Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma

Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma Heidelberg


In Heidelberg informiert das 1997 eröffnete Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma über die 600jährige Geschichte und Kultur dieser Minderheit in Deutschland. Einen zentralen Stellenwert in der Ausstellung nimmt der nationalsozialistische Völkermord an den Sinti und Roma ein, dem etwa 500.000 Menschen in Europa zum Opfer fielen.

Geschichte

Sinti und Roma leben seit etwa 600 Jahren in Deutschland. Sinti wanderten im Mittelalter in den deutschsprachigen Raum ein, Roma werden die nach Osteuropa eingewanderten Angehörigen der Minderheit genannt. Die verschiedenen Gruppen der Sinti und Roma gehören alle zum Volk der Roma – sie sprechen verschiedene Formen der Sprache Romanes. In Deutschland – aber auch anderswo – wurden die Angehörigen dieser Minderheit seit vielen Jahrhunderten als »Zigeuner« mit Vorurteilen belegt, diskriminiert und verfolgt. In der Weimarer Republik wurden Sinti und Roma verfolgt und von der Polizei überwacht. Die Nationalsozialisten verschärften nach ihrer Machtübernahme 1933 die Maßnahmen gegen »Zigeuner«: Ab 1934 wurden viele Angehörige dieser Minderheit zwangssterilisiert, ab 1935 richtete die Polizei in immer mehr deutschen Städten Zwangslager für sie ein. Kurz vor den Olympischen Spielen in Berlin 1936 sperrte die Polizei Hunderte Sinti und Roma in ein Zwangslager in Berlin-Mahrzahn ein. Im gleichen Jahr schufen die Nationalsozialisten ein rassistisches Sonderrecht, das für die »Zigeuner« Eheverbote sowie Ausschluss aus Berufen und der Wehrmacht bedeutete. Nach dem deutschen Angriff auf Polen 1939 plante die SS die Deportation der deutschen Sinti und Roma in das Generalgouvernement im besetzten Polen. Etwa 2.500 Männer, Frauen und Kinder wurden 1940 in Konzentrationslager und Ghettos transportiert. Im Dezember 1942 ordnete Heinrich Himmler die Deportation aller im Reich verbliebenen Sinti und Roma nach Auschwitz-Birkenau an. Zehntausende Sinti und Roma aus ganz Europa wurden in das Vernichtungslager transportiert und dort ermordet.

Opfergruppen

Die Anzahl der als »Zigeuner« verfolgten Menschen, die im nationalsozialistischen Herrschaftsbereich dem Völkermord zum Opfer fielen, wird sich wohl nie genau bestimmen lassen. Schätzungen reichen bis zu 500.000 Männern, Frauen und Kinder, die an ihren Heimatorten oder in Ghettos, Konzentrations- und Vernichtungslagern ermordet wurden. Von der Verfolgung waren auch Angehörige der eigenständigen Opfergruppe der Jenischen und andere Fahrende betroffen.

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Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 begann die staatliche Verfolgung der Gegner des Regimes, von Juden, als »Zigeuner« bezeichneten Roma, Patienten sowie zahlreichen anderen Gruppen. Antisemitismus wurde erstmals Bestandteil der Regierungspolitik eines modernen Staates, die Verfolgung aller Gruppen schrittweise verschärft. Dabei griffen staatliche Verordnungen, Gewalttaten von Anhängern des Regimes und die Hetze der Presse ineinander. Der Terror gegen Juden im November 1938 (»Kristallnacht«) mit etwa hundert Toten bildete den Scheitelpunkt hin zur vollständigen Ausgrenzung und Ermordung der jüdischen Minderheit. Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs im September 1939 gerieten weite Teile Europas unter deutsche Herrschaft. Insbesondere im Osten entstand ein vielgliedriges System von Lagern und Mordstätten, in dem die SS bis zu sechs Millionen Juden, unter ihnen etwa 165.000 deutsche Juden, ermordete. Die Zahl der übrigen Deutschen, die in Folge des Krieges ihr Leben verloren, wird auf etwa sieben Millionen geschätzt, darunter fast 3,5 Millionen Zivilisten. Etwa 28 Millionen Einwohner der besetzten Sowjetunion (Soldaten und Zivilbevölkerung) und drei Millionen nichtjüdische Polen kamen gewaltsam zu Tode; an sie wird in Deutschland bis heute kaum erinnert. Deutschland wurde 1945 von den Alliierten besetzt; 1949 entstanden die Deutsche Demokratische Republik (DDR) und die Bundesrepublik Deutschland (BRD) mit sehr unterschiedlichen Gedenkkulturen. In der DDR dominierte die Selbstinterpretation als »antifaschistischer« deutscher Nachfolgestaat. Die Orte der ehemaligen Konzentrationslager (KZ) Buchenwald, Ravensbrück und Sachsenhausen wurden zu »Nationalen Mahn- und Gedenkstätten« und stellten vor allem den kommunistischen Widerstand dar. In der Bundesrepublik dominierte zunächst die Erinnerung an die Opfer der alliierten Bombenangriffe, von Flucht und Vertreibung. Das Gedenken an die nationalsozialistische Verfolgung, den Holocaust oder den Widerstand war einzelnen Gruppen überlassen, Täter und Tatbeteiligungen – außerhalb juristischer Prozesse – kein Gegenstand öffentlicher Diskussion. Das änderte sich ab Mitte der 1960er Jahre, als nach intensiver Debatte die Verjährung für Mord aufgehoben wurde. Gleichzeitig entstanden Erinnerungsstätten an Orten ehemaliger KZ (1965: Dachau und Neuengamme; 1966: Bergen-Belsen) und die Gedenkstätte Deutscher Widerstand 1968 in West-Berlin. Erst in den 1980er Jahren entwickelte sich durch lokale Initiativen eine vielfältige, oft kleinteilige Erinnerungslandschaft. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands 1990 wurden eine gesamtstaatliche Gedenkstättenkonzeption entwickelt und Orte der Erinnerung umfangreich überarbeitet. Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin konnte 2005 der Öffentlichkeit übergeben werden. Eine umfangreiche Dokumentation der nationalsozialistischen Verbrechen und ihrer Täter, die Topographie des Terrors, wurde im Mai 2010 eröffnet; das Ausstellungszentrum »Flucht, Vertreibung, Versöhnung« folgte 2021. Mittlerweile erinnern zentrale Denkmäler in Berlin auch an weitere Opfergruppen: An die ermordeten Sinti und Roma, an die Opfer im Rahmen der NS-»Euthanasie« ermordeten Patienten und an die verfolgten Homosexuellen. Die Opfer des nationalsozialistischen Terrors in den früheren Ostgebieten fielen nach Kriegsende einem doppelten Vergessen anheim. Die Erinnerung blieb für Jahrzehnte auf landsmannschaftliche Verbände in der BRD beschränkt und schloss die Zeit von 1933 bis 1945 meist aus. Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs nehmen sich jedoch deutsche, polnische, litauische und russische Initiativen auch dieses Teils der deutschen Vergangenheit an.

Erinnerung

Die Ermordung der europäischen Sinti und Roma spielte in der öffentlichen Diskussion lange eine untergeordnete Rolle. Erst im 1982 sprach Bundeskanzler Helmut Schmidt vom Völkermord. Zuvor hatten sich viele deutsche Sinti und Roma zu einer Bürgerrechtsbewegung zusammengeschlossen, sie gründeten im Februar 1982 den Zentralrat Deutscher Sinti und Roma. Zu Beginn der 1990er Jahre konnte der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma ein historisches Gebäude in Heidelberg beziehen. Mit Unterstützung der Stadt Heidelberg wurde das Gebäude zum Dokumentations- und Kulturzentrum deutscher Sinti und Roma ausgebaut. Nach mehrjährigen Baumaßnahmen wurde der Gebäudekomplex mit der weltweit ersten Dauerausstellung zum Völkermord an den Sinti und Roma am 16. März 1997 im Rahmen eines Festaktes eröffnet. Die Schwerpunkte der Ausstellung liegen auf der Vermittlung der über 600jährigen Geschichte und Kultur der Sinti und Roma in Deutschland sowie in der Aufklärung über die Verfolgung und Ermordung der Sinti und Roma im Nationalsozialismus.

Angebote

Pädagogische Angebote, Veranstaltungsprogramm, Führungen

Öffnungszeiten

Dienstag: 09.30 bis 19.45
Mittwoch, Donnerstag, Freitag: 09.30 bis 16.30
Samstag und Sonntag: 11.00 bis 16.30
Montag und an gesetzlichen Feiertagen geschlossen

Kontakt

http://www.sintiundroma.de

info@sintiundroma.de

+49 (0)6221 981 102

Bremeneckgasse 2
69117 Heidelberg