Neue Wache

Neue Wache


Die Neue Wache ist seit 1993 die »Zentrale Gedenkstätte der Bundesrepublik Deutschland für die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft«.

Geschichte

Die Neue Wache wurde zwischen 1816 und 1818 in unmittelbarer Nähe des Berliner Schlosses als Wachhaus für die königliche Wache und als Gedenkstätte für die in den napoleonischen Kriegen gefallenen Soldaten errichtet. Der nach den Plänen Karl-Friedrich Schinkels errichteter Bau gilt als eines der Hauptwerke des deutschen Klassizismus.
Im Laufe der Geschichte wurde die Neue Wache immer wieder umgebaut und politisch umgewidmet. Im 19. Jahrhundert fanden hier Wachparaden statt. Nach dem Ersten Weltkrieg und dem Ende des Kaiserreichs verlor die Neue Wache ihre ursprüngliche militärische Funktion. Nach jahrelangen Diskussionen wurde sie 1931 nach den Plänen des Architekten Heinrich Tessenow zur Gedächtnisstätte für die im Ersten Weltkrieg gefallenen Soldaten umgestaltet. Im Inneren entstand ein fensterloser Raum. In der Decke hatte Tessenow eine kreisrunde Öffnung einbauen lassen. Das hereinfallende Licht erhellte einen am Boden aufgestellten Granitblock, auf dem ein stilisierter Eichenkranz lag. Die Nationalsozialisten benannten die Gedächtnisstätte in »Ehrenmal« um und nutzten es fortan zur Verherrlichung des Soldatentodes. Das »Wachregiment Berlin« inszenierte mehrmals in der Woche Wachablösungen. Kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges wurde die Neue Wache durch Luftangriffe schwer bestätigt.
Die DDR ließ die wiederaufgebaute Neue Wache 1960 als »Mahnmal der Opfer des Faschismus und Militarismus« einweihen. 1969 wurde der Innenraum durch Lothar Kwasnitza umgestaltet. Auf dem Boden wurden die Urnen eines unbekannten Soldaten und eines unbekannten Widerstandskämpfers in Erde von ehemaligen Schlachtfeldern des Zweiten Weltkrieges und aus nationalsozialistischen Konzentrationslagern gebettet. Eine ewige Flamme sowie das Wappen der DDR an der Wand ergänzten das Bild. Von 1962 bis 1990 standen Soldaten des Wachregiments »Friedrich Engels« Ehrenwache vor dem Gebäude, jeden Mittwoch und Samstag fand der »Große Wachaufzug« statt.

Opfergruppen

Die Gedenkstätte Neue Wache erinnert an die gefallenen Soldaten des Ersten und Zweiten Weltkrieges und an diejenigen, die durch die Kriege gelitten haben; an die in der Zeit des Nationalsozialismus verfolgten Juden, Sinti und Roma, Widerstandskämpfer, Homosexuelle und »Euthanasie«-Opfer. In die Widmung miteinbezogen sind auch diejenigen, die nach 1945 durch das DDR-Regime politisch verfolgt und ermordet wurden.

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Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 begann die staatliche Verfolgung der Gegner des Regimes, von Juden, als »Zigeuner« bezeichneten Roma, Patienten sowie zahlreichen anderen Gruppen. Antisemitismus wurde erstmals Bestandteil der Regierungspolitik eines modernen Staates, die Verfolgung aller Gruppen schrittweise verschärft. Dabei griffen staatliche Verordnungen, Gewalttaten von Anhängern des Regimes und die Hetze der Presse ineinander. Der Terror gegen Juden im November 1938 (»Kristallnacht«) mit etwa hundert Toten bildete den Scheitelpunkt hin zur vollständigen Ausgrenzung und Ermordung der jüdischen Minderheit. Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs im September 1939 gerieten weite Teile Europas unter deutsche Herrschaft. Insbesondere im Osten entstand ein vielgliedriges System von Lagern und Mordstätten, in dem die SS bis zu sechs Millionen Juden, unter ihnen etwa 165.000 deutsche Juden, ermordete. Die Zahl der übrigen Deutschen, die in Folge des Krieges ihr Leben verloren, wird auf etwa sieben Millionen geschätzt, darunter fast 3,5 Millionen Zivilisten. Etwa 28 Millionen Einwohner der besetzten Sowjetunion (Soldaten und Zivilbevölkerung) und drei Millionen nichtjüdische Polen kamen gewaltsam zu Tode; an sie wird in Deutschland bis heute kaum erinnert. Deutschland wurde 1945 von den Alliierten besetzt; 1949 entstanden die Deutsche Demokratische Republik (DDR) und die Bundesrepublik Deutschland (BRD) mit sehr unterschiedlichen Gedenkkulturen. In der DDR dominierte die Selbstinterpretation als »antifaschistischer« deutscher Nachfolgestaat. Die Orte der ehemaligen Konzentrationslager (KZ) Buchenwald, Ravensbrück und Sachsenhausen wurden zu »Nationalen Mahn- und Gedenkstätten« und stellten vor allem den kommunistischen Widerstand dar. In der Bundesrepublik dominierte zunächst die Erinnerung an die Opfer der alliierten Bombenangriffe, von Flucht und Vertreibung. Das Gedenken an die nationalsozialistische Verfolgung, den Holocaust oder den Widerstand war einzelnen Gruppen überlassen, Täter und Tatbeteiligungen – außerhalb juristischer Prozesse – kein Gegenstand öffentlicher Diskussion. Das änderte sich ab Mitte der 1960er Jahre, als nach intensiver Debatte die Verjährung für Mord aufgehoben wurde. Gleichzeitig entstanden Erinnerungsstätten an Orten ehemaliger KZ (1965: Dachau und Neuengamme; 1966: Bergen-Belsen) und die Gedenkstätte Deutscher Widerstand 1968 in West-Berlin. Erst in den 1980er Jahren entwickelte sich durch lokale Initiativen eine vielfältige, oft kleinteilige Erinnerungslandschaft. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands 1990 wurden eine gesamtstaatliche Gedenkstättenkonzeption entwickelt und Orte der Erinnerung umfangreich überarbeitet. Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin konnte 2005 der Öffentlichkeit übergeben werden. Eine umfangreiche Dokumentation der nationalsozialistischen Verbrechen und ihrer Täter, die Topographie des Terrors, wurde im Mai 2010 eröffnet; das Ausstellungszentrum »Flucht, Vertreibung, Versöhnung« folgte 2021. Mittlerweile erinnern zentrale Denkmäler in Berlin auch an weitere Opfergruppen: An die ermordeten Sinti und Roma, an die Opfer im Rahmen der NS-»Euthanasie« ermordeten Patienten und an die verfolgten Homosexuellen. Die Opfer des nationalsozialistischen Terrors in den früheren Ostgebieten fielen nach Kriegsende einem doppelten Vergessen anheim. Die Erinnerung blieb für Jahrzehnte auf landsmannschaftliche Verbände in der BRD beschränkt und schloss die Zeit von 1933 bis 1945 meist aus. Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs nehmen sich jedoch deutsche, polnische, litauische und russische Initiativen auch dieses Teils der deutschen Vergangenheit an.

Erinnerung

Nach der Wiedervereinigung Deutschlands beschloss die Bundesregierung einen erneuten Umbau im Inneren der Neuen Wache in Anlehnung an die Pläne Heinrich Tessenows. 1993 wurde die Neue Wache, auch auf Betreiben des damaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl, als »Zentrale Gedenkstätte der Bundesrepublik Deutschland für die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft« eingeweiht. Im Inneren befindet sich eine vergrößerte Kopie der Bronzeskulptur »Mutter mit totem Sohn« von Käthe Kollwitz. Am Eingang zur Neuen Wache sind zwei Gedenktafeln angebracht. Während die eine über die wechselvolle Geschichte des Bauwerks informiert, weist die andere die Neue Wache als »Ort der Erinnerung und des Gedenkens an die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft« aus. Kritische Stimmen zweifeln daran, dass die Plastik »Mutter mit Sohn« in einem Denkmal, das dem Andenken aller Opfergruppen dienen soll, angebracht sei. Kritiker bemängelten zudem, dass die Widmung »Den Opfern von Krieg und Gewaltherrschaft« dazu dienen könnte, die Grenzen zwischen Opfern und Tätern zu verwischen. Aus diesem Grund wurde am Eingang eine zusätzliche Tafel angebracht, auf der die Opfergruppen, derer gedacht werden soll, einzeln genannt werden.

Öffnungszeiten

Der Innenraum ist täglich von 10 bis 18 Uhr zugänglich

Kontakt

Unter den Linden 4
10099 Berlin