Kriegsgräberstätte Oerbke »Friedhof der Namenlosen«
Kriegsgräberstätte Oerbke »Friedhof der Namenlosen«
Im Dorf Oerbke in der südlichen Lüneburger Heide erinnert der »Friedhof der Namenlosen« an etwa 30.000 sowjetische Kriegsgefangene, die hier begraben sind. Von 1939 bis 1945 gab es in Oerbke zwei Kriegsgefangenenlager, in denen insgesamt mehr als 30.000 Menschen starben.
Geschichte
Nach dem Angriff auf Polen entstand 1939 in der Nähe des Ortes Fallingbostel das Kriegsgefangenenlager »Stalag (Mannschaftsstamm- und Straflager) XI B Fallingbostel«. Dort waren unzählige Kriegsgefangene, vor allem aus Polen, Frankreich und Belgien inhaftiert. Im Juni 1941 lag die Zahl der Häftlinge bei über 50.000. Die meisten von ihnen mussten außerhalb von Oerbke Zwangsarbeit leisten. Zwischen Mai und Juni 1941, noch vor dem Angriff auf die Sowjetunion, richtete die Wehrmacht in Oerbke ein »Russenlager« eigens für sowjetische Kriegsgefangene ein. Ab Juli 1941 brachte die Wehrmacht im »Stalag XI D/321« mehr als 15.000 sowjetische Kriegsgefangene unter. Nach tagelangen Transporten kamen die Häftlinge entkräftet und hungernd in Oerbke an. Dort gab es für sie keine Unterkünfte, viele der sich selbst überlassenen Häftlinge gruben Erdhöhlen, in denen sie hausten. Die katastrophalen Bedingungen, Hunger, Kälte und Krankheiten führten zu vielen Todesopfern, im Winter 1941/42 starben teilweise mehre Hundert Menschen täglich. Etwa 13.000 Menschen starben in Oerbke. Im Frühjahr 1942 legte die Wehrmacht das Lager wieder mit dem »Stalag XI B« zusammen, zusätzlich wurde das »Stalag 357« nach Oerbke verlegt. Die britische Armee befreite beide Lager am 16. April 1945.
Opfergruppen
Auf dem »Friedhof der Namenlosen« sind etwa 30.000 sowjetische Kriegsgefangene begraben, die in Oerbke oder anderen Kriegsgefangenenlagern umkamen. Weder die genaue Zahl der Opfer noch die Namen der meisten Toten sind bekannt. Außerdem liegen hier die Überreste von 273 weiteren Opfern aus Jugoslawien, Polen, Frankreich, Belgien und der Slowakei.
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Deutschland
Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 begann die staatliche Verfolgung der Gegner des Regimes, von Juden, als »Zigeuner« bezeichneten Roma, Patienten sowie zahlreichen anderen Gruppen. Antisemitismus wurde erstmals Bestandteil der Regierungspolitik eines modernen Staates, die Verfolgung aller Gruppen schrittweise verschärft. Dabei griffen staatliche Verordnungen, Gewalttaten von Anhängern des Regimes und die Hetze der Presse ineinander. Der Terror gegen Juden im November 1938 (»Kristallnacht«) mit etwa hundert Toten bildete den Scheitelpunkt hin zur vollständigen Ausgrenzung und Ermordung der jüdischen Minderheit.
Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs im September 1939 gerieten weite Teile Europas unter deutsche Herrschaft. Insbesondere im Osten entstand ein vielgliedriges System von Lagern und Mordstätten, in dem die SS bis zu sechs Millionen Juden, unter ihnen etwa 165.000 deutsche Juden, ermordete. Die Zahl der übrigen Deutschen, die in Folge des Krieges ihr Leben verloren, wird auf etwa sieben Millionen geschätzt, darunter fast 3,5 Millionen Zivilisten. Etwa 28 Millionen Einwohner der besetzten Sowjetunion (Soldaten und Zivilbevölkerung) und drei Millionen nichtjüdische Polen kamen gewaltsam zu Tode; an sie wird in Deutschland bis heute kaum erinnert.
Deutschland wurde 1945 von den Alliierten besetzt; 1949 entstanden die Deutsche Demokratische Republik (DDR) und die Bundesrepublik Deutschland (BRD) mit sehr unterschiedlichen Gedenkkulturen. In der DDR dominierte die Selbstinterpretation als »antifaschistischer« deutscher Nachfolgestaat. Die Orte der ehemaligen Konzentrationslager (KZ) Buchenwald, Ravensbrück und Sachsenhausen wurden zu »Nationalen Mahn- und Gedenkstätten« und stellten vor allem den kommunistischen Widerstand dar.
In der Bundesrepublik dominierte zunächst die Erinnerung an die Opfer der alliierten Bombenangriffe, von Flucht und Vertreibung. Das Gedenken an die nationalsozialistische Verfolgung, den Holocaust oder den Widerstand war einzelnen Gruppen überlassen, Täter und Tatbeteiligungen – außerhalb juristischer Prozesse – kein Gegenstand öffentlicher Diskussion. Das änderte sich ab Mitte der 1960er Jahre, als nach intensiver Debatte die Verjährung für Mord aufgehoben wurde. Gleichzeitig entstanden Erinnerungsstätten an Orten ehemaliger KZ (1965: Dachau und Neuengamme; 1966: Bergen-Belsen) und die Gedenkstätte Deutscher Widerstand 1968 in West-Berlin. Erst in den 1980er Jahren entwickelte sich durch lokale Initiativen eine vielfältige, oft kleinteilige Erinnerungslandschaft.
Nach der Wiedervereinigung Deutschlands 1990 wurden eine gesamtstaatliche Gedenkstättenkonzeption entwickelt und Orte der Erinnerung umfangreich überarbeitet. Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin konnte 2005 der Öffentlichkeit übergeben werden. Eine umfangreiche Dokumentation der nationalsozialistischen Verbrechen und ihrer Täter, die Topographie des Terrors, wurde im Mai 2010 eröffnet; das Ausstellungszentrum »Flucht, Vertreibung, Versöhnung« folgte 2021. Mittlerweile erinnern zentrale Denkmäler in Berlin auch an weitere Opfergruppen: An die ermordeten Sinti und Roma, an die Opfer im Rahmen der NS-»Euthanasie« ermordeten Patienten und an die verfolgten Homosexuellen.
Die Opfer des nationalsozialistischen Terrors in den früheren Ostgebieten fielen nach Kriegsende einem doppelten Vergessen anheim. Die Erinnerung blieb für Jahrzehnte auf landsmannschaftliche Verbände in der BRD beschränkt und schloss die Zeit von 1933 bis 1945 meist aus. Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs nehmen sich jedoch deutsche, polnische, litauische und russische Initiativen auch dieses Teils der deutschen Vergangenheit an.
Erinnerung
Bereits 1945 wurde ein sowjetisches Mahnmal in Oerbke errichtet. In den 1960er Jahren wurde der »Friedhof der Namenlosen« umgestaltet, das sowjetische Mahnmal abgebrochen. Nur ein Relief ist davon erhalten geblieben. 1964 wurde ein neues Monument nach Entwürfen von Klaus Seelenmeyer errichtet. Auf dem Friedhof befinden sich 109 Grabsteine mit insgesamt 920 Einzelnamen. Fünfzig Jahre nach Kriegsende wurden am Volkstrauertag am 19. November 1995 eine Informationstafel aus Bronze sowie zehn Holzkreuze mit weiteren zehn Namen aufgestellt.