Am Ufer der Donau erinnert ein Denkmal aus metallenen Schuhen an Budapester Juden, die von Anhängern der ungarischen Pfeilkreuzlerpartei 1944/45 ermordet wurden.
Geschichte
Im März 1944 marschierte die deutsche Wehrmacht im verbündeten Ungarn ein. Bald darauf begannen Deportationen im ganzen Land. Nach den Plänen der Besatzer sollten die Juden in Budapest erst deportiert werden, nachdem der Rest des Landes bereits »judenfrei« war. Zur vollständigen Deportation der Budapester Juden kam es jedoch nicht mehr: Anfang Juli 1944 ließ Staatschef Miklós Horthy die Deportationen stoppen, bevor wenige Wochen später die militärische Lage eine Massenverschleppung mit der Eisenbahn nach Auschwitz ohnehin technisch unmöglich machte. Dennoch blieb es für die Juden in Budapest äußerst gefährlich: Zehntausende wurden verhaftet und auf Todesmärschen in Richtung Deutsches Reich zur Zwangsarbeit getrieben. Juden mussten zudem in »Judenhäuser« umziehen. Diese über das gesamte Stadtgebiet verteilten Gebäude waren mit gelben Sternen gekennzeichnet und völlig überfüllt.
Am 16. Oktober 1944 zwangen die deutschen Besatzer Horthy zum Rücktritt und brachten die nationalsozialistische Pfeilkreuzlerpartei an die Macht. Ihre Anhänger begannen sofort damit, Juden zu schikanieren und in großer Zahl zu ermorden. Häufig wurden ganze Gruppen am Flussufer aufgereiht und »in die Donau geschossen«.
Anfang November erreichte die sowjetische Armee Budapest, eine dreimonatige Belagerungsschlacht begann. Für Ende November ordneten die Pfeilkreuzler an, dass alle Juden in ein Ghetto umziehen mussten. Willkürliche Morde an Juden waren bis zur Befreiung des Ghettos am 18. Januar 1945 weiterhin an der Tagesordnung. Zudem starben im Ghetto Tausende an den Folgen der Belagerung der Stadt: durch Granateneinschläge, Kälte und Hunger.
Opfergruppen
Die Mordaktionen der Pfeilkreuzler an Budapester Juden waren unkoordiniert und willkürlich. Die Zahl der Opfer kann nur geschätzt werden. Historiker gehen davon aus, dass die etwa 4.000 bewaffneten Anhänger der Pfeilkreuzler für etwa 8.000 Morde an Juden in Budapest verantwortlich waren.
Nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg und dem Zerfall der Österreichisch-Ungarischen Doppelmonarchie musste Ungarn 1920 zwei Drittel seines Staatsgebietes und sechzig Prozent seiner Bevölkerung an seine Nachbarstaaten abtreten. Diese Verluste traumatisierten das Land und führten dazu, dass sich Ungarn unter seinem Staatschef Nikolaus von (Miklós) Horthy (1868–1957) ab 1937 allmählich dem nationalsozialistischen Deutschen Reich annäherte. Es gelang Ungarn in mehreren Schritten, sein Staatsgebiet zwischen 1938 und 1941 fast zu verdoppeln. Im März 1944 war das Land angesichts der vorrückenden Roten Armee kurz davor, sich von Deutschland abzuwenden und wurde deshalb von der Wehrmacht besetzt. Horthy blieb zunächst Staatsoberhaupt. Unter Mithilfe der ungarischen Verwaltung begann die SS beinahe sofort mit Deportationen von Juden in das Vernichtungslager Auschwitz, die Ungarn trotz antijüdischer Gesetze zuvor noch verweigert hatte. Von den etwa 825.000 Juden aus »Groß-Ungarn« wurden weit über eine halbe Million Menschen dort ermordet, allein bis zu 300.000 kamen aus den Regionen des heutigen Ungarn. Darüber hinaus fanden um die 140.000 Soldaten sowie etwa 170.000 nichtjüdische Zivilisten den Tod.
Nach 1945 war Ungarn Teil der sowjetischen Einflusssphäre. Bis 1989 erinnerte das offizielle Ungarn nicht an den Krieg, sondern an sein Ende – als »Befreiung vom Faschismus«. Die Mehrheit der Bevölkerung dagegen empfand das Jahr 1945 als Beginn einer langen Unterdrückung. Der niedergeschlagene Volksaufstand von 1956 hat die Erinnerungen vieler Ungarn an den Zweiten Weltkrieg überdeckt. Der Krieg galt fortan als unrühmliche Vorgeschichte zum Leiden unter kommunistischer Herrschaft. Unterdessen zelebrierten zahlreiche staatliche Denkmäler die »ungarisch-sowjetische Freundschaft«. Zu kommunistischer Zeit wurde offiziell kaum an die Menschen erinnert, die während des Krieges an der Front, in der Heimat und während des Völkermordes umgekommen waren. Orte des Gedenkens an den Holocaust existierten außerhalb von jüdischen Institutionen nicht; allein das 1932 eingeweihte Jüdische Museum Budapest wurde bereits 1947 wiedereröffnet. 1985 richtete die jüdische Gemeinde Budapest neben der großen, am Rande des ehemaligen Ghettos stehenden Synagoge einen »Raoul-Wallenberg-Gedenkpark« ein. 1987, in unmittelbarem Zusammenhang mit einer Reise des kommunistischen Staatschefs János Kádár (1912–1989) nach Schweden, entstand schließlich ein staatliches Denkmal für Wallenberg (*1912–?), der als schwedischer Gesandter Tausenden Budapester Juden das Leben rettete, 1945 von der sowjetischen Besatzungsmacht verschleppt wurde und seither verschollen ist. Dieses Denkmal markierte einen Wendepunkt nach einem jahrzehntelangen Verschweigen des Holocaust. Erst zur Jahrtausendwende entstanden in ganz Ungarn zahlreiche Holocaustdenkmäler und -gedenkstätten. Hierzu gehört das Denkmal »Schuhe am Donauufer« in Budapest, das am 16. April 2005 – dem 2000 eingeführten ungarischen Holocaustgedenktag – eingeweiht wurde. Es erinnert an die Ermordung von bis zu 20.000 Juden aus dem Budapester Ghetto im Januar 1945 durch »Pfeilkreuzler«, Angehörige einer rechtsradikalen Partei, die am 15. Oktober 1944 die Macht in Ungarn übernommen hatte. Ein nationales Holocaustmuseum wurde 2004 in der Hauptstadt eröffnet. Erinnerungszeichen für andere Opfer gibt es bislang allerdings kaum. Sinnbildhaft für den Umgang des postkommunistischen Ungarn mit seiner Vergangenheit im 20. Jahrhundert ist das viel diskutierte »Haus des Terrors«, das – 2002 im Zentrum Budapests eröffnet – die Geschichte »beider totalitärer Diktaturen« behandelt. Die Mitwirkung von Ungarn bei der Deportation ihrer jüdischen Mitbürger tritt dabei oft in den Hintergrund.
Erinnerung
Das Denkmal ist ein Gemeinschaftswerk des Filmemachers Can Togay und des bildenden Künstlers Gyula Pauer. Es wurde am 16. April 2005 eingeweiht, am offiziellen Holocaust-Gedenktag Ungarns.
Das Denkmal befindet sich auf der Pester Seite der Donau auf dem Abschnitt zwischen Kettenbrücke und Parlamentsgebäude und besteht aus 60 Paar Schuhen aus Gusseisen, die an die Mode der 1940er Jahre erinnern. Die Inschrift auf den Gedenktafeln in den Sprachen Ungarisch, Englisch und Hebräisch lautet: »Im Gedenken an die Opfer, die 1944/45 von bewaffneten Pfeilkreuzlern in die Donau geschossen wurden«.
Öffnungszeiten
Das Denkmal ist jederzeit zugänglich.
Kontakt
bpjewmus@visio.c3.hu
+36 (0)1 342 894 -9
id. Antall József rakpart
1054 Budapest