Nationaler Gedenkort an die Opfer des Lagers Balf

Nemzeti Emlékhely a balfi táborban elpusztult kényszermunkások emlékére


Im Winter 1945/45 mussten Zehntausende Gefangene, die meisten von ihnen Juden aus Budapest, beim Bau des Südostwalls entlang der Westgrenze Ungarns unter deutscher Aufsicht Zwangsarbeit leisten. Eines der Lager war in Balf (deutsch: Wolfs) bei Ödenburg (ungarisch: Sopron). Etwa die Hälfte der Gefangenen starb im Lager, viele andere bei den Todesmärschen nach der Auflösung des Lagers im Frühjahr 1945. In den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden mehrere Denkmäler in Erinnerung an die Opfer.

Geschichte

Das Dorf Balf (deutsch: Wolfs) liegt am Neusiedler See sieben Kilometer südöstlich von Sopron (deutsch: Ödenburg). Während der Endphase des Zweiten Weltkrieges kam dieser Region eine strategische Bedeutung zu. Um das Vorrücken der Roten Armee ins Innere des Deutschen Reiches aufzuhalten, sollte entlang der österreich-ungarischen Grenze die Befestigungslinie »Südostwall« errichtet werden.
Die deutsche Wehrmacht besetzte Ungarn im März 1944. In den darauf folgenden Monaten wurden mithilfe der ungarischen Behörden fast alle Juden des Landes von außerhalb der Hauptstadt Budapest deportiert, vor allem nach Auschwitz-Birkenau. Zu Massendeportationen aus Budapest, in der im Sommer 1944 noch etwa 200.000 Juden lebten, kam es jedoch nicht mehr. Am 15. Oktober 1944 wurde Miklós Horthy als Staatsoberhaupt abgelöst, am Tag darauf übernahmen die faschistischen Pfeilkreuzler unter ihrem Führer Ferenc Szálasi (1897–1946) die Macht. Sie erklärten sich bereit, den Deutschen jüdische Zwangsarbeiter zur Verfügung zu stellen. Sie nahmen Zehntausende Juden fest und verschleppten sie in Richtung Österreich. Allein beim Bau des Südostwalls mussten etwa 30.000 Juden aus Budapest Zwangsarbeit leisten. Untergebracht wurden sie in mehreren Dutzend Lagern entlang des Grenzgebiets, die der Organisation Todt unterstanden. In Balf wurde mit etwa 2.000 Gefangenen eines der größeren Lager errichtet. Ein Teil der Gefangenen dort musste Panzergraben ausheben, andere bei Waldrodungen oder im Steinbruch arbeiten. Die Arbeits- und Lebensbedingungen waren katastrophal, so dass etwa die Hälfte der Gefangenen in Balf umkam.
Im März 1945 sollten die Lager entlang des Südostwalls aufgelöst und die Gefangenen ins KZ Mauthausen überstellt werden. Bei den Todesmärschen waren die Gefangenen Hunger und Kälte schutzlos ausgeliefert. Zudem ermordeten die vor allem aus Jugendlichen bestehenden Wachmannschaften viele Tausende Gefangene grundlos und willkürlich.

Opfergruppen

In Balf wurden etwa 2.000 ungarische Juden gefangen gehalten. Etwa die Hälfte von ihnen starb an Misshandlung, an der schweren Arbeit oder wegen der unmenschlichen Bedingungen. Zu den Opfern zählte auch der Schriftsteller Antal Szerb (1901–1945).
Insgesamt mussten etwa 30.000 Budapester Juden beim Bau des Südostwalls Zwangsarbeit leisten. Tausende kamen bei der Arbeit, in den Lagern oder den Todesmärschen in den letzten Kriegswochen um.

Erfahre mehr über Ungarn

Nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg und dem Zerfall der Österreichisch-Ungarischen Doppelmonarchie musste Ungarn 1920 zwei Drittel seines Staatsgebietes und sechzig Prozent seiner Bevölkerung an seine Nachbarstaaten abtreten. Diese Verluste traumatisierten das Land und führten dazu, dass sich Ungarn unter seinem Staatschef Nikolaus von (Miklós) Horthy (1868–1957) ab 1937 allmählich dem nationalsozialistischen Deutschen Reich annäherte. Es gelang Ungarn in mehreren Schritten, sein Staatsgebiet zwischen 1938 und 1941 fast zu verdoppeln. Im März 1944 war das Land angesichts der vorrückenden Roten Armee kurz davor, sich von Deutschland abzuwenden und wurde deshalb von der Wehrmacht besetzt. Horthy blieb zunächst Staatsoberhaupt. Unter Mithilfe der ungarischen Verwaltung begann die SS beinahe sofort mit Deportationen von Juden in das Vernichtungslager Auschwitz, die Ungarn trotz antijüdischer Gesetze zuvor noch verweigert hatte. Von den etwa 825.000 Juden aus »Groß-Ungarn« wurden weit über eine halbe Million Menschen dort ermordet, allein bis zu 300.000 kamen aus den Regionen des heutigen Ungarn. Darüber hinaus fanden um die 140.000 Soldaten sowie etwa 170.000 nichtjüdische Zivilisten den Tod. Nach 1945 war Ungarn Teil der sowjetischen Einflusssphäre. Bis 1989 erinnerte das offizielle Ungarn nicht an den Krieg, sondern an sein Ende – als »Befreiung vom Faschismus«. Die Mehrheit der Bevölkerung dagegen empfand das Jahr 1945 als Beginn einer langen Unterdrückung. Der niedergeschlagene Volksaufstand von 1956 hat die Erinnerungen vieler Ungarn an den Zweiten Weltkrieg überdeckt. Der Krieg galt fortan als unrühmliche Vorgeschichte zum Leiden unter kommunistischer Herrschaft. Unterdessen zelebrierten zahlreiche staatliche Denkmäler die »ungarisch-sowjetische Freundschaft«. Zu kommunistischer Zeit wurde offiziell kaum an die Menschen erinnert, die während des Krieges an der Front, in der Heimat und während des Völkermordes umgekommen waren. Orte des Gedenkens an den Holocaust existierten außerhalb von jüdischen Institutionen nicht; allein das 1932 eingeweihte Jüdische Museum Budapest wurde bereits 1947 wiedereröffnet. 1985 richtete die jüdische Gemeinde Budapest neben der großen, am Rande des ehemaligen Ghettos stehenden Synagoge einen »Raoul-Wallenberg-Gedenkpark« ein. 1987, in unmittelbarem Zusammenhang mit einer Reise des kommunistischen Staatschefs János Kádár (1912–1989) nach Schweden, entstand schließlich ein staatliches Denkmal für Wallenberg (*1912–?), der als schwedischer Gesandter Tausenden Budapester Juden das Leben rettete, 1945 von der sowjetischen Besatzungsmacht verschleppt wurde und seither verschollen ist. Dieses Denkmal markierte einen Wendepunkt nach einem jahrzehntelangen Verschweigen des Holocaust. Erst zur Jahrtausendwende entstanden in ganz Ungarn zahlreiche Holocaustdenkmäler und -gedenkstätten. Hierzu gehört das Denkmal »Schuhe am Donauufer« in Budapest, das am 16. April 2005 – dem 2000 eingeführten ungarischen Holocaustgedenktag – eingeweiht wurde. Es erinnert an die Ermordung von bis zu 20.000 Juden aus dem Budapester Ghetto im Januar 1945 durch »Pfeilkreuzler«, Angehörige einer rechtsradikalen Partei, die am 15. Oktober 1944 die Macht in Ungarn übernommen hatte. Ein nationales Holocaustmuseum wurde 2004 in der Hauptstadt eröffnet. Erinnerungszeichen für andere Opfer gibt es bislang allerdings kaum. Sinnbildhaft für den Umgang des postkommunistischen Ungarn mit seiner Vergangenheit im 20. Jahrhundert ist das viel diskutierte »Haus des Terrors«, das – 2002 im Zentrum Budapests eröffnet – die Geschichte »beider totalitärer Diktaturen« behandelt. Die Mitwirkung von Ungarn bei der Deportation ihrer jüdischen Mitbürger tritt dabei oft in den Hintergrund.

Erinnerung

Die Errichtung des ersten Denkmals in Erinnerung an die jüdischen Opfer des Lagers in Balf wurde durch Spenden ermöglicht, unter anderem von jüdischen Organisationen aus den USA. Das vom Ödenburger Architekten Oszkár Füredi (1890–1978) entworfene Denkmal in Form eines Obelisken wurde 1948 eingeweiht. Es steht in der Nähe eines Massengrabs mit mindestens 100 Toten. Die ungarische und hebräische Inschrift lautet: »In Sichtweite dieses Denkmals sind mehr als 2000 unserer jüdischen Glaubensbrüder dem menschlichen Wahnsinn von 1944 bis 1945 zum Opfer gefallen. Hier ruhen mehr als 100 Märtyrer.«
1968 wurde ein weiteres Denkmal eingeweiht. Das zentrale Element des von János Fodor gestalteten Denkmals war ein Bronzerelief, das den Todesmarsch der Zwangsarbeiter darstellte. Bei diesem Denkmal wurde der Schriftsteller Antal Szerb, der im Januar 1945 in Balf an den Mißhandlungen starb, namentlich erwähnt. Das Bronzerelief wurde 2005 von Metalldieben gestohlen. Daraufhin wurde das Denkmal abgebaut.
Als Ersatz des zerstörten Denkmals wurde 2008 ein Nationaler Gedenkort nach Plänen des Architekten Barnabás Winkler und des Bildhauers László Kutas eingeweiht. Gleichzeitig wurde der Gedenkstein aus dem Jahr 1948 restauriert. Das Denkmal besteht aus mehreren symbolischen Grabsteinen, die sich immer stärker in Richtung des Obelisken neigen und schließlich auf den Boden fallen. Ein Objekt aus dem abgerissenen Denkmal, ein Gedenkstein in Form eines aufgeschlagenen Buchs, wurde an der Mauer neben dem Obelisken angebracht. Das Zitat von Antal Szerb lautet: »Freiheit ist nicht nur Privatsache einer Nation, sondern Sache der ganzen Menscheit«.

Öffnungszeiten

Das Denkmal ist jederzeit zugänglich.

Kontakt

Fő utca, Szent Farkas vártemplom
9494 Balf