Museum für die Geschichte und Kultur der Bukowiner Juden

Чернівецький музей історії та культури євреїв Буковини


In Czernowitz (ukrainisch: Tscherniwzi, rumänisch: Cernăuţi), der Hauptstadt der historischen Region Bukowina, besteht seit 2008 das Museum für die Geschichte und Kultur der Bukowiner Juden. Das Museum erinnert an jüdische Kultur und jüdisches Leben in der Vielvölkerregion vor dem Zweiten Weltkrieg. Mindestens 45.000 Juden aus der Bukowina kamen ab 1941 durch Erschießungen, Zwangsarbeit und Deportation ums Leben.

Geschichte

Czernowitz war die Hauptstadt der historischen Region Bukowina und gehörte bis 1918 zu Österreich-Ungarn. Die Bukowina war der Inbegriff der Völkervielfalt in der Österreichisch-Ungarischen Monarchie. Diese Periode war gleichzeitig die Blütezeit jüdischen Lebens in Czernowitz, dessen sichtbarstes Zeichen die 1877 fertig gestellte prunkvolle Synagoge der Reformgemeinde war. In der Nähe der Synagoge im Zentrum der Stadt entstand 1908 das Jüdische Nationalhaus, in dem jüdische Institutionen untergebracht waren und das zugleich als Treffpunkt für kulturelle jüdische Veranstaltungen diente. Die Bukowina wurde nach dem Ersten Weltkrieg Rumänien zugesprochen. Nach dem Hitler-Stalin-Pakt besetzte die Sowjetunion 1940 den nördlichen Teil der Region, in dem auch Czernowitz liegt; Rumänien musste das Gebiet auf diplomatischen Druck des Deutschen Reichs an die Besatzer abtreten. Zu dieser Zeit lebten in Czernowitz nahezu 50.000 Juden, über ein Drittel der Bevölkerung. Nach dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion im Juni 1941, an dem auch die rumänische Armee teilnahm, fiel das Gebiet wieder an Rumänien. Unmittelbar nach den Armeen rückte das SS-Einsatzkommando 10b in Czernowitz ein, hunderte Juden wurden erschossen. Im Oktober 1941 ordnete der rumänische Diktator Ion Antonescu in Absprache mit deutschen Militärs an, die Juden aus der Bukowina in das Gebiet Transnistrien, den rumänisch besetzten Teil der Ukraine zu deportieren. Aus Czernowitz wurden bis November 1941 über 28.000 Juden über den Fluss Dnjestr nach Transnistrien verschleppt. Weitere Deportationen von mehreren tausend Juden aus Czernowitz folgten 1942. Nur wenige überlebten Zwangsarbeit, Terror und die unmenschlichen Bedingungen in den dortigen Lagern und Ghettos. Die in Czernowitz verbliebenen Juden mussten unter schwersten Bedingungen Zwangsarbeit leisten. Etwa 14.500 erlebten ihre Befreiung durch die Rote Armee im April 1944.

Opfergruppen

Etwa 90.000 Juden aus Bukowina wurden ab 1941 von rumänischen Militäreinheiten in die rumänisch besetzte Ukraine, das so genannte Transnistrien, deportiert. Etwa die Hälfte von ihnen konnte in ihre Heimat zurückkehren, während etwa 45.000 Juden in Transnistrien an Misshandlungen, Zwangsarbeit und den Lebensbedingungen im Ghetto starben.

Erfahre mehr über Ukraine

Die Ukraine, die zweitgrößte Republik der ehemaligen Sowjetunion, war einer der Hauptschauplätze des Zweiten Weltkriegs und des Holocaust. Die Zahl der ukrainischen Todesopfer wird auf fünf bis sechs Millionen Menschen geschätzt, darunter Hunderttausende Juden. Mitte September 1939, nach der sowjetischen Besetzung Ostpolens entsprechend einem deutsch-sowjetischen Geheimabkommen – dem Hitler-Stalin-Pakt –, kamen die südöstlichen Regionen Polens zur Sowjetukraine. Repressionen gegen die einheimische Bevölkerung gehörten fortan zum Alltag. Im Sommer 1941 traf der deutsche Angriff auf die Sowjetunion zunächst genau diese Gebiete. Schon in den ersten Tagen wurde die jüdische Bevölkerung als angebliche Stütze der Sowjetmacht Ziel blutiger Übergriffe. Sie gingen häufig von national gesinnten Ukrainern aus, die den Vormarsch der Wehrmacht zunächst begrüßten. Bald darauf begannen deutsche SS-Einsatzgruppen und verbündete rumänische Einheiten mit Massenerschießungen von Juden. Die Schlucht von Babij Jar (ukrainisch Babyn Jar) nahe Kiew, wo deutsche Einheiten und ukrainische Miliz an zwei Tagen im September 1941 mehr als 33.700 Juden ermordeten, ist heute ein weltweites Symbol für den Völkermord an den Juden. Auch die nichtjüdische Bevölkerung geriet ins Visier der Verfolger. In der nationalsozialistischen Rassenideologie galten Ukrainer wie alle »Slawen« als »Untermenschen«. Die Besatzer plünderten das Land, verschleppten weit über eine Million Zivilisten zur Zwangsarbeit und verübten öffentliche Geiselmorde. Ab 1943 tobte nicht nur ein Partisanenkrieg gegen die Wehrmacht, sondern auch der Kampf der nationalistischen »Ukrajinska Powstanska Armija« (Ukrainische Aufstandsarmee = UPA) gegen die Sowjets und die polnische Bevölkerung der Westukraine. Weit über 100.000 Polen fanden hierbei den Tod. 1944 wurde die Ukraine wieder sowjetisch und umfasst seitdem auch ehemals ostpolnische Regionen. Die UPA setzte ihren Kampf bis Mitte der 1950er Jahre fort. Die sowjetischen Behörden verschleppten rund 300.000 Ukrainer nach Sibirien, um diesen Widerstand zu brechen. Die Gedenkkultur war an der sowjetischen Symbolsprache ausgerichtet. Es entstanden monumentale Gedenkanlagen zur Feier des »Sieges« im Großen Vaterländischen Krieg. Erst in jüngerer Zeit trat neben die Heldenverehrung auch das Opfergedenken. In der Westukraine hat sich zudem eine Erinnerungskultur an den Kampf der UPA entwickelt, der als Unabhängigkeitskampf interpretiert wird. Eine Aufarbeitung der Kollaboration mit den deutschen Besatzern und des Antisemitismus hat erst um 2000 begonnen. Die Massenerschießungen an Juden wurden, mit wenigen Ausnahmen, bis in die 1980er Jahre übergangen. Erst die Regierung der unabhängigen Ukraine erkannte 1991 Babyn Jar als »Symbol jüdischen Märtyrertums« an. Die Ukraine war auch lange nach der Erlangung der Unabhängigkeit auf der Suche nach ihrer eigenen Identität. Die Dokumentation der sowjetischen Verbrechen – wie die staatlich herbeigeführte Hungerkatastrophe 1932/33 mit Millionen Toten (Holodomor) – hat größere Bedeutung als die Aufklärung über den Holocaust. Dennoch entstanden überall im Land neue Gedenkorte in Erinnerung an die ermordeten Juden, wie etwa die Gedenkstätte Drobizkij Jar in Charkiw oder das Holocaustmuseum in Odessa. An zahlreichen Massengräbern entstanden neue Denkmäler, teils mit Unterstützung aus Deutschland. In Kiew sollte bei der ehemaligen Massenerschießungsstätte Babyn Jar eine große Holocaustgedenkstätte mit weltweiter Ausstrahlung entstehen. Diese Pläne wurden mit dem großangelegten russischen Angriff auf die Ukraine vom 24. Februar 2022 auf Eis gelegt. Welche Auswirkungen der Verteidigungskrieg in Zukunft auf die Holocausterinnerung haben wird, bleibt abzuwarten.

Erinnerung

Das 1908 von Architekt Julius Bochner erbaute Jüdische Nationalhaus befand sich in unmittelbarer Nähe des Stadttheaters und der Handelskammer im Zentrum von Czernowitz. Das Gebäude, das vor allem Ort jüdischer Institutionen und als Kulturzentrum diente, war neben dem jüdischen Tempel Ausdruck des Selbstbewusstseins der Czernowitzer Juden. Ähnliche »Nationalhäuser« wurden zu Beginn des 20. Jahrhunderts auch von anderen Minderheiten eröffnet, sie drückten den selbstbewussten Wunsch nach Teilhabe am öffentlichen Leben aus. 1908 fand in eben jenem Jüdischen Nationalhaus die Internationale Konferenz für Jiddische Sprache statt.
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs fielen Czernowitz und Umgebung an die Ukraine, die als Sozialistische Sowjetrepublik der UdSSR angehörte. Das ehemalige Jüdische Nationalhaus wurde zu einem Kulturhaus der Textilarbeiter umfunktioniert. Erst in den 1990er Jahren konnte die Jüdische Gemeinde Czernowitz die Erlaubnis erlangen einige Räume in dem Gebäude zu nutzen. 2008 wurde in dem Gebäude ein kleines jüdisches Museum eingeweiht. Die Ausstellung zeigt vor allem jüdisches Leben und jüdische Kultur in der Bukowina während der Zeit Österreich-Ungarns.

Öffnungszeiten

Dienstag bis Freitag: 11.00 bis 15.00, Samstag: 11.00 bis 14.00, sonntags 10.00 bis 13.00

Kontakt

http://muzejew.org.ua

jm.chernivtsi@gmail.com

+38 0372 550 666

Teatralnaja Ploschtscha 5
58000 Czernowitz