errichtete die deutsche Verwaltung Ghettos, in denen die jüdische Bevölkerung unter elenden Bedingungen zusammengedrängt wurde. 1941, nach dem Angriff auf die Sowjetunion, geriet auch Ostpolen unter deutsche Herrschaft. SS-Einsatzgruppen ermordeten zunächst systematisch jüdische Männer, später auch Frauen und Kinder. Im Herbst 1941 begannen lokale deutsche Dienststellen im früheren Westpolen mit der Vorbereitung von Massentötungen jüdischer Ghettohäftlinge durch Giftgas. Bis 1945 wurden etwa drei Millionen polnische Juden in den Vernichtungsstätten Kulmhof, Belzec, Treblinka und Sobibor, in Majdanek und Auschwitz ermordet, verhungerten in den Ghettos oder wurden erschossen. 1943 erhoben sich die jüdischen Bewohner des Warschauer Ghettos zu einem Aufstand, den die SS blutig niederschlug. Polnische Soldaten kämpften auf Seiten der Alliierten an allen Fronten des Weltkriegs. Partisanengruppen, darunter die patriotische »Armia Krajowa« (Heimatarmee), bildeten die größte Widerstandsbewegung im besetzten Europa. Am 1. August 1944 begann der Warschauer Aufstand, die umfangreichste Erhebung von Zivilisten gegen die Deutschen im besetzten Europa. Er scheiterte, auch weil die Rote Armee – bereits am anderen Weichselufer stehend – nicht eingriff. Die Zahl der Toten wird auf bis zu 250.000 geschätzt. Insgesamt kamen etwa drei Millionen nichtjüdische Polen unter deutscher Besatzung gewaltsam zu Tode. Nachdem die Rote Armee bereits im Januar 1944 (ost-)polnischen Boden erreicht hatte, wurden die Truppen der Armia Krajowa vom sowjetischen Geheimdienst entwaffnet, ihre Offiziere erschossen oder verschleppt. Die Millionen Toten der Besatzungszeit, die dauerhafte Annexion Ostpolens durch die Sowjetunion, die Eingliederung ostdeutscher Gebiete und der daraus resultierende Bevölkerungsaustausch verursachten in Polen ein schweres politisches und gesellschaftliches Trauma. In der Erinnerungskultur stand das Gedenken an die Ermordung der europäischen Juden in deutschen Vernichtungslagern auf polnischem Boden zunächst im Hintergrund. So galt Auschwitz – im Ausland längst zum Symbol des Holocaust geworden – über Jahrzehnte vor allem als »Ort polnischen Martyriums«. Veränderungen gibt es allerdings seit Beginn des 21. Jahrhunderts. Dazu mögen auch die heftigen Debatten um den ostpolnischen Ort Jedwabne beigetragen haben. Das Massaker an etwa 340 Juden am 10. Juli 1941, das bis dahin »Gestapo und Hitler-Polizei« zugeschrieben worden war, hatten polnische »Nachbarn« ohne deutschen Zwang verübt. Die Diskussionen im In- und Ausland um eine polnische Mittäterschaft führten 2001 dazu, dass sich Staatspräsident Aleksander Kwaśniewski (*1954) bei den Opfern entschuldigte. Forderungen von Fachleuten, etwa aus dem Institut des Nationalen Gedenkens, sich den schwierigsten Kapiteln der Vergangenheit zu stellen, wurden lauter. Zu diesen zählen auch antijüdische Pogrome 1946/47 und der staatliche Antisemitismus im sozialistischen Nachkriegspolen. Der polnische Staat investiert sehr viel in Erinnerungspolitik, auch in Großprojekte mit internationaler Ausstrahlung. Das Museum des Warschauer Aufstandes wurde bereits 2004 eröffnet. Das POLIN Museum der Geschichte der polnischen Juden eröffnete auf dem Gebiet des ehemaligen Warschauer Ghettos 2013, ein Museum des Warschauer Ghettos soll 2024 folgen. In Danzig gibt es seit 2017 das Museum des Zweiten Weltkrieges. Die ehemaligen deutschen Vernichtungslager Belzec und Sobibor wurden nach der Jahrtausendwende in moderne Gedenkstätten umgewandelt. Auch in der Kultur ist eine immer intensivere Beschäftigung mit dem jüdischen und multikulturellen Erbe Polens zu beobachten.

Erinnerung

Bei Untersuchungen des Geländes wurden 1947 einige Massengräber entdeckt. 306 Leichen wurden exhumiert und zusammen mit an anderen Orten Ermordeten auf dem »Friedhof der Helden von Bromberg« (polnisch: Cmentarz Bohaterów Bydgoszczy) begraben. 1946 wurde ein Obelisk zum Gedenken an die Opfer aufgestellt. Seit 1975 befindet sich auf dem Gelände ein Denkmal mit Täfelchen, auf denen viele Namen von Ermordeten stehen. In den 1980er Jahren entstand neben dem Ort eine neue Wohnsiedlung mit einer neuen Pfarrgemeinde, die seitdem das Gelände des »Tal des Todes« betreut. Nach dem Besuch von Papst Johannes Paul II im Jahr 1999 entstand die Idee eines Kreuzweges aus 13 Stationen zur Erinnerung an die Leiden der Ermordeten. Die einzelnen Stationen bestehen aus jeweils zwei Meter hohen Kreuzen, nur die zwölfte Station, die den Tod Jesu am Kreuz symbolisiert, besteht aus einer Wand, die sich aus einzelnen Kreuzen zusammensetzt. 2009 wurde die letzte Station errichtet.
Auf dem Alten Markt, einem zentralen Platz in Bromberg, auf dem am 9. und 10. September 1939 mehrere Bürger der Stadt ermordet wurden, befindet sich seit 1969 das »Denkmal des Kampfes und des Martyriums« (polnisch: Pomnik Walki i Męczeństwa Ziemi Bydgoskiej), das an die Opfer nationalsozialistischer Verbrechen in Bromberg und der Region erinnert. Nach dem politischen Systemwechsel 1989 wurde hinter dem Denkmal eine Schanze aus Sandsteinblöcken aufgestellt, an der auch der Opfer des sowjetischen Terrors in Polen gedacht wurde. Sie wurde 2007 entfernt und befindet sich heute im Besitz einer Pfarrgemeinde.

Öffnungszeiten

Die Gedenkstätte ist jederzeit zugänglich.

Kontakt

http://www.dolinasmierci.pl/

parafia@mbkm.pl

0048 (0)52 346 76 25

ul. gen. M. Bołtucia 5
85-796 Bydgoszcz