Denkmal für die ermordeten Juden von Kysylyn

Пам’ятне місце для євреїв Кисилина


In der Nähe des Ortes Kysylyn (polnisch: Kisielin), erinnert seit 2015 ein Denkmal an die etwa 500 Juden, die dort am 15. August 1942 erschossen wurden.

Geschichte

Kysylyn (polnisch: Kisielin), etwa 40 Kilometer nordöstlich von Luzk in der historischen Region Wolhynien gelegen, gehörte bis September 1939 zu Polen und wurde dann infolge des Hitler-Stalin-Paktes sowjetisch besetzt.
Erste Hinweise auf jüdische Einwohner finden sich im 17. Jahrhundert. Durch die Auswirkungen des Ersten Weltkrieges ging die Bevölkerungszahl stark zurück. 1939 lebten einige hundert Juden in Kysylyn, die übrigen Einwohner waren Ukrainer und Polen.
Ende Juni 1941, wenige Tage nach ihrem Einmarsch in die Sowjetunion, besetzte die deutsche Wehrmacht Kysylyn. Die deutschen Besatzungsbehörden stellten eine ukrainische Polizeieinheit auf und gingen daran, die Juden durch Zwangsarbeit, Ausgangssperren und Kennzeichnung zu unterdrücken. Diese Maßnahmen ermutigten die ukrainische Polizei und die antisemitischen Einwohner, gegenüber Juden gewalttätig zu werden.
Mitte August 1941 erschossen die deutschen Besatzer in der Nähe der katholischen Kirche 48 Juden und zwei Ukrainer unter dem Vorwand, Unterstützer des sowjetischen Regimes gewesen zu sein. Am 1. November 1941 richteten sie ein Ghetto in Kysylyn ein, in das alle Juden des Ortes und der Umgebung einziehen mussten.
Am 12. August 1942 liquidierten die deutschen Besatzer das Ghetto. Zuvor ließen sie nichtjüdische Einheimische eine Grube nahe des polnischen Friedhofs ausheben. Anschließend brachten deutsche und ukrainische Polizisten die Juden aus dem Ghetto an die Grube und erschossen sie dort.
Berichten zufolge wurde eine Gruppe von Roma wenige Tage später in der Nähe des jüdischen Massengrabs erschossen.
Etwa ein Jahr später ermordeten ukrainische Nationalisten viele polnische Einwohner von Kysylyn. Das Massengrab mit den polnischen Opfern wird unweit des Massengrabs mit den jüdischen Opfern vermutet.

Opfergruppen

Etwa 500 Juden wurden bei der »Aktion« zur Liquidierung des Ghettos im August 1942 erschossen. 20 Juden gelang dabei die Flucht, aber nur einer von ihnen überlebte den Krieg.
Weitere 48 Juden erschossen die Besatzer bereits im Spätsommer 1941.
Nur eine Handvoll Kysylyner Juden überlebte die deutsche Besatzung.

Erfahre mehr über Ukraine

Die Ukraine, die zweitgrößte Republik der ehemaligen Sowjetunion, war einer der Hauptschauplätze des Zweiten Weltkriegs und des Holocaust. Die Zahl der ukrainischen Todesopfer wird auf fünf bis sechs Millionen Menschen geschätzt, darunter Hunderttausende Juden. Mitte September 1939, nach der sowjetischen Besetzung Ostpolens entsprechend einem deutsch-sowjetischen Geheimabkommen – dem Hitler-Stalin-Pakt –, kamen die südöstlichen Regionen Polens zur Sowjetukraine. Repressionen gegen die einheimische Bevölkerung gehörten fortan zum Alltag. Im Sommer 1941 traf der deutsche Angriff auf die Sowjetunion zunächst genau diese Gebiete. Schon in den ersten Tagen wurde die jüdische Bevölkerung als angebliche Stütze der Sowjetmacht Ziel blutiger Übergriffe. Sie gingen häufig von national gesinnten Ukrainern aus, die den Vormarsch der Wehrmacht zunächst begrüßten. Bald darauf begannen deutsche SS-Einsatzgruppen und verbündete rumänische Einheiten mit Massenerschießungen von Juden. Die Schlucht von Babij Jar (ukrainisch Babyn Jar) nahe Kiew, wo deutsche Einheiten und ukrainische Miliz an zwei Tagen im September 1941 mehr als 33.700 Juden ermordeten, ist heute ein weltweites Symbol für den Völkermord an den Juden. Auch die nichtjüdische Bevölkerung geriet ins Visier der Verfolger. In der nationalsozialistischen Rassenideologie galten Ukrainer wie alle »Slawen« als »Untermenschen«. Die Besatzer plünderten das Land, verschleppten weit über eine Million Zivilisten zur Zwangsarbeit und verübten öffentliche Geiselmorde. Ab 1943 tobte nicht nur ein Partisanenkrieg gegen die Wehrmacht, sondern auch der Kampf der nationalistischen »Ukrajinska Powstanska Armija« (Ukrainische Aufstandsarmee = UPA) gegen die Sowjets und die polnische Bevölkerung der Westukraine. Weit über 100.000 Polen fanden hierbei den Tod. 1944 wurde die Ukraine wieder sowjetisch und umfasst seitdem auch ehemals ostpolnische Regionen. Die UPA setzte ihren Kampf bis Mitte der 1950er Jahre fort. Die sowjetischen Behörden verschleppten rund 300.000 Ukrainer nach Sibirien, um diesen Widerstand zu brechen. Die Gedenkkultur war an der sowjetischen Symbolsprache ausgerichtet. Es entstanden monumentale Gedenkanlagen zur Feier des »Sieges« im Großen Vaterländischen Krieg. Erst in jüngerer Zeit trat neben die Heldenverehrung auch das Opfergedenken. In der Westukraine hat sich zudem eine Erinnerungskultur an den Kampf der UPA entwickelt, der als Unabhängigkeitskampf interpretiert wird. Eine Aufarbeitung der Kollaboration mit den deutschen Besatzern und des Antisemitismus hat erst um 2000 begonnen. Die Massenerschießungen an Juden wurden, mit wenigen Ausnahmen, bis in die 1980er Jahre übergangen. Erst die Regierung der unabhängigen Ukraine erkannte 1991 Babyn Jar als »Symbol jüdischen Märtyrertums« an. Die Ukraine war auch lange nach der Erlangung der Unabhängigkeit auf der Suche nach ihrer eigenen Identität. Die Dokumentation der sowjetischen Verbrechen – wie die staatlich herbeigeführte Hungerkatastrophe 1932/33 mit Millionen Toten (Holodomor) – hat größere Bedeutung als die Aufklärung über den Holocaust. Dennoch entstanden überall im Land neue Gedenkorte in Erinnerung an die ermordeten Juden, wie etwa die Gedenkstätte Drobizkij Jar in Charkiw oder das Holocaustmuseum in Odessa. An zahlreichen Massengräbern entstanden neue Denkmäler, teils mit Unterstützung aus Deutschland. In Kiew sollte bei der ehemaligen Massenerschießungsstätte Babyn Jar eine große Holocaustgedenkstätte mit weltweiter Ausstrahlung entstehen. Diese Pläne wurden mit dem großangelegten russischen Angriff auf die Ukraine vom 24. Februar 2022 auf Eis gelegt. Welche Auswirkungen der Verteidigungskrieg in Zukunft auf die Holocausterinnerung haben wird, bleibt abzuwarten.

Erinnerung

Seit 1991 erinnert im Ortskern eine Gedenktafel aus Basalt an die 48 Juden und 2 Ukrainer, die dort im August 1941 erschossen wurden.
Über siebzig Jahre lang gab es kein Erinnerungszeichen für die Opfer der Massenerschießung vom August 1942. Die Umrisse des Massengrabs verschwanden auf den bewirteten Feldern.
Im Rahmen des vom deutschen Auswärtigen Amt geförderten internationalen Projekts »Protecting Memory« errichtete das American Jewish Committee Berlin im Sommer 2015 einen Gedenkort auf dem Areal. Das Denkmal, eine mit grauen Steinen bedeckte Fläche, erstreckt sich über 400 Quadratmeter inmitten von Wiesen und Feldern. Eine Informationstafel gibt Auskunft über die Vernichtung der jüdischen Gemeinde von Kysylyn.

Öffnungszeiten

Das Denkmal ist jederzeit zugänglich.

Kontakt

http://www.protecting-memory.org/de/memorial-sites/kysylyn/

uhcenter@holocaust.kiev.ua

+380 (044) 285-90-30

45514 Кисилин