Am 23. April 1945 stießen Angehörige der sowjetischen Armee in einer ländlichen Gegend im Süden Brandenburgs auf einen stehenden Zug. Darin befanden sich mehr als 2.000 jüdische Häftlinge aus dem KZ Bergen-Belsen. Der in die Geschichte als »Verlorener Transport« eingegangene Zug war nach zweiwöchiger Fahrt durch die nicht besetzten Teile Deutschlands in der Nähe von Tröbitz stehen geblieben. In Tröbitz und weiteren umliegenden Ortschaften erinnern Denkmäler und ein jüdischer Friedhof an die zahlreichen Opfer des »Verlorenen Zuges«.
Als sich die alliierten Truppen dem Konzentrationslager Bergen-Belsen näherten, veranlasste die SS den Abtransport von etwa 6.700 im Lager befindlichen jüdischen Häftlingen in das KZ Theresienstadt. Für den Transport standen drei Züge bereit. Die Gefangenen im ersten Zug wurden nach der Abfahrt in der Nähe von Magdeburg von amerikanischen Truppen befreit. Der zweite Zug erreichte nach zweiwöchiger Fahrt durch Deutschland das KZ Theresienstadt. Der letzte der drei Züge verließ Bergen-Belsen am 9. April 1945. In ihm befanden sich etwa 2.500 jüdische Kinder, Frauen und Männer. Viele von ihnen waren an Flecktyphus erkrankt. Sie hatten sich bereits im KZ Bergen-Belsen mit der Krankheit angesteckt. Nach vierzehntägiger Fahrt endete dieser Transport bei Tröbitz, nachdem sich die SS-Wachmannschaften aufgrund der immer näher rückenden Roten Armee abgesetzt hatten. Während der Fahrt hatte der Zug mehrfach angehalten, damit die zahlreichen Toten von Häftlingen ausgeladen und in der Nähe der Bahngleise begraben werden konnten. Viele waren entweder an Typhus oder aufgrund der menschenunwürdigen Bedingungen in den überfüllten Waggons gestorben. In den Morgenstunden des 23. April 1945 stießen Angehörige der vorrückenden sowjetischen Truppen auf den stehenden Zug. Als die Soldaten die Waggons öffneten entdeckten sie viele Tote inmitten von kranken und ausgemergelten Häftlingen. Die Rote Armee veranlasste daraufhin die Verteilung der Überlebenden auf die umliegenden Häuser des 700 Einwohner zählenden Ortes Tröbitz und des Nachbarortes Schilda. Trotz der eingeleiteten Hilfsmaßnahmen starben in den nächsten Tagen viele weitere Menschen an Typhus.
Im »Verlorenen Transport« befanden sich jüdische Kinder, Frauen und Männer aus mehr als zehn Ländern. In den Wochen nach der Befreiung starben noch etwa 320 der befreiten Juden. Insgesamt starben mehr als 500 der Insassen des Zuges an Unterernährung, Erschöpfung und an Flecktyphus. Einige der Opfer des »Verlorenen Transportes« sind in Massengräbern entlang der Bahnstrecke beerdigt worden. Viele andere fanden später ihre letzte Ruhe auf dem jüdischen Friedhof in Tröbitz.
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Die »Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes« errichtete 1952 in Tröbitz ein Denkmal in der Nähe der Gräber, in die ein Teil der Toten 1951 aus Massengräbern umgebettet worden war. Es befindet sich neben der Kirche im Ortszentrum. Die Inschrift von 1952 erwähnte nicht, dass es sich bei den Opfern um Juden handelte. Dies wurde 1995 mit zwei weiteren Tafeln in deutscher und hebräischer Sprache nachgeholt.
1966 wurde ein jüdischer Friedhof eingerichtet und von Rabbinern eingeweiht. Hier befinden sich die Gräber von 125 Juden, die in den Tagen und Wochen nach der Befreiung in Tröbitz ihren Krankheiten erlagen. Gleichzeitig wurde ein Gedenkstein aufgestellt. 1995 wurde auf dem Friedhof im Beisein vieler Angehöriger von Überlebenden eine etwa 10 Meter lange Gedenkwand aus schwarzem Granit eingeweiht, die die Namen von 550 bekannten Opfern des »verlorenen Zuges« trägt. Die Initiative dazu kam von der Organisation »The Lost Transport, Victims Memorial Society; Bergen Belsen-Tröbitz 1945«, die vor allem in Israel aktiv ist. Am Eingang des Friedhofs gibt mittlerweile eine Freiluftausstellung über den »verlorenen Zug« und das Schicksal der Opfer Auskunft.
Zur Erinnerung an die Opfer in den Massengräbern entlang der Bahnstrecke wurden an den jeweiligen Stellen Gedenksteine aufgestellt - am Bahnkilometer 101,6 in Langennaundorf für 16 Tote und am Bahnkilometer 106,7 in Wildgrube für 28 weitere. Die Geschichte des »verlorenen Zuges« behandelt ein Dokumentarfilm aus dem Jahr 1999 von Hans-Jürgen Hermel mit dem Titel »Der verlorene Zug. Auf den Rädern der Reichsbahn durch die Hölle«.
Der jüdische Friedhof Tröbitz und die Denkmäler sind jederzeit zugänglich.
+49 (0)35326 381
03253 Tröbitz