Erinnerung an Aleksandr Petscherski in Rostow am Don

Память Александра Печерскиего


Aleksandr Petscherski (1909–1990) war 1943 Anführer des Aufstands im Vernichtungslager Sobibor (polnisch: Sobibór). In seiner Heimat Russland wird in den letzten Jahren vermehrt seiner Person gedacht.

Geschichte

Aleksandr Petscherski wurde 1909 in Krementschuk in der heutigen Ukraine geboren. Mit sechs Jahren zogen er und seine Familie nach Rostow am Don im Süden Russlands. Dort studierte er Musik und Theaterwissenschaften und leitete später verschiedene Kultureinrichtungen.
Nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 wurde Petscherski Soldat der Roten Armee. Zwei Monate später fiel er in deutsche Kriegsgefangenschaft. In den folgenden Monaten war er in mehreren Kriegsgefangenenlagern inhaftiert und erkrankte an Typhus. Nach überstandener Krankheit versuchte er zu fliehen, erfolglos. Nachdem die Deutschen von Petscherskis jüdischer Herkunft erfuhren, verschleppten sie ihn im August 1942 zunächst nach Minsk und danach in das Vernichtungslager Sobibor in der Nähe der polnischen Stadt Lublin. Dort wurde er zusammen mit anderen sowjetischen Kriegsgefangenen zur Zwangsarbeit eingeteilt. Unter den Häftlingen bildete sich eine Widerstandsgruppe heraus, zu deren Führung Petscherski bald gehörte. Am Nachmittag des 14. Oktober 1943 brach der von langer Hand geplante Aufstand aus, an dem sich etwa 600 Häftlinge beteiligten. Über 300 von ihnen gelang die Flucht. Die meisten wurden bald danach wieder gefangengenommen und ermordet, aber 42 erlebten noch das Ende des Krieges. Unter den Überlebenden war auch Aleksandr Petscherski, der sich bis zu den sowjetischen Partisanen durchschlug und im Sommer 1944 erneut Soldat der Roten Armee wurde. Er erlitt eine Schussverletzung und kehrte anschließend nach Rostow zurück.

Opfergruppen

Angehörige der SS ermordeten bis zu 250.000 jüdische Kinder, Frauen und Männer im Vernichtungslager Sobibor, die genaue Zahl der Opfer ist unbekannt. Am von Aleksandr Petscherski angeführten Aufstand und Massenausbruch beteiligten sich etwa 600 Arbeitshäftlinge. Etwa 300 gelang die Flucht, die meisten wurden wieder gefasst und ermordet. 42 von ihnen erlebten das Ende des Krieges.

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In der Russischen Föderation ist der 9. Mai – der Gedenktag an den Sieg der Sowjetunion im Großen Vaterländischen Krieg gegen den »Hitlerfaschismus« – der bedeutendste Feiertag, der aus der sowjetischen Vergangenheit übernommen wurde. Am 23. August 1939 hatte die Sowjetunion unter Josef Stalin (1878–1953) zunächst einen »Nichtangriffspakt« mit dem Deutschen Reich geschlossen. Beide Regime verständigten sich darin über ihre »Interessensphären« in Ostmitteleuropa und beschlossen unter anderem die gemeinsame Teilung Polens. Ab dem 22. Juni 1941 marschierten die deutsche Wehrmacht und ihre Verbündeten in sowjetisches Territorium ein. Bei Kriegsende 1945 waren auf dem besetzten sowjetischen Gebiet nach neueren Schätzungen insgesamt bis zu 28 Millionen Tote in Armee und Bevölkerung zu beklagen. Die sowjetische Erinnerungskultur ist im heutigen Russland wieder dominierend. Ihre Sinnbilder – wie die monumentalen Denkmäler in Sankt Petersburg oder Wolgograd – sind noch immer beliebt und weiterhin Schauplatz großer Gedenkveranstaltungen am 9. Mai. Diese Erinnerungsstätten sind allerdings weniger Orte der Trauer und des Totengedenkens als vielmehr der Heldenverehrung. Der Opfer wurde lange Zeit gar nicht, später als »Opfer des Faschismus« gedacht. Die Wirkungsmacht dieser Sicht auf die Vergangenheit lässt sich beispielhaft am Konflikt um eine 1995 aufgestellte Skulptur vor dem Museum des Großen Vaterländischen Kriegs in der Hauptstadt Moskau ablesen. Das Denkmal »Tragödie der Völker« ist den etwa zwanzig Millionen zivilen Opfer der Jahre 1941 bis 1944 in der Sowjetunion gewidmet und sollte einen Wendepunkt in der Erinnerungskultur Russlands markieren. Nach heftiger Kritik an der auch in der Bevölkerung als zu pessimistisch empfundenen Aussage musste das Denkmal hinter das Gebäude versetzt werden. Zugleich gab es aber auch nichtstaatliche Menschenrechtsorganisationen wie »Memorial«, die sich mit verdrängten Kapiteln der Geschichte beschäftigten, wie mit den Gefangenen der Roten Armee und Zwangsarbeitern im Zweiten Weltkrieg. Sie galten nach ihrer Rückkehr als Verräter, wurden pauschal der Kollaboration mit den Deutschen verdächtigt und erneut in Lagern inhaftiert. Auch im Rahmen des staatlich-offiziellen Gedenkens gab es immer wieder engagierte lokale Kulturämter, die besondere Denkmäler und eine die Opfer einbeziehende Gedenkkultur durchsetzten. Dass an einigen Orten, häufig mit geringsten finanziellen Mitteln, kleine Erinnerungsstätten entstanden sind, ist oft auch dem Engagement von Privatpersonen oder von jüdischen Gemeinden zu verdanken. Etwa 100.000 sowjetische Juden auf dem Gebiet der heutigen Russischen Föderation waren nach 1941 vor allem Massenerschießungen der SS-Einsatzgruppen und ihrer Helfer zum Opfer gefallen. Zu Sowjetzeiten wurde an sie als »friedliche Bürger« erinnert. Erst seit Anfang der 1990er Jahre ging man dazu über, an offiziellen Denkmälern zusätzliche Tafeln anzubringen und die jüdischen Opfer zu benennen oder durch eine Übersetzung der Inschrift ins Hebräische ins Gedächtnis zu rufen. In Ansätzen gab es auch russische Forschung zum Holocaust. 2012 eröffnete in Moskau das auch von internationalen Experten anerkannte Jüdische Museum und Toleranzzentrum. Gleichzeitig wurde das politische Regime in Russland immer nationalistischer, in der Staatspropaganda dominiert ein offen revisionistisches Geschichtsnarrativ, das mit dem Angriffskrieg gegen die Ukraine noch aggressiver wurde. Währenddessen wurden wichtige zivilgesellschaftliche Organisationen, darunter auch »Memorial«, massiv unterdrückt.

Erinnerung

Petscherski veröffentlichte seine Erinnerungen an den Aufstand von Sobibor bereits 1945. Er hielt Kontakt zu anderen Überlebenden des Aufstands im Ausland und erhielt deswegen 1948 Berufsverbot in seiner sowjetischen Heimat. Erst nach Stalins Tod 1953 durfte er wieder als Kunstlehrer arbeiten. In der Sowjetunion wurde er nie offiziell geehrt. Bis Ende der 1980er Jahre erhielt er auch keine Ausreiseerlaubnis, obwohl er immer wieder ins Ausland eingeladen worden war. Selbst als 1989 der US-amerikanische Film »Flucht aus Sobibor« Premiere hatte, weigerten sich die sowjetischen Behörden, ihm ein Ausreisevisum auszustellen. Er starb 1990 in seiner Heimatstadt Rostow.
Petscherski wird postum immer stärker geehrt, mittlerweile auch in seiner russischen Heimat. 2010 wurde in Rostow eine Gedenktafel an seinem ehemaligen Wohnhaus angebracht. Sein Grabstein wurde 2012 ein neues aus schwarzem Granit ersetzt, das sein Porträt zeigt.
Polen ehrte ihn offiziell 2014, die Russische Föderation 2016. Um die Erinnerungsarbeit kümmert sich hauptsächlich die seit 2012 existierende Stiftung »Aleksandr Petscherski«. 2014 wurde zu seinen Ehren ein Stern auf einem Rostower Boulevard enthüllt.
Am 22. Februar 2018, dem Geburtsdatum Petscherksis, weihte die Stiftung »Aleksandr Petscherski« gemeinsam mit der Russischen Bahn und der Russischen Militärhistorischen Gesellschaft einen Zug zu seinen Ehren am Kasaner Bahnhof in Moskau ein. In den Waggons erzählt eine Ausstellung vom Aufstand in Sobibor und von Petscherkis Leben.
Am 24. April 2018 wurde ein neues Denkmal zu Ehren Petscherskis eingeweiht: Auf dem einem etwa zwei Meter hohen Sockel mit vier eingravierten Inschriften thront eine Büste Petscherskis. Das Denkmal steht neben dem Gymnasium No.52, wo sich auch das Museum »Antifaschist« befindet, das an Überlebende von Konzentrationslagern erinnert.
Im Mai 2018 feierte der russische Spielfilm »Sobibor« Premiere, dessen Hauptfigur Aleksandr Petscherski ist.

Öffnungszeiten

Das Denkmal ist zu den Öffnungszeiten des Friedhofs zugänglich.

Kontakt

http://pechersky.org

Uliza Mentschikowa Nr. 61
344012 Rostow am Don