Gedenkstätte Esterwegen

Gedenkstätte Esterwegen


Am 31. Oktober 2011 wurde die Gedenkstätte Esterwegen eröffnet, um an die über fünfzehn unterschiedlichen Schutzhaft- und Kriegsgefangenenlager zu erinnern, die zwischen 1933 und 1945 in der Region Emsland existierten. Die Gedenkstätte Esterwegen löste damit das »Dokumentations- und Informationszentrum (DIZ) Emslandlager« in Papenburg als zentralen Gedenkort an die Emslandlager ab.

Geschichte

In der Region Emsland im Nordwesten des Deutschen Reichs an der Grenze zu den Niederlanden errichtete das preußische Innenministerium bereits im Juni 1933 mehrere Konzentrationslager. Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten befanden sich allein im Land Preußen zwischen 25.000 und 30.000 Menschen in »Schutzhaft«. Die Nationalsozialisten verfolgten SPD-Mitglieder, Kommunisten und Gewerkschaftler besonders hart. Sie wurden von Polizei und SA in improvisierte Konzentrationslager (KZ) verschleppt und dort schikaniert und gefoltert. Drei solcher KZ entstanden im Emsland: in Börgermoor, Esterwegen und Neusustrum. Nach Schätzungen waren in den frühen Emslandlagern etwa 8.000 bis 10.000 Menschen inhaftiert. Die Häftlinge mussten Zwangsarbeit leisten etwa bei der Kultivierung der Moorlandschaft. Aus dieser Zeit stammt auch das in Börgermoor verfasste »Lied der Moorsoldaten«. Zunächst bewachte die örtliche Schutzpolizei die KZ, ab Juli 1933 übernahm diese Aufgabe die SS-Gruppe West und Angehörige der SA. Im Frühjahr 1934 wurden zuerst die KZ Börgermoor und Neusustrum, 1936 auch Esterwegen aufgelöst und in Strafgefangenenlager umgewandelt. In der Zwischenzeit waren vier weitere Lager im Emsland entstanden. Als Häftlinge kamen nun »rechtmäßig« verurteilte Straftäter in die Lager, vor allem wegen des Vergehens »Hochverrat«. Ab 1939 wurden in den neun südlichen Emslandlagern auch Kriegsgefangene untergebracht, vor allem ab 1941 etwa 50.000 sowjetische Kriegsgefangene. Insgesamt gab es bis 1945 15 unterschiedliche Lager im Emsland, sie wurden Anfang April 1945 von alliierten Truppen befreit.

Opfergruppen

In den 15 Emslandlagern waren von 1933 bis 1945 etwa 180.000 Menschen inhaftiert. Unter ihnen waren von 1933 bis 1934 etwa 10.000 KZ-Häftlinge aus dem Deutschen Reich und etwa 66.500 Strafgefangene ab 1934. Ab 1939 kamen mehr als 100.000 Kriegsgefangene hinzu, vor allem ab 1941, als über 50.000 sowjetische Soldaten in die Kriegsgefangenenlager in Emsland gebracht wurden. Bis zu 30.000 Menschen starben in den Lagern im Emsland, vor allem sowjetische Kriegsgefangene. Schätzungen gehen von bis zu 26.000 Todesopfern aus der Sowjetunion aus.

Erfahre mehr über Deutschland

Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 begann die staatliche Verfolgung der Gegner des Regimes, von Juden, als »Zigeuner« bezeichneten Roma, Patienten sowie zahlreichen anderen Gruppen. Antisemitismus wurde erstmals Bestandteil der Regierungspolitik eines modernen Staates, die Verfolgung aller Gruppen schrittweise verschärft. Dabei griffen staatliche Verordnungen, Gewalttaten von Anhängern des Regimes und die Hetze der Presse ineinander. Der Terror gegen Juden im November 1938 (»Kristallnacht«) mit etwa hundert Toten bildete den Scheitelpunkt hin zur vollständigen Ausgrenzung und Ermordung der jüdischen Minderheit. Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs im September 1939 gerieten weite Teile Europas unter deutsche Herrschaft. Insbesondere im Osten entstand ein vielgliedriges System von Lagern und Mordstätten, in dem die SS bis zu sechs Millionen Juden, unter ihnen etwa 165.000 deutsche Juden, ermordete. Die Zahl der übrigen Deutschen, die in Folge des Krieges ihr Leben verloren, wird auf etwa sieben Millionen geschätzt, darunter fast 3,5 Millionen Zivilisten. Etwa 28 Millionen Einwohner der besetzten Sowjetunion (Soldaten und Zivilbevölkerung) und drei Millionen nichtjüdische Polen kamen gewaltsam zu Tode; an sie wird in Deutschland bis heute kaum erinnert. Deutschland wurde 1945 von den Alliierten besetzt; 1949 entstanden die Deutsche Demokratische Republik (DDR) und die Bundesrepublik Deutschland (BRD) mit sehr unterschiedlichen Gedenkkulturen. In der DDR dominierte die Selbstinterpretation als »antifaschistischer« deutscher Nachfolgestaat. Die Orte der ehemaligen Konzentrationslager (KZ) Buchenwald, Ravensbrück und Sachsenhausen wurden zu »Nationalen Mahn- und Gedenkstätten« und stellten vor allem den kommunistischen Widerstand dar. In der Bundesrepublik dominierte zunächst die Erinnerung an die Opfer der alliierten Bombenangriffe, von Flucht und Vertreibung. Das Gedenken an die nationalsozialistische Verfolgung, den Holocaust oder den Widerstand war einzelnen Gruppen überlassen, Täter und Tatbeteiligungen – außerhalb juristischer Prozesse – kein Gegenstand öffentlicher Diskussion. Das änderte sich ab Mitte der 1960er Jahre, als nach intensiver Debatte die Verjährung für Mord aufgehoben wurde. Gleichzeitig entstanden Erinnerungsstätten an Orten ehemaliger KZ (1965: Dachau und Neuengamme; 1966: Bergen-Belsen) und die Gedenkstätte Deutscher Widerstand 1968 in West-Berlin. Erst in den 1980er Jahren entwickelte sich durch lokale Initiativen eine vielfältige, oft kleinteilige Erinnerungslandschaft. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands 1990 wurden eine gesamtstaatliche Gedenkstättenkonzeption entwickelt und Orte der Erinnerung umfangreich überarbeitet. Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin konnte 2005 der Öffentlichkeit übergeben werden. Eine umfangreiche Dokumentation der nationalsozialistischen Verbrechen und ihrer Täter, die Topographie des Terrors, wurde im Mai 2010 eröffnet; das Ausstellungszentrum »Flucht, Vertreibung, Versöhnung« folgte 2021. Mittlerweile erinnern zentrale Denkmäler in Berlin auch an weitere Opfergruppen: An die ermordeten Sinti und Roma, an die Opfer im Rahmen der NS-»Euthanasie« ermordeten Patienten und an die verfolgten Homosexuellen. Die Opfer des nationalsozialistischen Terrors in den früheren Ostgebieten fielen nach Kriegsende einem doppelten Vergessen anheim. Die Erinnerung blieb für Jahrzehnte auf landsmannschaftliche Verbände in der BRD beschränkt und schloss die Zeit von 1933 bis 1945 meist aus. Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs nehmen sich jedoch deutsche, polnische, litauische und russische Initiativen auch dieses Teils der deutschen Vergangenheit an.

Erinnerung

Die Flächen, auf denen sich die Lager befanden, werden heute weitestgehend landwirtschaftlich genutzt. Der Landkreis Emsland beschloss 1990 Informationstafeln an ehemaligen Konzentrationslagern aufzustellen. Das ehemalige Lagergelände in Esterwegen wurde unmittelbar nach dem Krieg von den britischen Besatzungstruppen als Internierungslager genutzt. Von 1953 bis 1959 diente das ehemalige Konzentrationslager als Durchgangslager für Flüchtlinge aus der DDR, in dieser Zeit wurden sämtliche Gebäude des Lagers abgetragen. Ab 1963 bis 2001 nutzte die Bundeswehr das Gelände als Standort für Lagerhallen, die dort errichtet wurden. Da eine Gedenkstätte für die Opfer der Emslandlager in der Nachkriegszeit keine politische Unterstützung fand, gründete sich 1981 in Papenburg der Verein »Aktionskomitee für ein Dokumentations- und Informationszentrum Emslandlager e.V.« (DIZ). Der Verein eröffnete 1985 eine erste Ausstellung. Das DIZ konnte 1993 in ein neu errichtetes Gebäude ziehen und zeigte dort eine Ausstellung zur Geschichte der Lager im Emsland. 1994 ließ der ehemalige Häftling Georg Gumpert (1914-2005) zwei Gedenksteine im ehemaligen Eingangbereich des Lagers anbringen, einen in Erinnerung an die Moorsoldaten, die das Lager die »Hölle am Waldesrand« nannten, und einen für den Journalisten und Friedensnobelpreisträger Carl von Ossietzky (1889-1938), der zwischen 1934 und 1936 im Lager inhaftiert war.
2001 erwarb der Landkreis Emsland das ehemalige Lagergelände in Esterwegen von der Bundeswehr mit der Absicht, dort eine zentrale Gedenkstätte für die Opfer der Emslandlager zu errichten. 2008 gründete der Landkreis Emsland die Stiftung Gedenkstätte Esterwegen. Nach umfangreichen Umgestaltungen des Geländes und dem Neubau eines Ausstellungsgebäudes wurde die Gedenkstätte am 31. Oktober 2011 feierlich eröffnet. Das DIZ zog aus Papenburg in die neue Gedenkstätte nach Esterwegen um.

Angebote

Führungen, pädagogische Angebote, Veranstaltungen, Bibliothek

Öffnungszeiten

April bis Oktober: Dienstag bis Sonntag 10.00 bis 18.00
November bis März: Dienstag bis Sonntag 10.00 bis 17.00
Vom 15. Dezember bis 15. Januar geschlossen

Kontakt

http://www.gedenkstaette-esterwegen.de

info@gedenkstaette-esterwegen.de

+49 (0)5955 988 950