Museum der jüdischen Geschichte und Kultur in Belarus
Музей истории и культуры евреев Беларуси / Музей гісторыі і культуры яўрэяў Беларусі
Das 2002 eröffnete Museum informiert über jüdische Geschichte und Kultur auf dem Gebiet des heutigen Belarus.
Geschichte
Die ersten Juden siedelten sich im 14. Jahrhundert im heutigen Belarus an. Als sich das Russische Reich am Ende des 18. Jahrhunderts ausdehnte, fiel dieses Gebiet an den Zaren. Der westliche Teil des Reiches wurde zum Siedlungsgebiet für Juden, ausschließlich dort durften sie leben. Der erstarkende Antisemitismus und Pogrome drängten Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts viele Juden zur Auswanderung. Die Revolutionswirren 1917 und der darauf folgende Bürgerkrieg trafen die Juden besonders hart, da sie oft zwischen rivalisierende Gruppen gerieten. Später gehörte ein Teil dieses Gebiets Polen, ein anderes der Sowjetunion. In Polen genossen die Juden alle Bürgerrechte, ab 1935 gab es jedoch neue, antijüdische Gesetze. In der UdSSR hingegen waren Juden zwar gleichgestellt, die Ausübung ihrer Religion wurde im atheistischen Staat jedoch unterdrückt. Als die UdSSR 1939 gemäß des Stalin-Hitler-Pakts den östlichen Teil Polens annektierte, flohen zwar viele Juden aus dem von Deutschen besetzten Gebiet hierher, viele wurden jedoch vom stalinistischen Regime als Kapitalisten, Zionisten oder Gläubige verfolgt. Am Tag des deutschen Überfalls 1941 befanden sich in Belarus etwa 405.000 Juden. Der rasante Vorstoß der Wehrmacht ließ ihnen keine Chance zur Flucht. Bereits in den ersten Wochen ermordeten die Einsatzgruppen bis zu 40 Prozent der Juden in einigen Regionen, manchmal mit Hilfe der örtlichen Bevölkerung. Weitere solche »Aktionen« sowie die Errichtung von Ghettos und die darauf folgenden Deportation besiegelten die Vernichtung des belarussischen Judentums. Nach deutschen Angaben gab es Ende 1942 nur noch 30.000 Juden im Land. Viele von ihnen versteckten sich oder waren in der Partisanenbewegung aktiv. Nach dem Krieg, nunmehr als Bürger der UdSSR, litten Juden erneut unter Antisemitismus, viele wanderten aus. Erst nach dem Ende der UdSSR konnte sich die Gemeinde neu aufstellen und ihrer Toten öffentlich gedenken.
Opfergruppen
Einen besonderen Schwerpunkt der Museumsarbeit bildet das Schicksal der Juden von Belarus zur Zeit des Holocausts. Mindestens 60.000 Juden aus Minsk, und schätzungsweise 230.000 belarussische Juden insgesamt wurden ermordet, die meisten bei Massenerschießungen.
Erfahre mehr über
Belarus
Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs im September 1939 und dem Einmarsch der Roten Armee in Ostpolen kam der Nordosten des Landes zu Belarus als Teil der Sowjetunion. Im Sommer 1941 wurde dann ganz Belarus von deutschen Truppen erobert. Während der folgenden drei Jahre kam jeder vierte oder gar jeder dritte Einwohner gewaltsam ums Leben. Fast alle Städte des Landes wurden völlig zerstört. Wehrmacht oder SS brannten etwa 620 Dörfer, darunter Chatyn, systematisch samt ihren Einwohnern nieder. Malyj Trostenez, nahe der belarussichen Hauptstadt Minsk, war die größte Vernichtungsstätte auf dem Gebiet der besetzten Sowjetunion. Heute nimmt man an, dass mindestens 60.000 deutsche und einheimische Juden dort ermordet wurden. Für Minsk wird die Zahl der getöteten Juden auf bis zu 85.000 geschätzt, für das gesamte Gebiet auf 230.000. Belarus bildete von 1941 an mit über tausend aktiven Gruppen ein Hauptgebiet des sowjetischen Partisanenkampfes gegen die deutschen Besatzer. Ab Ende 1943 wurde das Land von der Roten Armee zurückerobert und galt im Sommer 1944 als vollständig von der deutschen Besatzung befreit. Das Land war weitestgehend verwüstet, das gesellschaftliche Gefüge erschüttert und die Menschen traumatisiert.
Belarus gehörte ab 1944 wieder zur Sowjetunion. Ein großer Teil der 1939 einverleibten polnischen Gebiete blieben Teil des Landes. In der staatlichen Erinnerungs- und Denkmalkultur des Landes dominierten nach Kriegsende der Tag der Befreiung des Landes am 3. Juli 1944 und der Tag des Sieges am 9. Mai 1945 als Ende eines »heldenhaften« Kampfes im Großen Vaterländischen Krieg. Von zentraler Bedeutung war stets auch die Erinnerung an den Partisanenkrieg. Im sowjetischen Staatsverband verzichtete man auf eine eigenständige Nennung des Massenmords an den Juden. Daher stellt ein Obelisk in der Erschießungsgrube am ehemaligen Minsker Ghetto, der »Jama«, eine Besonderheit auf dem Gebiet der damaligen Sowjetunion dar. Er wurde bereits 1946 errichtet und blieb für Jahrzehnte das einzige Denkmal mit einer jiddischen Aufschrift und direkter Nennung der ermordeten Juden. Ungewöhnlich ist auch die Erinnerungsstätte in Chatyn, wo im März 1943 153 Menschen bei lebendigem Leib verbrannt worden waren. 1969 entstanden, zeichnet sie sich durch Schlichtheit aus und verzichtet auf die sonst übliche Monumentalität, es stehen die menschliche Dimension des Grauens und das Leid der Opfer im Vordergrund.
Mit der Schaffung eines unabhängigen belarussischen Staates 1991 begann die Suche nach einer eigenen nationalen Identität. Hierbei spielen die Opferzahlen – insbesondere während des Zweiten Weltkrieges – eine entscheidende Rolle. Bewusst wird allerdings eine Unterscheidung zwischen dem Gebietstand vor und nach 1939 vermieden. Die Verbrechen der Stalinzeit, aber auch der Holocaust rückten ebenso in das Blickfeld, wurden aber aufgrund der vorhandenen Regierungsform nicht weitergehend öffentlich gemacht. Das staatliche Gedenken, das seinen Ausdruck auch im 2014 eröffneten, monumentalen Neubau des Museums der Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges findet, bleibt vom Kampf in den Jahren 1941 bis 1944 geprägt. Zugleich hat jedoch der Verband der jüdischen Gemeinden in Belarus inzwischen eine Reihe von Denkmälern für die Opfer des Massenmordes errichten lassen. Seit Anfang der 1990er Jahre haben mehrere deutsche Städte Stelen im Gedenken an die dorthin deportierten und getöteten Juden in Minsk errichtet; das Berliner Erinnerungszeichen wurde – vom Land Berlin und der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas finanziert – am 25. Juni 2009 feierlich eingeweiht. Auch eine würdige Gestaltung des Areals von Malyj Trostenez geht voran: seit 2015 erinnert eine Gedenkanlage an die Opfer. Ein zweiter Bauabschnitt wurde 2018 im Beisein der Staatspräsidenten Deutschlands, Österreichs und von Belarus eröffnet. An der Realisierung beteiligte sich auch die Bundesrepublik finanziell, wie auch an der Renovierung der Geschichtswerkstatt, die sich in einem historischen Gebäude auf dem Gebiet des ehemaligen Minsker Ghettos um die Dokumentation von Opferschicksalen kümmert.
Erinnerung
Erst nach dem Zusammenbruch der UdSSR konnte des Massenmords an den Juden öffentlich gedacht werden. Die meisten Initiativen dazu stammen von Einzelpersonen und privaten Organisationen. Das Jüdische Museum Minsk wurde 2002 von der belarussischen Historikerin Irina Gerassimowa gegründet und befindet sich im Gebäude der jüdischen Gemeinde. Es wird von dem »American Jewish Joint Distribution Committee« (kurz: JDC oder »Joint«) und der jüdischen Gemeinde Minsk unterstützt. Neben der Geschichte der Juden in Belarus zeigt das Museum regelmäßig Sonderaustellungen zu Themen wie jüdische Partisanen während des Krieges, das jüdische Theater oder traditionelle Synagogenarchitektur.
Angebote
Dauerausstellung, Sonderausstellungen zu Aspekten jüdischen Lebens in Belarus