Gedenkstätte und Museum Trutzhain

Gedenkstätte und Museum Trutzhain


Wo sich heute der Ort Trutzhain befindet, bestand zwischen 1939 und 1945 ein Mannschaftsstammlager, das Stalag IX A Ziegenhain. In dem Lager brachte die Wehrmacht Kriegsgefangene aus allen europäischen Ländern unter, die sich mit Deutschland im Krieg befanden. Vor allem sowjetische Kriegsgefangene sowie ab 1943 auch italienische Militärinternierte hatten unter besonders schlimmen Haftbedingungen zu leiden. Heute befindet sich an diesem Ort eine Gedenkstätte. Sie dokumentiert die Geschichte des Lagers bis zur Gründung des Dorfes Trutzhain auf dessen Gelände und erinnert an das Schicksal der internierten Männer.

Geschichte

Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges richtete die Wehrmacht zahlreiche Lager für Kriegsgefangene ein. Neben den Mannschaftsstammlagern (Stalag) gab es Offizierslager für gefangengenommene Offiziere sowie Durchgangslager, die sich hinter der Front befanden und von denen die Gefangenen weiter auf die Lager im Kerngebiet des Deutschen Reiches verteilt wurden. Die arbeitsfähigen Kriegsgefangenen in den Stalags wurden zum Arbeitseinsatz im Zuständigkeitsbereich des jeweiligen Lagers gezwungen. Zu den Stalags gehörten zahlreiche Arbeitskommandos - oftmals mit eigenen Lagern ausgestattet, wenn die Entfernung eine tägliche Hin- und Rückführung der Gefangenen unmöglich machte. Im Stalag IX A Ziegenhain befanden sich 1944 mehr als 50.000 Kriegsgefangene, von denen ein großer Teil in über 3.000 Arbeitskommandos Zwangsarbeit leisten musste. Mehrere Kommandos dieses Stalags arbeiteten in der Kasseler Rüstungsindustrie und in den Munitionsfabriken von Allendorf (heute: Stadtallendorf). Die größte Gruppe im Lager bildeten die französischen Gefangenen. Im Sommer 1941 befanden sich 32.000 von ihnen im Stalag IX A und in den Arbeitskommandos im Wehrbereich IX. In einem abgetrennten Teil des Lagers brachte die Wehrmacht die sowjetischen Kriegsgefangenen unter. Ihre Haftbedingungen waren weitaus härter als die der anderen Gefangenengruppen. Ab 1943 internierte die Wehrmacht in ihren Lagern zunehmend Angehörige des italienischen Militärs. Die als »Verräter« angesehenen Italiener steckte die Lagerleitung des Stalag IX A in das so genannte Russenlager.
Nach der Befreiung des Stalag nutzten die Amerikaner das Areal als »Civil Internment Camp Nr. 95« zur Internierung von Mitgliedern der Wehrmacht, der NSDAP, SS, Waffen-SS und der SA. Von 1946 bis 1947 diente das Lager zur Unterbringung von Juden aus Osteuropa. Später kamen auf dem Gelände Flüchtlinge aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten unter. Sie gründeten 1951 an der Stelle des ehemaligen Lagergeländes die Gemeinde Trutzhain.

Opfergruppen

Neben den französischen Kriegsgefangenen kamen die Internierten im Stalag IX A Ziegenhain vor allem aus Polen, der Sowjetunion, Italien und aus Serbien. Zu den zahlenmäßig kleineren Gruppen zählten unter anderem Niederländer, Belgier und Amerikaner. Mehrere sowjetische Kriegsgefangene wurden nachweislich von Wehrmachtsangehörigen ausgesondert und zur Erschießung in das KZ Buchenwald gebracht. Zahlreiche Erschießungen fanden auch in den Arbeitskommandos des Stalag IX A statt. Im Lager gestorbene polnische und westeuropäische Kriegsgefangene ließ die Lagerleitung auf einem Friedhof auf dem Gelände des Stalag begraben, die Leichen der sowjetischen und serbischen Kriegsgefangenen sowie der italienischen Militärinternierten dagegen auf einem zweiten im Wald gelegenen Friedhof.
Laut wissenschaftlicher Recherchen ist der Tod von 400 sowjetischen Kriegsgefangenen im Lager Ziegenhain belegt. Die noch nicht abgeschlossenen Forschungen gehen jedoch von einer weitaus höheren Anzahl von Todesopfern unter den Internierten des Stalag IX A aus.

Erfahre mehr über Deutschland

Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 begann die staatliche Verfolgung der Gegner des Regimes, von Juden, als »Zigeuner« bezeichneten Roma, Patienten sowie zahlreichen anderen Gruppen. Antisemitismus wurde erstmals Bestandteil der Regierungspolitik eines modernen Staates, die Verfolgung aller Gruppen schrittweise verschärft. Dabei griffen staatliche Verordnungen, Gewalttaten von Anhängern des Regimes und die Hetze der Presse ineinander. Der Terror gegen Juden im November 1938 (»Kristallnacht«) mit etwa hundert Toten bildete den Scheitelpunkt hin zur vollständigen Ausgrenzung und Ermordung der jüdischen Minderheit. Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs im September 1939 gerieten weite Teile Europas unter deutsche Herrschaft. Insbesondere im Osten entstand ein vielgliedriges System von Lagern und Mordstätten, in dem die SS bis zu sechs Millionen Juden, unter ihnen etwa 165.000 deutsche Juden, ermordete. Die Zahl der übrigen Deutschen, die in Folge des Krieges ihr Leben verloren, wird auf etwa sieben Millionen geschätzt, darunter fast 3,5 Millionen Zivilisten. Etwa 28 Millionen Einwohner der besetzten Sowjetunion (Soldaten und Zivilbevölkerung) und drei Millionen nichtjüdische Polen kamen gewaltsam zu Tode; an sie wird in Deutschland bis heute kaum erinnert. Deutschland wurde 1945 von den Alliierten besetzt; 1949 entstanden die Deutsche Demokratische Republik (DDR) und die Bundesrepublik Deutschland (BRD) mit sehr unterschiedlichen Gedenkkulturen. In der DDR dominierte die Selbstinterpretation als »antifaschistischer« deutscher Nachfolgestaat. Die Orte der ehemaligen Konzentrationslager (KZ) Buchenwald, Ravensbrück und Sachsenhausen wurden zu »Nationalen Mahn- und Gedenkstätten« und stellten vor allem den kommunistischen Widerstand dar. In der Bundesrepublik dominierte zunächst die Erinnerung an die Opfer der alliierten Bombenangriffe, von Flucht und Vertreibung. Das Gedenken an die nationalsozialistische Verfolgung, den Holocaust oder den Widerstand war einzelnen Gruppen überlassen, Täter und Tatbeteiligungen – außerhalb juristischer Prozesse – kein Gegenstand öffentlicher Diskussion. Das änderte sich ab Mitte der 1960er Jahre, als nach intensiver Debatte die Verjährung für Mord aufgehoben wurde. Gleichzeitig entstanden Erinnerungsstätten an Orten ehemaliger KZ (1965: Dachau und Neuengamme; 1966: Bergen-Belsen) und die Gedenkstätte Deutscher Widerstand 1968 in West-Berlin. Erst in den 1980er Jahren entwickelte sich durch lokale Initiativen eine vielfältige, oft kleinteilige Erinnerungslandschaft. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands 1990 wurden eine gesamtstaatliche Gedenkstättenkonzeption entwickelt und Orte der Erinnerung umfangreich überarbeitet. Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin konnte 2005 der Öffentlichkeit übergeben werden. Eine umfangreiche Dokumentation der nationalsozialistischen Verbrechen und ihrer Täter, die Topographie des Terrors, wurde im Mai 2010 eröffnet; das Ausstellungszentrum »Flucht, Vertreibung, Versöhnung« folgte 2021. Mittlerweile erinnern zentrale Denkmäler in Berlin auch an weitere Opfergruppen: An die ermordeten Sinti und Roma, an die Opfer im Rahmen der NS-»Euthanasie« ermordeten Patienten und an die verfolgten Homosexuellen. Die Opfer des nationalsozialistischen Terrors in den früheren Ostgebieten fielen nach Kriegsende einem doppelten Vergessen anheim. Die Erinnerung blieb für Jahrzehnte auf landsmannschaftliche Verbände in der BRD beschränkt und schloss die Zeit von 1933 bis 1945 meist aus. Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs nehmen sich jedoch deutsche, polnische, litauische und russische Initiativen auch dieses Teils der deutschen Vergangenheit an.

Erinnerung

1983 entstand in Trutzhain, heute ein Ortsteil von Schwalmstadt, das »Museum für den Frieden«. Die Ausstellung des Museums informierte Besucher jedoch nicht genügend zur Geschichte der verschiedenen Lager, die sich bis 1951 auf dem Gelände befanden. Aufgrund eines Beschlusses der Schwalmstädter Stadtverordnetenversammlung erfolgten ab dem Ende der 1990er Jahre Vorbereitungen für eine Neuausrichtung der Ausstellung und des historischen Geländes. Nach der Fertigstellung der neuen Dauerausstellung wurde im Juni 2003 die Gedenkstätte eröffnet. Sie informiert nun umfassend über die Lager die sich auf dem Gelände der Gemeinde Trutzhain befanden sowie über alle Opfergruppen. Seit 2005 gibt es auf dem weiträumigen Gelände der Gedenkstätte einen historischen Lehrpfad. Auf diese Weise können Besucher in der heutigen Gemeinde Trutzhain die zum größten Teil als Wohnhäuser genutzten 37 erhalten gebliebene Lagerbaracken besichtigen. Dazu zählen neben der ehemaligen Kommandantur die Baracken der Abwehr und der Wachmannschaften sowie das Lazarett, verschiedene Werkstätten und die Lagerküche. Das Gebäude, in dem sich das Museum befindet, war vor 1945 das Wachlokal gewesen. Nachdem es lange als Wohnhaus genutzt wurde und danach viele Jahre leer stand, wurde es baulich wieder in seinen Originalzustand gebracht. Zum Gedenkstättengelände gehören zudem die beiden Friedhöfe, auf denen die in Haft verstorbenen Gefangenen begraben wurden.

Angebote

Führungen und Termine für Gruppen nach Vereinbarung, Filmvorführungen, Archiv/Bibliothek, Seminarraum für außerschulischen Unterricht

Öffnungszeiten

Dienstags bis donnerstags 9.00 bis 13.00 und 14.00 bis 16.00, freitags 9.00 bis 13.00, jeden zweiten und vierten Sonntag im Monat 14.00 bis 17.00

Kontakt

http://www.gedenkstaette-trutzhain.de

info@gedenkstaette-trutzhain.de

+49 (0)6691 710 662