Auf dem Grundstück der 1865 erbauten ehemaligen Synagoge von Elberfeld (heute ein Stadtteil von Wuppertal), besteht seit 1994 die »Begegnungsstätte Alte Synagoge Wuppertal«, die die Geschichte der Wuppertaler Juden dokumentiert. Nationalsozialisten legten am 10. November 1938 Feuer in der Synagoge, das Gebäude brannte bis auf die Grundmauern nieder.
Geschichte
Eine erste jüdische Gemeinde in Elberfeld entstand zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Zwar hatten einzelne Juden auch schon im 16. und 17. Jahrhundert im Ort gelebt, doch erst infolge der Preußischen Reformen von 1812, die Juden Handels- und Gewerbefreiheit zusicherte, konnte die Gemeinde wachsen. 1846 lebten bereits 92 Juden in Elberfeld. Die Gemeinde wuchs stetig an, schon 1871 hatte sie etwa 600 Mitglieder. 1863 erwarb die Jüdische Gemeinde das Grundstück in der Genügsamkeitstraße, auf dem sie 1865 ihre neue Synagoge einweihte. Die Zahl der Gemeindemitglieder stieg weiter: 1895 waren es etwa 1.200, 1925 verdoppelte sie sich auf etwa 2.300 Mitglieder. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten nahmen antisemitische Übergriffe auf Juden in Wuppertal, zu dem Elberfeld seit seiner Eingemeindung 1929 gehörte, zu. In der Nacht vom 9. zum 10. November 1938 überfielen Nationalsozialisten und ihre Sympathisanten Wuppertaler Juden, zerstörten ihre Geschäfte und steckten die Synagoge in der Genügsamkeitstraße in Brand. Sie brannte bis auf die Grundmauern ab. Mindestens 125 Wuppertaler Juden wurden nach Dachau verschleppt, nach einigen Wochen wurden sie wieder entlassen. Viele Juden wanderten in der Folge aus: Am 17. Mai 1939 lebten nur noch etwa 1.000 Juden in Wuppertal. Von 1941 bis 1944 deportierte die SS mehrere Hundert Wuppertaler Juden in Ghettos und Lager in deutsch besetzte Gebiete in Osteuropa.
Opfergruppen
Mindestens tausend Wuppertaler Juden wurden während des Holocausts deportiert. Wie viele von ihnen überlebten ist unklar.
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Deutschland
Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 begann die staatliche Verfolgung der Gegner des Regimes, von Juden, als »Zigeuner« bezeichneten Roma, Patienten sowie zahlreichen anderen Gruppen. Antisemitismus wurde erstmals Bestandteil der Regierungspolitik eines modernen Staates, die Verfolgung aller Gruppen schrittweise verschärft. Dabei griffen staatliche Verordnungen, Gewalttaten von Anhängern des Regimes und die Hetze der Presse ineinander. Der Terror gegen Juden im November 1938 (»Kristallnacht«) mit etwa hundert Toten bildete den Scheitelpunkt hin zur vollständigen Ausgrenzung und Ermordung der jüdischen Minderheit.
Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs im September 1939 gerieten weite Teile Europas unter deutsche Herrschaft. Insbesondere im Osten entstand ein vielgliedriges System von Lagern und Mordstätten, in dem die SS bis zu sechs Millionen Juden, unter ihnen etwa 165.000 deutsche Juden, ermordete. Die Zahl der übrigen Deutschen, die in Folge des Krieges ihr Leben verloren, wird auf etwa sieben Millionen geschätzt, darunter fast 3,5 Millionen Zivilisten. Etwa 28 Millionen Einwohner der besetzten Sowjetunion (Soldaten und Zivilbevölkerung) und drei Millionen nichtjüdische Polen kamen gewaltsam zu Tode; an sie wird in Deutschland bis heute kaum erinnert.
Deutschland wurde 1945 von den Alliierten besetzt; 1949 entstanden die Deutsche Demokratische Republik (DDR) und die Bundesrepublik Deutschland (BRD) mit sehr unterschiedlichen Gedenkkulturen. In der DDR dominierte die Selbstinterpretation als »antifaschistischer« deutscher Nachfolgestaat. Die Orte der ehemaligen Konzentrationslager (KZ) Buchenwald, Ravensbrück und Sachsenhausen wurden zu »Nationalen Mahn- und Gedenkstätten« und stellten vor allem den kommunistischen Widerstand dar.
In der Bundesrepublik dominierte zunächst die Erinnerung an die Opfer der alliierten Bombenangriffe, von Flucht und Vertreibung. Das Gedenken an die nationalsozialistische Verfolgung, den Holocaust oder den Widerstand war einzelnen Gruppen überlassen, Täter und Tatbeteiligungen – außerhalb juristischer Prozesse – kein Gegenstand öffentlicher Diskussion. Das änderte sich ab Mitte der 1960er Jahre, als nach intensiver Debatte die Verjährung für Mord aufgehoben wurde. Gleichzeitig entstanden Erinnerungsstätten an Orten ehemaliger KZ (1965: Dachau und Neuengamme; 1966: Bergen-Belsen) und die Gedenkstätte Deutscher Widerstand 1968 in West-Berlin. Erst in den 1980er Jahren entwickelte sich durch lokale Initiativen eine vielfältige, oft kleinteilige Erinnerungslandschaft.
Nach der Wiedervereinigung Deutschlands 1990 wurden eine gesamtstaatliche Gedenkstättenkonzeption entwickelt und Orte der Erinnerung umfangreich überarbeitet. Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin konnte 2005 der Öffentlichkeit übergeben werden. Eine umfangreiche Dokumentation der nationalsozialistischen Verbrechen und ihrer Täter, die Topographie des Terrors, wurde im Mai 2010 eröffnet; das Ausstellungszentrum »Flucht, Vertreibung, Versöhnung« folgte 2021. Mittlerweile erinnern zentrale Denkmäler in Berlin auch an weitere Opfergruppen: An die ermordeten Sinti und Roma, an die Opfer im Rahmen der NS-»Euthanasie« ermordeten Patienten und an die verfolgten Homosexuellen.
Die Opfer des nationalsozialistischen Terrors in den früheren Ostgebieten fielen nach Kriegsende einem doppelten Vergessen anheim. Die Erinnerung blieb für Jahrzehnte auf landsmannschaftliche Verbände in der BRD beschränkt und schloss die Zeit von 1933 bis 1945 meist aus. Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs nehmen sich jedoch deutsche, polnische, litauische und russische Initiativen auch dieses Teils der deutschen Vergangenheit an.
Erinnerung
Nach dem Krieg wurde das Grundstück, auf dem früher die Synagoge stand, lange Zeit als Parkplatz genutzt. 1962 wurde eine Bronzetafel mit dem Text angebracht: »Hier stand die Synagoge der jüdischen Gemeinde. Sie wurde am 9. November 1938 ein Opfer des Rassenwahns. Die Stadt Wuppertal 9. November 1962«. 1988 beschloss der Rat der Stadt auf dem Grundstück eine Gedenkstätte zu errichten, die 1994 als »Begegnungsstätte Alte Synagoge Wuppertal« eingeweiht wurde. Der Komplex besteht aus mehreren Teilen: Ein Teil ist wie die Fassade eines Mietshauses gestaltet und gleicht die natürliche Steigung der Straße aus. Auf der Grundfläche, die der untere Teil bildet, befinden sich die Gebäude der Begegnungsstätte. Auf dem Hof zeichnen Granitplatten den Grundriss der ehemaligen Synagoge nach, Teile der Grundmauern sind sogar noch zu erkennen. Daran schließt sich ein Obstgarten mit Apfelbäumen, die schräg an den Hang gepflanzt wurden. Eine Ausstellung dokumentiert die Geschichte der Wuppertaler Juden, zudem versteht sich die Einrichtung als Begegnungsstätte.