Erinnerung an die ermordeten Juden von Gorodeja

Мемориал жертвам Городейского гетто / Мемарыял ахвярам Гарадзенскага гета


Im belarussischen Gorodeja erinnert seit 2004 eine Gedenkstätte an etwa 1.140 Juden, die während der Massenerschießung am 17. Juli 1942 ermordet wurden.

Geschichte

Gorodeja (belarussisch: Haradseja, polnisch: Horodziej), etwa 90 Kilometer südwestlich von Minsk gelegen, wurde 1530 das erste Mal namentlich erwähnt. Ende des 19. Jahrhunderts stellten im Dorf die etwa 690 Juden die Mehrheit, 1921 stieg die Zahl auf 800. Die Siedlung gehörte vor dem Zweiten Weltkrieg zu Polen und wurde im September 1939 gemäß dem Hitler-Stalin-Pakt sowjetisch.
Ende Juni 1941 marschierte die deutsche Wehrmacht nach ihrem Angriff auf die Sowjetunion in Gorodeja ein. Die Besatzungsbehörden stellten eine lokale Hilfspolizei auf, die später aktiv an der Ermordung der Juden teilnahm. Wenige Tage später wurden 15 Juden ermordet, denen vorgeworfen wurde, die Sowjets unterstützt zu haben. Die anderen Juden, mehrere hundert Personen, wurden gezwungen, in einem aus wenigen Häusern bestehenden Ghetto auf engstem Raum zu leben. Das Ghetto war mit Stacheldraht umzäunt und streng bewacht.
Am 17. Juli 1942 trieben Mitglieder der lokalen Hilfspolizei alle Juden des Ghettos auf dem Hauptplatz Gorodejas zusammen. Wer den Befehl nicht befolgte, wurde mit Gewalt aus den Häusern gezerrt. Danach erschien ein deutsches Sonderkommando, das aus 50 Mitgliedern der SS bestand. Sie trieben die Juden in die Nähe eines christlichen Friedhofs im Norden der Stadt und erschossen sie dort Die jüdische Gemeinde Gorodejas war ausgelöscht.

Opfergruppen

Mitglieder der SS ermordeten am 17. Juli 1942 mithilfe der lokalen Hilfspolizei etwa 1.140 Juden des Dorfes Gorodeja. Sie erschossen die Juden an zuvor ausgehobenen Gruben und verscharrten sie dort. Laut dem Bericht der sowjetischen Untersuchungskommission, die nach dem Ende der Besatzung vor Ort war, gelang es einer Frau, sich zusammen mit ihrem Kind aus der Grube zu retten.

Erfahre mehr über Belarus

Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs im September 1939 und dem Einmarsch der Roten Armee in Ostpolen kam der Nordosten des Landes zu Belarus als Teil der Sowjetunion. Im Sommer 1941 wurde dann ganz Belarus von deutschen Truppen erobert. Während der folgenden drei Jahre kam jeder vierte oder gar jeder dritte Einwohner gewaltsam ums Leben. Fast alle Städte des Landes wurden völlig zerstört. Wehrmacht oder SS brannten etwa 620 Dörfer, darunter Chatyn, systematisch samt ihren Einwohnern nieder. Malyj Trostenez, nahe der belarussichen Hauptstadt Minsk, war die größte Vernichtungsstätte auf dem Gebiet der besetzten Sowjetunion. Heute nimmt man an, dass mindestens 60.000 deutsche und einheimische Juden dort ermordet wurden. Für Minsk wird die Zahl der getöteten Juden auf bis zu 85.000 geschätzt, für das gesamte Gebiet auf 230.000. Belarus bildete von 1941 an mit über tausend aktiven Gruppen ein Hauptgebiet des sowjetischen Partisanenkampfes gegen die deutschen Besatzer. Ab Ende 1943 wurde das Land von der Roten Armee zurückerobert und galt im Sommer 1944 als vollständig von der deutschen Besatzung befreit. Das Land war weitestgehend verwüstet, das gesellschaftliche Gefüge erschüttert und die Menschen traumatisiert. Belarus gehörte ab 1944 wieder zur Sowjetunion. Ein großer Teil der 1939 einverleibten polnischen Gebiete blieben Teil des Landes. In der staatlichen Erinnerungs- und Denkmalkultur des Landes dominierten nach Kriegsende der Tag der Befreiung des Landes am 3. Juli 1944 und der Tag des Sieges am 9. Mai 1945 als Ende eines »heldenhaften« Kampfes im Großen Vaterländischen Krieg. Von zentraler Bedeutung war stets auch die Erinnerung an den Partisanenkrieg. Im sowjetischen Staatsverband verzichtete man auf eine eigenständige Nennung des Massenmords an den Juden. Daher stellt ein Obelisk in der Erschießungsgrube am ehemaligen Minsker Ghetto, der »Jama«, eine Besonderheit auf dem Gebiet der damaligen Sowjetunion dar. Er wurde bereits 1946 errichtet und blieb für Jahrzehnte das einzige Denkmal mit einer jiddischen Aufschrift und direkter Nennung der ermordeten Juden. Ungewöhnlich ist auch die Erinnerungsstätte in Chatyn, wo im März 1943 153 Menschen bei lebendigem Leib verbrannt worden waren. 1969 entstanden, zeichnet sie sich durch Schlichtheit aus und verzichtet auf die sonst übliche Monumentalität, es stehen die menschliche Dimension des Grauens und das Leid der Opfer im Vordergrund. Mit der Schaffung eines unabhängigen belarussischen Staates 1991 begann die Suche nach einer eigenen nationalen Identität. Hierbei spielen die Opferzahlen – insbesondere während des Zweiten Weltkrieges – eine entscheidende Rolle. Bewusst wird allerdings eine Unterscheidung zwischen dem Gebietstand vor und nach 1939 vermieden. Die Verbrechen der Stalinzeit, aber auch der Holocaust rückten ebenso in das Blickfeld, wurden aber aufgrund der vorhandenen Regierungsform nicht weitergehend öffentlich gemacht. Das staatliche Gedenken, das seinen Ausdruck auch im 2014 eröffneten, monumentalen Neubau des Museums der Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges findet, bleibt vom Kampf in den Jahren 1941 bis 1944 geprägt. Zugleich hat jedoch der Verband der jüdischen Gemeinden in Belarus inzwischen eine Reihe von Denkmälern für die Opfer des Massenmordes errichten lassen. Seit Anfang der 1990er Jahre haben mehrere deutsche Städte Stelen im Gedenken an die dorthin deportierten und getöteten Juden in Minsk errichtet; das Berliner Erinnerungszeichen wurde – vom Land Berlin und der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas finanziert – am 25. Juni 2009 feierlich eingeweiht. Auch eine würdige Gestaltung des Areals von Malyj Trostenez geht voran: seit 2015 erinnert eine Gedenkanlage an die Opfer. Ein zweiter Bauabschnitt wurde 2018 im Beisein der Staatspräsidenten Deutschlands, Österreichs und von Belarus eröffnet. An der Realisierung beteiligte sich auch die Bundesrepublik finanziell, wie auch an der Renovierung der Geschichtswerkstatt, die sich in einem historischen Gebäude auf dem Gebiet des ehemaligen Minsker Ghettos um die Dokumentation von Opferschicksalen kümmert.

Erinnerung

Die Rote Armee befreite Gorodeja am 4. Juli 1944.
Das erste Denkmal, das an die Opfer der Massenerschießung erinnerte, wurde erst 1990 in der Nähe des Friedhofs errichtet.
Am 18. Juli 2004 wurde eine neue Gedenkstätte eingeweiht. Sie befindet sich an der Massenerschießungsstätte und wurde nach den Plänen des Architekten Leonid Lewin (1936–2014) entworfen. Das Hauptelement ist eine gepflasterte Fläche, die ein zerstörtes jüdisches Haus nachahmt. In die Fassade sind drei verbogene Fensterbögen eingelassen. Ein 150 Meter langer Pfad, der von 1.137 Felsbrocken gesäumt wird, weist den Weg zum Massengrab. Die Zahl der Steine entspricht der Anzahl der ermordeten Juden. Die Steine wurden von den Einwohnern der umliegenden Dörfer zusammengetragen. Am Anfang des Pfades befindet sich ein Gedenkstein mit der belarussischen Inschrift, die den Architekten Lewin wie folgt zitiert: »An dieser Stelle am 17. Juli 1942 ermordeten die Faschisten 1.137 friedliche Bürger der Dorfes Haradseja, Opfer des Holocausts«. Leonid Lewin wirkte bereits 1969 an der Nationalen Gedenkstätte Chatyn und 2000 an der Erweiterung des Minsker Denkmals »Jama« mit. Das Denkmal in Gorodeja gilt als eines der bedeutendsten Denkmäler für die Opfer des Holocaust in Belarus.

Öffnungszeiten

Das Denkmal ist jederzeit zugänglich.

Kontakt


222610 Gorodeja