Museum und Gedenkstätte IX. Fort

Kauno IX forto memorialas ir muziejus


In Kaunas (deutsch auch: Kauen, russisch: Kowno) befand sich im IX. Fort, einer ehemaligen Festungsanlage, eine Erschießungsstätte der SS. Zehntausende Juden aus dem Ghetto Kaunas, aber auch deportierte Juden aus dem Deutschen Reich wurden hier ermordet. Seit 1958 gibt es eine Gedenkstätte.

Geschichte

Kaunas gehörte seit der Dritten Polnischen Teilung (1795) zum russischen Zarenreich. Im 19. Jahrhundert ließ der Zar mehrere Festungsanlagen zur Verteidigung der westlichen Grenze des Russischen Reiches errichten. Das IX. Fort, erbaut kurz vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges, ist eine dieser Festungen. Während der Unabhängigkeit Litauens zwischen den beiden Weltkriegen war Kaunas zeitweilige Hauptstadt des Landes, in dieser Zeit war das IX. Fort Gefängnis. 1940 besetzte die UdSSR Litauen; der sowjetische Geheimdienst NKWD verschleppte viele politische Häftlinge aus Litauen über das IX. Fort nach Sibirien.
Nachdem die deutsche Wehrmacht Litauen im Sommer 1941 besetzt hatte, nutzte die SS einige der Festungen als Sammellager für Juden und als Erschießungsstätte, so erschoss sie im VII. Fort bereits vor Mitte August 1941 bis zu 5.000 jüdische Männer. In der Folgezeit wurde vor allem das IX. Fort Schauplatz von größeren Massakern: Zwischen Juni 1941 und Sommer 1944 ermordeten SS-Angehörige zusammen mit litauischen, später auch ukrainischen Kollaborateuren im IX. Fort über 50.000 Personen. Bei den Ermordeten handelte es sich zu einem großen Teil um Juden aus dem Ghetto Kaunas.

Opfergruppen

Von Juni 1941 bis Sommer 1944 erschossen deutsche SS-Leute, ihre litauischen und ukrainischen Helfer zwischen 20.000 und 30.000 jüdische Kinder, Frauen und Männer aus Kaunas und dem Deutschen Reich, aber auch aus Frankreich im IX. Fort. Die Erschießung von knapp 5.000 Juden aus Berlin, München, Frankfurt am Main, Breslau und Wien am 25. und 29. November 1941 war der erste Massenmord an Juden aus Deutschland. Zu den Opfern im IX. Fort zählte auch eine unbekannte Anzahl von Kommunisten, Roma und sowjetischen Kriegsgefangenen.

Erfahre mehr über Litauen

Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges erlangte Litauen 1918 seine Unabhängigkeit vom Russischen Reich. Im Juni 1940 wurde das Land gemäß einem deutsch-sowjetischen Vertrag – dem so genannten Hitler-Stalin-Pakt – von der Roten Armee besetzt. Viele katholische Litauer machten pauschal Juden für den Verlust der Eigenstaatlichkeit und den sowjetischen Terror verantwortlich. Nach dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 überrollte die Wehrmacht das Land binnen kurzem. Bereits zwei Tage später führten deutsche Einheiten im grenznahen Garsden die erste Massenerschießung von Juden in diesem Feldzug durch. Litauische Nationalisten erschlugen in den ersten Kriegstagen hunderte Juden. Anschließend überfiel das deutsch-litauische »Rollkommando Hamann« Tag für Tag Ortschaften in Litauen und erschoss bis Ende 1941 beinahe sämtliche Juden auf dem Land und in Kleinstädten. Litauische SS-Einheiten und Polizeibataillone waren auch an Mordaktionen insbesondere auf belarussischem Gebiet beteiligt. Die Zahl der bis Sommer 1944 ermordeten litauischen Juden liegt zwischen 140.000 und 150.000 – fast 99 Prozent der jüdischen Bevölkerung des Landes in der Zwischenkriegszeit. Hinzu kommen etwa 70.000 jüdische Opfer aus dem Wilna-Gebiet, das nach der Zerschlagung PolensW im Herbst 1939 an Litauen zurückgegeben worden war. Der Terror richtete sich ab Sommer 1941 auch gegen meist kommunistische Kritiker und andere Minderheiten. Verschleppungen von Zwangsarbeitern in das Deutsche Reich setzten ein. Insgesamt etwa 170.000 nichtjüdische litauische Zivilisten fanden den Tod. Mit der Rückeroberung durch die Rote Armee 1944 wurde das Land erneut Teil der Sowjetunion. Tausende Litauer emigrierten, Tausende andere kämpften noch bis Ende der 1950er Jahre als Partisanen (»Waldbrüder«) gegen die sowjetische Besatzung. Insgesamt verschleppte der sowjetische Geheimdienst NKWD etwa 500.000 Litauer in das Innere der Sowjetunion. Das offizielle Litauen der Sowjetzeit gedachte vor allem der Helden des »Großen Vaterländischen Kriegs« und der prosowjetischen litauischen Patrioten, aber auch der ermordeten »friedliebenden Sowjetbürger und Kommunisten«. An einem der wichtigsten Orte des Massenmordes, dem IX. Fort in Kaunas, wurde 1958 ein Museum eingerichtet und 1984 ein monumentales Denkmalensemble aus Beton eröffnet. Seine Unabhängigkeit von Moskau erkämpfte sich das Land 1990/91 auch gegen russische Panzer mit 14 Toten. Anschließend wurden viele Monumente aus sowjetischer Zeit abgebaut, die jahrzehntelange Besatzung und der Widerstand rückten ins Zentrum der nationalen Erinnerung. Die Annexion Litauens durch die Sowjetunion 1940/41 und 1944 bis 1990 sowie die deutsche Besetzung wurden gleichgesetzt; wie in Lettland und Estland Okkupationsmuseen eingerichtet, deren inhaltlicher Schwerpunkt die Jahre des sowjetischen Terrors ist. Erst in den 1990er Jahren kam es zu einer breiten Diskussion über die litauische Beteiligung am Holocaust und 1998 zur Gründung einer Internationalen Kommission zur Bewertung der Verbrechen während des nationalsozialistischen und des sowjetischen Besatzungsregimes. Mittlerweile ist die litauische Erinnerungskultur immer vielfältiger. Eines der wichtigsten Institutionen ist das Jüdische Museum »Gaon von Wilna«. Am ehemaligen Massenerschießungsort Ponary (Paneriai) soll neben den Denkmälern auch ein Museumsbau entstehen. Bereits seit 2014 gibt es eine neue Dauerausstellung im Fort IX, während das Internetprojekt »Holocaust Atlas of Lithuania« detaillierte Informationen über die Orte der Massenerschießungen im ganzen Land anbietet.

Erinnerung

Nach dem Krieg wurde das IX. Fort nicht benutzt, bis 1958 eine erste Ausstellung auf dem Gelände eröffnete. Forschungs- und Ausgrabungsarbeiten an den Exekutionsplätzen fanden seit 1960 statt.
1984 erfolgte die Einweihung einer 32 Meter hohen Statue des Bildhauers Alfonsas Ambraziūnas, die den »Opfern des Faschismus« gewidmet ist. Die drei Skulpturengruppen symbolisieren Tod, Hoffnung und die Befreiung. 1991 enthüllte die Jüdische Gemeinde von Kaunas eine erste Stele zum Gedenken an die ermordeten Juden.
Die Dauerausstellungen im IX. Fort stellen unter anderem die Geschichte der Festungsanlage dar. Die stalinistische Diktatur und der nationalsozialistische Terror werden getrennt, aber in ähnlichem Umfang behandelt.
Vor der Skulptur befinden sich mehrere Gedenksteine, die an verschiedene Opfergruppen erinnern, darunter auch sowjetische Kriegsgefangene oder an Juden aus Frankreich und München. Am 25. November 2011 wurde eine weitere Gedenktafel in Erinnerung an die 1006 Berliner Juden eingeweiht, die 70 Jahre zuvor im IX. Fort ermordet wurden. Sie wurde von der Stadt Berlin, der Berliner Jüdischen Gemeinde und der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas gemeinsam gestiftet.
Im April 2018 wurde ein weiterer Gedenkstein feierlich eingeweiht. Er erinnert an 992 Juden aus Frankfurt und Umgebung, die ebenfalls im November 1941 im IX. Fort ermordet wurden.

Angebote

Führungen nach Voranmeldung, Hörführungen auf Litauisch, Englisch, Deutsch und Russisch

Öffnungszeiten

April bis Oktober mittwochs bis montags 10.00 bis 18.00, November bis März 10.00 bis 16.00

Kontakt

http://www.9fortomuziejus.lt/

muziejus@9fortomuziejus.lt

+370 (8) 373 777 50

Žemaičių pl. 73
47435 Kaunas