Erinnerung an die ermordeten Juden von Šeduva

Šeduvos žydų kapinės ir holokausto paminklai


In der Kleinstadt Šeduva im Norden Litauens entstand eine Reihe von Gedenkzeichen in Erinnerung an die einstige jüdische Gemeinde der Stadt.

Geschichte

Šeduva (deutsch und russisch: Schadow, jiddisch: Shadeve) ist eine Kleinstadt auf etwa halbem Wege zwischen Schaulen (litauisch: Šiauliai) und Panevėžys im Norden Litauens, die traditionell vor allem von der Landwirtschaft lebte. Juden lebten hier seit dem 15. Jahrhundert. Anfang des 18. Jahrhunderts siedelten sich viele weitere jüdische Familien in Šeduva an. Ab 1795 war Litauen Teil des Russischen Zarenreichs, so auch Šeduva. Die Hauptsynagoge wurde 1866 geweiht. Am Ende des 19. Jahrhunderts waren mehr als die Hälfte der etwa 5.000 Einwohner der Stadt Juden, die Stadt hatte den Charakter eines Schtetl.
Während des Ersten Weltkrieges wurde die Stadt weitgehend zerstört, woraufhin viele Juden Šeduva verließen. Litauen wurde ein unabhängiger Staat, in dem der Antisemitismus vor allem in den 1930er Jahren stark zunahm. Viele Juden wanderten aus, etwa in die USA oder nach Palästina. Gleichzeitig gewann der Zionismus viele Unterstützer, vor allem bei der jüdischen Jugend.
1940 wurde Litauen in die Sowjetunion eingegliedert. Im Juni 1941 griff die deutsche Wehrmacht die Sowjetunion an, Šeduva wurde bereits wenige Tage später eingenommen. Viele Litauer begrüßten die Deutschen als Befreier. In den ersten Tagen der Besatzung ermordeten litauische Nationalisten Juden, die sie der Zusammenarbeit mit den sowjetischen Behörden beschuldigten. Wenige Wochen später wurden die Juden Šeduvas in ein nahe gelegenes Dorf verschleppt, wo sie in Baracken festgehalten wurden. Viele wurden erschossen. Am 25. August 1941 wurden die Juden auf LKW verladen und in den Wald von Liaudiškiai gefahren. An diesem und am nächsten Tag ermordete das aus Deutschen und Litauern bestehende »Rollkommando Hamann«, das in diesen Monaten überall in Litauen ganze jüdische Gemeinden auslöschte, alle noch verbliebenen Juden von Šeduva.

Opfergruppen

Laut dem »Jäger-Bericht« vom Dezember 1941, einem Lagebericht der im Baltikum operierenden SS-»Einsatzgruppe A«, wurden am 25. und 26. August 1941 insgesamt 664 Juden (»230 Juden, 275 Jüdinnen, 159 Judenkinder«) in Šeduva ermordet. Bereits in den Wochen zuvor wurden Juden in großer Zahl ermordet, so dass die Gesamtzahl der ermordeten Juden von Šeduva bei etwa 800 liegt. Genauere Zahlen sind nicht bekannt.

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Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges erlangte Litauen 1918 seine Unabhängigkeit vom Russischen Reich. Im Juni 1940 wurde das Land gemäß einem deutsch-sowjetischen Vertrag – dem so genannten Hitler-Stalin-Pakt – von der Roten Armee besetzt. Viele katholische Litauer machten pauschal Juden für den Verlust der Eigenstaatlichkeit und den sowjetischen Terror verantwortlich. Nach dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 überrollte die Wehrmacht das Land binnen kurzem. Bereits zwei Tage später führten deutsche Einheiten im grenznahen Garsden die erste Massenerschießung von Juden in diesem Feldzug durch. Litauische Nationalisten erschlugen in den ersten Kriegstagen hunderte Juden. Anschließend überfiel das deutsch-litauische »Rollkommando Hamann« Tag für Tag Ortschaften in Litauen und erschoss bis Ende 1941 beinahe sämtliche Juden auf dem Land und in Kleinstädten. Litauische SS-Einheiten und Polizeibataillone waren auch an Mordaktionen insbesondere auf belarussischem Gebiet beteiligt. Die Zahl der bis Sommer 1944 ermordeten litauischen Juden liegt zwischen 140.000 und 150.000 – fast 99 Prozent der jüdischen Bevölkerung des Landes in der Zwischenkriegszeit. Hinzu kommen etwa 70.000 jüdische Opfer aus dem Wilna-Gebiet, das nach der Zerschlagung PolensW im Herbst 1939 an Litauen zurückgegeben worden war. Der Terror richtete sich ab Sommer 1941 auch gegen meist kommunistische Kritiker und andere Minderheiten. Verschleppungen von Zwangsarbeitern in das Deutsche Reich setzten ein. Insgesamt etwa 170.000 nichtjüdische litauische Zivilisten fanden den Tod. Mit der Rückeroberung durch die Rote Armee 1944 wurde das Land erneut Teil der Sowjetunion. Tausende Litauer emigrierten, Tausende andere kämpften noch bis Ende der 1950er Jahre als Partisanen (»Waldbrüder«) gegen die sowjetische Besatzung. Insgesamt verschleppte der sowjetische Geheimdienst NKWD etwa 500.000 Litauer in das Innere der Sowjetunion. Das offizielle Litauen der Sowjetzeit gedachte vor allem der Helden des »Großen Vaterländischen Kriegs« und der prosowjetischen litauischen Patrioten, aber auch der ermordeten »friedliebenden Sowjetbürger und Kommunisten«. An einem der wichtigsten Orte des Massenmordes, dem IX. Fort in Kaunas, wurde 1958 ein Museum eingerichtet und 1984 ein monumentales Denkmalensemble aus Beton eröffnet. Seine Unabhängigkeit von Moskau erkämpfte sich das Land 1990/91 auch gegen russische Panzer mit 14 Toten. Anschließend wurden viele Monumente aus sowjetischer Zeit abgebaut, die jahrzehntelange Besatzung und der Widerstand rückten ins Zentrum der nationalen Erinnerung. Die Annexion Litauens durch die Sowjetunion 1940/41 und 1944 bis 1990 sowie die deutsche Besetzung wurden gleichgesetzt; wie in Lettland und Estland Okkupationsmuseen eingerichtet, deren inhaltlicher Schwerpunkt die Jahre des sowjetischen Terrors ist. Erst in den 1990er Jahren kam es zu einer breiten Diskussion über die litauische Beteiligung am Holocaust und 1998 zur Gründung einer Internationalen Kommission zur Bewertung der Verbrechen während des nationalsozialistischen und des sowjetischen Besatzungsregimes. Mittlerweile ist die litauische Erinnerungskultur immer vielfältiger. Eines der wichtigsten Institutionen ist das Jüdische Museum »Gaon von Wilna«. Am ehemaligen Massenerschießungsort Ponary (Paneriai) soll neben den Denkmälern auch ein Museumsbau entstehen. Bereits seit 2014 gibt es eine neue Dauerausstellung im Fort IX, während das Internetprojekt »Holocaust Atlas of Lithuania« detaillierte Informationen über die Orte der Massenerschießungen im ganzen Land anbietet.

Erinnerung

Seit August 1941 leben in Šeduva keine Juden mehr. Litauen gehörte nach dem Zweiten Weltkrieg wieder zur Sowjetunion. In dieser Zeit wurden die Massengräber der ermordeten Juden markiert und mit einfachen Gedenksteinen versehen. Von den ehemaligen Synagogen der Stadt sind nicht einmal Fotos erhalten geblieben. Die einzig erhaltene Spur der jüdischen Gemeinde, die früher die Mehrheit der Stadt stellte, war der verfallene und zugewachsene jüdische Friedhof.
Zwanzig Jahre nach der Wiedererlangung der Unabhängigkeit Litauens hat sich die Bürgerinitiative »Šeduva Jewish Memorial Fund« (litauisch: Šeduvos žydų memorialinis fondas) zum Ziel gesetzt, in Šeduva einen der zentralen Gedenkorte in Erinnerung an die Juden Litauens und den Holocaust ins Leben zu rufen. Er sollte einen Eindruck der Kultur der litauischen Juden (jiddisch traditionell Litwaks genannt) und des Lebens im Schtetl vermitteln, aber auch den Opfern des Holocaust ein würdiges Gedenken sein. Als erster Schritt wurde der jüdische Friedhof wieder hergerichtet, Hunderte Grabsteine entziffert und wieder aufgestellt. Nach den Plänen des Künstlers Romas Kvintas entstanden neue Denkmäler bei den Massengräbern der Opfer der Massenerschießungen im Wald von Liaudiškiai, ein weiteres Denkmal im Stadtzentrum soll folgen. Für die Zukunft ist ein Museum über die Geschichte der Juden Šeduvas geplant, dieses sollte in der Nähe des Friedhofs entstehen.

Öffnungszeiten

Der jüdische Friedhof ist täglich geöffnet, außer Samstags und an jüdischen Feiertagen. Die Holocaustdenkmäler im Wald sind jederzeit zugänglich.

Kontakt

https://www.inforadviliskis.lt/en/sightseeing-places/old-seduva-jewish-cemetery/

Žvejų gatvė
82007 Šeduva