Martyriumsmuseum Sonnenburg

Muzeum Martyrologii w Słońsku


Im kleinen, heute polnischen Dorf Sonnenburg (polnisch: Słońsk) nahe der Stadt Küstrin (polnisch: Kostrzyn nad Odrą) in der Neumark erinnert ein kleines Museum an das Schicksal der Häftlinge des Konzentrationslagers und Zuchthauses Sonnenburg und an die etwa 800 Häftlinge, die kurz vor der Ankunft der Roten Armee am 30. Januar 1945 ermordet wurden.

Geschichte

Im neumärkischen Sonnenburg wurde 1832/33 ein Zuchthaus als Königliche-Preußische Strafanstalt errichtet. Fast hundert Jahre später wurde das Gefängnis 1930 wegen der katastrophalen sanitären Bedingungen geschlossen. Die Wiedereröffnung des Gefängnisses veranlassten die Nationalsozialisten: Als nach dem Reichstagsbrand im Frühjahr 1933 massenhaft Kommunisten, Sozialdemokraten und weitere Gegner des NS-Regimes verhaftet wurden, waren die Berliner Gefängnisse schnell mit vielen Häftlingen gefüllt und überbelegt. Das Berliner Strafvollzugsamt entschied, das Zuchthaus Sonnenburg erneut zu nutzen, nun als »staatliches Konzentrationslager« der Berliner Polizei. Berliner SA-Männer misshandelten und folterten die über 1.200 Insassen in Sonnenburg. 1934 wurde das Konzentrationslager aufgelöst und wieder in ein Zuchthaus umgewandelt. In Sonnenburg wurden fortan Straftäter, aber politische Gefangene interniert, später auch Deserteure und Zwangsarbeiter, sowie Häftlinge aus Westeuropa, die nach dem »Nacht-und-Nebel-Erlass« vom Dezember 1941 in das Deutsche Reich deportiert wurden, weil sie Widerstand leisteten oder sich in den Augen der Besatzer strafbar gemacht hatten.
Wenige Tage, bevor die Rote Armee den Ort Sonnenburg einnehmen konnte, erschossen Gestapobeamte aus Frankfurt an der Oder unter dem Kommando von SS-Hauptsturmführer Wilhelm Nickel in der Nacht vom 30. auf den 31. Januar 1945 etwa 800 von den etwa 1.000 noch im Zuchthaus verbliebenen Häftlingen. Die Anordnung für die Massenerschießung kam von Herbert Klemm, Staatssekretär im Reichsjustizministerium. Nur drei Häftlinge überlebten das Massaker.

Opfergruppen

Die Häftlinge des KZ Sonnenburg waren Intellektuelle, Sozialdemokraten und Kommunisten aus Berlin, unter ihnen die Schriftsteller Carl von Ossietzky und Erich Mühsam sowie der NS-Gegner und Anwalt Hans Litten.
Nach der Schließung des Konzentrationslagers wurden neben politischen Gefangenen und Straftätern auch Häftlinge aus vielen Ländern Europas im Zuchthaus Sonnenburg inhaftiert, die sich als Zwangsarbeiter oder Zivilisten in besetzten Ländern »strafbar« gemacht hatten. Sie kamen vor allem aus Norwegen, Dänemark, Frankreich, den Niederlanden, Belgien sowie Luxemburg. Mehr als 800 Häftlinge erschossen Gestapobeamte vor dem Rückzug aus Sonnenburg. Unter den Opfern waren 91 sogenannte Zwangsrekrutierte aus Luxemburg, junge Männer, die sich der Einberufung in die deutsche Wehrmacht widersetzten. Damit war das Massaker von Sonnenburg gleichzeitig das größte einzelne Kriegsverbrechen an Luxemburgern.

Erfahre mehr über Polen

Mit dem Angriff auf Polen und der Besetzung des Landes durch deutsche Truppen im Westen und durch die Rote Armee im Osten begann im September 1939 der Zweite Weltkrieg. Unmittelbar nach dem Einmarsch setzten in beiden Teilungsgebieten Verfolgung und Terror ein. Deutsche Verbände verübten Massaker an Angehörigen der geistigen Eliten, jüdischen und nichtjüdischen Zivilisten sowie Patienten. Ab Ende 1939 errichtete die deutsche Verwaltung Ghettos, in denen die jüdische Bevölkerung unter elenden Bedingungen zusammengedrängt wurde. 1941, nach dem Angriff auf die Sowjetunion, geriet auch Ostpolen unter deutsche Herrschaft. SS-Einsatzgruppen ermordeten zunächst systematisch jüdische Männer, später auch Frauen und Kinder. Im Herbst 1941 begannen lokale deutsche Dienststellen im früheren Westpolen mit der Vorbereitung von Massentötungen jüdischer Ghettohäftlinge durch Giftgas. Bis 1945 wurden etwa drei Millionen polnische Juden in den Vernichtungsstätten Kulmhof, Belzec, Treblinka und Sobibor, in Majdanek und Auschwitz ermordet, verhungerten in den Ghettos oder wurden erschossen. 1943 erhoben sich die jüdischen Bewohner des Warschauer Ghettos zu einem Aufstand, den die SS blutig niederschlug. Polnische Soldaten kämpften auf Seiten der Alliierten an allen Fronten des Weltkriegs. Partisanengruppen, darunter die patriotische »Armia Krajowa« (Heimatarmee), bildeten die größte Widerstandsbewegung im besetzten Europa. Am 1. August 1944 begann der Warschauer Aufstand, die umfangreichste Erhebung von Zivilisten gegen die Deutschen im besetzten Europa. Er scheiterte, auch weil die Rote Armee – bereits am anderen Weichselufer stehend – nicht eingriff. Die Zahl der Toten wird auf bis zu 250.000 geschätzt. Insgesamt kamen etwa drei Millionen nichtjüdische Polen unter deutscher Besatzung gewaltsam zu Tode. Nachdem die Rote Armee bereits im Januar 1944 (ost-)polnischen Boden erreicht hatte, wurden die Truppen der Armia Krajowa vom sowjetischen Geheimdienst entwaffnet, ihre Offiziere erschossen oder verschleppt. Die Millionen Toten der Besatzungszeit, die dauerhafte Annexion Ostpolens durch die Sowjetunion, die Eingliederung ostdeutscher Gebiete und der daraus resultierende Bevölkerungsaustausch verursachten in Polen ein schweres politisches und gesellschaftliches Trauma. In der Erinnerungskultur stand das Gedenken an die Ermordung der europäischen Juden in deutschen Vernichtungslagern auf polnischem Boden zunächst im Hintergrund. So galt Auschwitz – im Ausland längst zum Symbol des Holocaust geworden – über Jahrzehnte vor allem als »Ort polnischen Martyriums«. Veränderungen gibt es allerdings seit Beginn des 21. Jahrhunderts. Dazu mögen auch die heftigen Debatten um den ostpolnischen Ort Jedwabne beigetragen haben. Das Massaker an etwa 340 Juden am 10. Juli 1941, das bis dahin »Gestapo und Hitler-Polizei« zugeschrieben worden war, hatten polnische »Nachbarn« ohne deutschen Zwang verübt. Die Diskussionen im In- und Ausland um eine polnische Mittäterschaft führten 2001 dazu, dass sich Staatspräsident Aleksander Kwaśniewski (*1954) bei den Opfern entschuldigte. Forderungen von Fachleuten, etwa aus dem Institut des Nationalen Gedenkens, sich den schwierigsten Kapiteln der Vergangenheit zu stellen, wurden lauter. Zu diesen zählen auch antijüdische Pogrome 1946/47 und der staatliche Antisemitismus im sozialistischen Nachkriegspolen. Der polnische Staat investiert sehr viel in Erinnerungspolitik, auch in Großprojekte mit internationaler Ausstrahlung. Das Museum des Warschauer Aufstandes wurde bereits 2004 eröffnet. Das POLIN Museum der Geschichte der polnischen Juden eröffnete auf dem Gebiet des ehemaligen Warschauer Ghettos 2013, ein Museum des Warschauer Ghettos soll 2024 folgen. In Danzig gibt es seit 2017 das Museum des Zweiten Weltkrieges. Die ehemaligen deutschen Vernichtungslager Belzec und Sobibor wurden nach der Jahrtausendwende in moderne Gedenkstätten umgewandelt. Auch in der Kultur ist eine immer intensivere Beschäftigung mit dem jüdischen und multikulturellen Erbe Polens zu beobachten.

Erinnerung

Sonnenburg, das sich nur wenige Kilometer östlich der Oder befindet, ist seit 1945 polnisch und trägt seitdem den Namen Słońsk. Für die Opfer des Massakers vom 30. Januar 1945 wurde kurz nach dem Krieg am Rande des Ortes ein Ehrenfriedhof eingerichtet.
Das Gebäude des Zuchthauses wurde abgerissen. Vor dem Gelände des ehemaligen Zuchthauses wurde 1974 ein kleines Museum errichtet, das die Geschichte des Konzentrationslagers und des Zuchthauses erzählt. Die Initiative dazu kam von der Gemeindeverwaltung, die Bauarbeiten wurden von Insassen der örtlichen Strafvollzugsanstalt ausgeführt. Das kleine Betongebäude hat den Grundriss eines Kreuzes in Form des polnischen Militärverdienstordens Virtuti Militari.
Das Museumsgebäude wurde in einem grenzüberschreitenden deutsch-polnischen Projekt und mit Mitteln der Europäischen Union renoviert und im Oktober 2014 wiedereröffnet. Die neue, zweisprachige Dauerausstellung mit vielen multimedialen Elementen entstand ebenfalls in deutsch-polnischer Zusammenarbeit: Auf deutscher Seite waren die Gedenkstätte Seelower Höhen sowie die Berliner »Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten e.V.« (VVN-BdA) an der Umsetzung beteiligt. Gleichzeitig wurde vor dem Gebäude ein neues Denkmal in Form eines Kreuzes eingeweiht. An der Mauer hinter dem Kreuz befindet sich die polnische Inschrift: »Den Opfern des Lagers und Zuchthauses Sonnenburg«.
Die nahegelegene Mauer, an der das Massaker im Januar 1945 begangen wurde, ist bis heute von Einschusslöchern übersät. Da sie sich auf dem Gelände eines Sägewerks befindet, ist sie nicht öffentlich zugänglich.

Angebote

Dauerausstellung

Öffnungszeiten

Mittwoch bis Sonntag 11.00 bis 16.00, Eintritt frei, Führung nach vorheriger Anmeldung möglich

Kontakt

http://www.muzeum.slonsk.pl

muzeum@slonsk.pl

+48 (0)505 536 306

ul. 3 Lutego 54
66-436 Słońsk