Memoriale della Shoah di Milano

Memoriale della Shoah di Milano


Seit 2013 erinnert die Memoriale della Shoah am Mailänder Hauptbahnhof an die zwischen 1943 und 1945 von hier aus deportierten Juden.

Geschichte

Die Handels- und Industriemetropole Mailand ist nach Rom die zweitgrößte Stadt Italiens. Juden lebten in Mailand auch schon zur Zeit des Römischen Reiches, im Mittelalter wurden sie jedoch immer wieder vertrieben. Seit etwa Mitte des 19. Jahrhunderts bildete sich eine bürgerlich geprägte jüdische Gemeinde, die immer weiter anwuchs. Im 1861 gegründeten Königreich Italien genossen Juden volle Bürgerrechte. Um 1910 lebten bereits etwa 4.500 Juden in der Stadt, in den 1930er Jahren etwa 10.000. Zwischen 1939 und 1941 wanderten mehrere Tausend Mailänder Juden aus.
Am 10. September 1943 wurde Mailand von deutschen Truppen besetzt. Zu diesem Zeitpunkt lebten noch etwa 4.500 Juden in der Stadt. Etwa 1.500 von ihnen gelang die Flucht in die Schweiz.
Koordiniert vom Reichssicherheitshauptamt (RSHA) begann die Verfolgung der Juden im besetzten italienischen Gebiet gleich nach dem deutschen Einmarsch. Im Mailänder Gefängnis San Vittore richteten die Besatzer ein Sammellager für Juden ein. Zwischen dem 6. September 1943 und dem 15. Januar 1945 verließen insgesamt 15 Deportationszüge Mailand vom Hauptbahnhof aus. Die beiden ersten Transporte mit insgesamt fast 900 jüdischen Kindern, Frauen und Männern fuhren direkt ins Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau, ein weiterer Transport ins Konzentrationslager Bergen-Belsen. Die übrigen 12 Transporte fuhren in die beiden Polizeidurchgangslager Bozen (italienisch: Bolzano) und Fossoli, von wo sie meist nach wenigen Tagen zusammen mit anderen Häftlingen ebenfalls nach Auschwitz deportiert wurden.

Opfergruppen

Zwischen September 1943 und Januar 1945 deportierten die deutschen Besatzungsbehörden mehrere tausend Juden vom Mailänder Hauptbahnhof aus. Die genaue Zahl der Deportierten ist unklar.

Erfahre mehr über Italien

Das Königreich Italien wurde seit 1922 von Benito Mussolini (1883–1945), dem »Duce« (Führer), und seiner faschistischen Partei diktatorisch regiert. Bis Mitte der 1930er Jahre spielte Antisemitismus in der Öffentlichkeit kaum eine Rolle; diskriminierende Maßnahmen wurden erst 1938 eingeführt. Zu diesem Zeitpunkt lebten über 46.000 Juden in Italien. Das italienische Staatsgebiet umfasste damals auch die Halbinsel Istrien sowie einige heute griechische Inseln, darunter Rhodos mit seiner traditionsreichen jüdischen Gemeinde. Die italienische Regierung, enger Verbündeter des Deutschen Reiches, beteiligte sich bis zum Herbst 1943 nicht an Massendeportationen von Juden in deutsche Vernichtungslager. Erst als das Land von Norden her durch die deutsche Wehrmacht besetzt wurde – der Süden war bereits durch amerikanische und britische Truppen befreit –, begann der deutsche SS- und Polizeiapparat, den Plan der systematischen Ermordung der italienischen Juden umzusetzen. Über eine Zwischeninternierung wurden die Menschen durch halb Europa nach Auschwitz deportiert, viele von ihnen unmittelbar danach in die Gaskammern getrieben. Die Zahl der ermordeten oder gewaltsam zu Tode gekommenen Juden aus Italien (ohne die italienisch besetzten Gebiete) beträgt zwischen 7.000 und 8.500 Personen. Zehntausende italienische Juden und jüdische Flüchtlinge konnten sich durch Emigration retten oder versteckten sich mit Hilfe von Nichtjuden. Über 2.000 gerieten nicht mehr in den deutschen Machtbereich, weil sie in Süditalien rechtzeitig durch die Alliierten befreit wurden. Von 1943 bis 1945 kam es in Norditalien zu heftigen Kämpfen zwischen den deutschen Besatzern und italienischen Partisanen der kommunistisch dominierten Widerstandsbewegung »Resistenza«. Die deutschen Truppen reagierten mit grausamen Vergeltungsmaßnahmen und Massakern, zum Beispiel in Marzabotto und den Ardeatinischen Höhlen bei Rom. Insgesamt fanden während des Zweiten Weltkrieges über 400.000 Italiener – Soldaten, Zivilisten und Partisanen – den Tod. Nach Kriegsende wurde der Partisanenkampf zum zentralen Aspekt italienischen Selbstverständnisses und in der Erinnerungskultur zum Mythos der eigenen Befeiung vom Faschismus. Eine Auseinandersetzung mit der weitverbreiteten Unterstützung Mussolinis im eigenen Land unterblieb meist. Die bekannten Gedenkorte, wie das frühere Konzentrationslager Risiera di San Sabba bei Triest oder die Einrichtungen in Marzabotto und den Ardeatinischen Höhlen, sind – wie auch zahlreiche Museen – dem Widerstand gewidmet. Erinnerungsstätten auf dem Gelände früherer Internierungslager für Juden sind dagegen selten und gedenken eher der Retter als der Verfolgten, wie es die Villa Emma in Nonatola zeigt, in der versteckte jüdische Kinder überlebten. Die Ausrichtung auf Menschenrechtserziehung, die auf Gegenwart und Zukunft bezogen ist, stellt das Bindeglied vieler dieser Einrichtungen dar. Mittlerweile rückt die Erinnerung an die deportierten und ermordeten Juden mehr in den Vordergrund. 2013 eröffnete die Memoriale della Shoah di Milano am Mailänder Hauptbahnhof. Die Errichtung eines zentralen Holocaustdenkmals in Rom wurde 2023 beschlossen.

Erinnerung

Italien – und auch Mailand – tat sich lange Zeit schwer damit, an die verschleppten und ermordeten Juden zu erinnern. Die Mitwirkung von Italienern bei der Diskriminierung und der späteren Deportation der italienischen Juden wurde lange Zeit nicht thematisiert, diese galten als rein deutsche Verbrechen. Erst seit den 1990er Jahren gibt es öffentliche Debatten über die Mitverantwortung von Italienern für den Holocaust.
Jahrzehntelang kämpfte die jüdische Gemeinde von Mailand um einen Erinnerungsort für die aus Mailand deportierten Juden, aber erst mit der Forderung einer katholischen Gruppe nach einer solchen Gedenkstätte rückte die Verwirklichung der Pläne näher. 2007 sprach sich schließlich der damalige Staatspräsident – und ehemaliger Widerstandskämpfer – Giorgio Neapolitano für eine Gedenkstätte in Mailand aus.
Die Gedenkstätte wurde am sogenannten Gleis 21 des wegen seiner monumentalen Architektur berühmten Mailänder Bahnhofs eingerichtet. Das Gleis befindet sich in einem unterirdischen Depot, das früher als Umschlagplatz von Postsendungen benutzt wurde und von außen nicht einsehbar ist. Von diesem Depot aus wurden die Deportierten, die zuvor die mehrere Kilometer aus dem Gefängnis San Vittore zu Fuß bewältigen mussten , in die Züge getrieben und in die deutschen Lager abtransportiert.
Die im Jahr 2013 eingeweihte Gedenkstätte besteht aus mehreren Teilen. An einer Mauer sind Namen von Deportierten zu lesen. Auf dem Gleis stehen Frachtwaggons desselben Typs, der für die Deportationen benutzt wurden. Ein weiteres zentrales Element ist eine Mauer mit dem großen italienischen Schriftzug »Indifferenza« (deutsch: »Gleichgültigkeit«), die an die fehlende Solidarität seitens der italienischen Bevölkerung während des Holocaust erinnern soll. Des Weiteren bietet die Gedenkstätte einen Kinosaal und eine gut ausgestattete Bibliothek.

Angebote

Dauerausstellung, Bibliothek, pädagogische Angebote, Filmsaal

Öffnungszeiten

montags 9.30 bis 19.30
Dienstag bis Donnerstag 9.30 bis 14.30

Kontakt

http://www.memorialeshoah.it

coordinamento.memoriale@memorialeshoah.it

+39 (0) 02 282 0975

1, Piazza Edmond J. Safra
20125 Milano