Denkmäler in Erinnerung an die Leningrader Blockade entlang der »Straße des Lebens«
Памятники на »Дороге Жисни«
Mehrere Dutzend, teilweise monumentale Denkmäler erinnern in der Umgebung von Sankt Petersburg an die Blockade Leningrads, wie die Stadt damals hieß. Viele davon befinden sich an der »Straße des Lebens«, durch die die Stadt während der Blockade versorgt worden war.
Geschichte
Vom 8. September 1941 bis zum 27. Januar 1944 dauerte die Blockade von Leningrad durch die deutsche Wehrmacht. Die gesamte Stadt war von Versorgung und Nachschub abgeschnitten, unzählige Menschen verhungerten und verdursteten in den fast 900 Tagen der Belagerung. Die Tötung der Zivilbevölkerung durch Aushungern war von Anfang an Strategie der Verantwortlichen der Wehrmacht und sollte eine Eroberung der Stadt vorbereiten.
Nur ein einziger Weg verband Leningrad mit der Außenwelt: die schon während des Krieges so genannte Straße des Lebens. Schiffe mit Proviant an Bord versorgten die Stadt über den Ladogasee. Auf dem Rückweg evakuierten sie Bewohner. Als der See zufror, übernahmen Schlittenzüge und Lastwagen die Versorgung.
Opfergruppen
Von den drei Millionen Einwohnern der Stadt vor Kriegsausbruch, erlebten 700.000 die Befreiung im Januar 1944. Etwa 1,4 Millionen Menschen konnten über den Ladogasee evakuiert werden.
Zwischen 800.000 und 1,2 Millionen Einwohner fanden während der Blockade der Stadt den Tod. Sie verhungerten, verdursteten, fielen Krankheit oder Kälte zum Opfer. Etwa 18.000 Menschen starben bei Luftangriffen und durch Granatenbeschuss.
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Russische Föderation
In der Russischen Föderation ist der 9. Mai – der Gedenktag an den Sieg der Sowjetunion im Großen Vaterländischen Krieg gegen den »Hitlerfaschismus« – der bedeutendste Feiertag, der aus der sowjetischen Vergangenheit übernommen wurde. Am 23. August 1939 hatte die Sowjetunion unter Josef Stalin (1878–1953) zunächst einen »Nichtangriffspakt« mit dem Deutschen Reich geschlossen. Beide Regime verständigten sich darin über ihre »Interessensphären« in Ostmitteleuropa und beschlossen unter anderem die gemeinsame Teilung Polens. Ab dem 22. Juni 1941 marschierten die deutsche Wehrmacht und ihre Verbündeten in sowjetisches Territorium ein. Bei Kriegsende 1945 waren auf dem besetzten sowjetischen Gebiet nach neueren Schätzungen insgesamt bis zu 28 Millionen Tote in Armee und Bevölkerung zu beklagen.
Die sowjetische Erinnerungskultur ist im heutigen Russland wieder dominierend. Ihre Sinnbilder – wie die monumentalen Denkmäler in Sankt Petersburg oder Wolgograd – sind noch immer beliebt und weiterhin Schauplatz großer Gedenkveranstaltungen am 9. Mai. Diese Erinnerungsstätten sind allerdings weniger Orte der Trauer und des Totengedenkens als vielmehr der Heldenverehrung. Der Opfer wurde lange Zeit gar nicht, später als »Opfer des Faschismus« gedacht. Die Wirkungsmacht dieser Sicht auf die Vergangenheit lässt sich beispielhaft am Konflikt um eine 1995 aufgestellte Skulptur vor dem Museum des Großen Vaterländischen Kriegs in der Hauptstadt Moskau ablesen. Das Denkmal »Tragödie der Völker« ist den etwa zwanzig Millionen zivilen Opfer der Jahre 1941 bis 1944 in der Sowjetunion gewidmet und sollte einen Wendepunkt in der Erinnerungskultur Russlands markieren. Nach heftiger Kritik an der auch in der Bevölkerung als zu pessimistisch empfundenen Aussage musste das Denkmal hinter das Gebäude versetzt werden.
Zugleich gab es aber auch nichtstaatliche Menschenrechtsorganisationen wie »Memorial«, die sich mit verdrängten Kapiteln der Geschichte beschäftigten, wie mit den Gefangenen der Roten Armee und Zwangsarbeitern im Zweiten Weltkrieg. Sie galten nach ihrer Rückkehr als Verräter, wurden pauschal der Kollaboration mit den Deutschen verdächtigt und erneut in Lagern inhaftiert. Auch im Rahmen des staatlich-offiziellen Gedenkens gab es immer wieder engagierte lokale Kulturämter, die besondere Denkmäler und eine die Opfer einbeziehende Gedenkkultur durchsetzten. Dass an einigen Orten, häufig mit geringsten finanziellen Mitteln, kleine Erinnerungsstätten entstanden sind, ist oft auch dem Engagement von Privatpersonen oder von jüdischen Gemeinden zu verdanken. Etwa 100.000 sowjetische Juden auf dem Gebiet der heutigen Russischen Föderation waren nach 1941 vor allem Massenerschießungen der SS-Einsatzgruppen und ihrer Helfer zum Opfer gefallen. Zu Sowjetzeiten wurde an sie als »friedliche Bürger« erinnert. Erst seit Anfang der 1990er Jahre ging man dazu über, an offiziellen Denkmälern zusätzliche Tafeln anzubringen und die jüdischen Opfer zu benennen oder durch eine Übersetzung der Inschrift ins Hebräische ins Gedächtnis zu rufen. In Ansätzen gab es auch russische Forschung zum Holocaust. 2012 eröffnete in Moskau das auch von internationalen Experten anerkannte Jüdische Museum und Toleranzzentrum. Gleichzeitig wurde das politische Regime in Russland immer nationalistischer, in der Staatspropaganda dominiert ein offen revisionistisches Geschichtsnarrativ, das mit dem Angriffskrieg gegen die Ukraine noch aggressiver wurde. Währenddessen wurden wichtige zivilgesellschaftliche Organisationen, darunter auch »Memorial«, massiv unterdrückt.
Erinnerung
In den 1950er Jahren entstand die Idee, in der Umgebung Leningrads eine Serie von Denkmälern zu errichten, die an die Blockade Leningrads, an die Kämpfe und an die Versorgung der Stadt über den Ladogasee erinnern sollten. Die meisten dieser etwa 80 Denkmäler wurden zwischen 1964 und 1968 aufgestellt. Der Komplex, entlang des ehemaligen Blockaderinges errichtet, erhielt den Namen »Grüner Gürtel des Ruhmes«.
Als Teil dieses Komplexes entstanden an der »Straße des Lebens« unter anderem drei monumentale Denkmäler. Am Westufer des Ladogasees, beim Waganowskij-Abstieg, steht seit 1966 »Der Aufgebrochene Ring«: Zwei weiße Halbbogen symbolisieren den gesprengten Blockadering, im Beton sind Reifenspuren eines Lastwagens eingeprägt.
Etwa 20 Kilometer weiter östlich, beim Dorf Kornewo, steht das Denkmal »Katjuscha«. Fünf schräg in den Himmel ragende Metallschienen stellen die Rohre einer »Katjuscha« – auf der deutschen Seite auch »Stalinorgel« genannt – dar, als Symbol für die Raketenwerferbatterie, die zur Sicherung der »Straße des Lebens« dort stationiert worden war.
15 Kilometer weiter östlich, kurz vor den Toren der Stadt, entstand 1968 die monumentale Plastik »Blume des Lebens«. Sie soll an die Kinder erinnern, die während der Blockade Leningrads ums Leben kamen. Um das Denkmal herum wurden 900 Birken gepflanzt, als Symbol für die 900 Tage andauernde Belagerung. Inmitten dieser Bäume stehen seit 1975 Steintafeln, auf denen Auszüge aus dem Blockadetagebuch der damals elfjährigen Tanja Sawitschewa zu lesen sind. Tanja verlor ihre gesamte Familie während der Blockade und starb kurze Zeit nach der Befreiung an den Folgen des Hungers.