Das Jüdische Historische Institut in Warschau ist zugleich Forschungsinstitut, Archiv, Bibliothek und Museum. Das 1947 gegründete Institut beherbergt das Ringelblum-Archiv, das Untergrundarchiv des Warschauer Ghettos, welches 1999 in das Weltdokumentenerbe der UNESCO aufgenommen wurde.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich Warschau zur bedeutendsten Metropole des Judentums in Zentral- und Osteuropa. In der Hauptstadt des damaligen Königreichs Polen, einem Vasallenstaat Russlands, etablierten sich die Juden zunehmend nicht nur als zahlenmäßig bedeutsame, sondern auch als wirtschaftlich, kulturell und gesellschaftlich relevante Bevölkerungsgruppe. Damit einher ging die Gründung bürgerlicher Institutionen wie des Instituts für Judaistik und der Hauptbibliothek der Judaistik. Deren Sitz befand sich im heutigen Gebäude des Jüdischen Historischen Instituts direkt neben der 1943 zerstörten Großen Synagoge in der Tłomackie-Straße.
Entscheidend für die Bedeutung des Jüdischen Historischen Instituts waren die Kriegsjahre unter deutscher Besatzung. Nach dem Überfall der Wehrmacht auf Polen begannen die Nationalsozialisten 1940 mit der Errichtung des Warschauer Ghettos. Auf einer Fläche von nur 2,4 Prozent des Stadtgebiets wurde die jüdische Bevölkerung eingesperrt. Etwa ein Viertel der Bewohner starb direkt im Ghetto, während die meisten Juden ab 1942 in das Vernichtungslager Treblinka verschleppt und dort ermordet wurden. Um das Leben im Ghetto und die Verbrechen der Nationalsozialisten zu dokumentieren, begann der Historiker Emanuel Ringelblum (1900–1944) bereits 1939 mit dem Sammeln von Materialien für ein Ghetto-Archiv. In den Jahren bis 1943 schlossen sich ihm etwa 60 Mitstreiter an. Zusammen arbeiteten sie unter dem Decknamen Oneg Schabbat (jiddisch auch: Oyneg Shabbes; »Freude am Schabbat«) an dem Archiv. Angesichts der Massendeportationen im Sommer 1942 beschloss Oneg Schabbat, das bis dahin gesammelte Material zu verstecken.
Nach Kriegsende initiierte Rachel Auerbach, eine der nur drei Überlebenden von Oneg Schabbat, die Suche nach den versteckten Beständen des Archivs. 1946 wurden zwei Milchkannen und 1950 zehn Metallkisten mit Tausenden von Dokumenten gefunden. Dies war die Grundlage für die Zentrale Jüdische Historische Kommission, die sich 1947 in Jüdisches Historisches Institut umbenannte.
Neben Warschauer Juden mussten etwa 50.000 Juden aus dem Umland in das Ghetto ziehen. Zudem überstellten deutsche Behörden tausende Juden aus Böhmen und dem deutschen Reichsgebiet und mehrere Gruppen von Sinti und Roma aus Rumänien, Bulgarien und Ungarn in das Warschauer Ghetto. Etwa 100.000 Juden starben an Hunger oder Krankheiten im Ghetto als Folge der gezielten Unterversorgung.
Während der systematischen Deportationen der »Großen Aktion« vom 22. Juli bis zum 12. September 1942 wurden etwa 254.000 Juden in das Vernichtungslager Treblinka deportiert und dort in den Gaskammern ermordet.
In den Kämpfen des Warschauer Ghettoaufstandes kamen etwa 12.000 Juden um, darunter fast alle Aufständischen. Viele wurden bei gezielten Häusersprengungen oder auf den systematisch in Brand gesetzten Straßen von SS-, Polizei- und Wehrmachtseinheiten ermordet. Zudem erschossen deutsche Einheiten Juden, die sich ergaben oder aus den brennenden Häusern flüchteten. Etwa 7.000 Überlebende des Aufstandes wurden nach Treblinka und über 40.000 in verschiedene Arbeitslager des Distrikts Lublin deportiert.
Nur wenige jüdische Kämpfer entkamen nach dem Aufstand, viele von ihnen schlossen sich Partisanengruppen oder dem polnischen Widerstand an.
Von den insgesamt etwa 500.000 Juden, die im Warschauer Ghetto gewesen waren, erlebten nur einige Tausend das Ende des Krieges.
Emanuel Ringelblum wurde am 7. März 1944 mit seiner Frau, seinem kleinen Sohn und anderen Untergetauchten in seinem Versteck gefunden. Einige Tage später wurden alle, zusammen mit den polnischen Beschützern, im Warschauer Pawiak-Gefängnis von Deutschen erschossen.
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In der Nachkriegszeit verließen viele der überlebenden Juden Polen. Antijüdische Einstellungen blieben weit verbreitet, und vielerorts im Land kam es in den unmittelbaren Nachkriegsjahren zu antijüdischer Gewalt, so etwa beim Pogrom von Kielce im Juli 1946. Zwei Jahrzehnte später, im Zuge einer von der kommunistischen Führung im Jahr 1968 angezettelten antisemitischen Kampagne, sah sich die Mehrheit der in Polen lebenden Juden gezwungen, das Land zu verlassen. Danach lebten nur noch sehr wenige Juden in Polen, sodass organisiertes jüdisches Leben bis zum Ende der kommunistischen Diktatur fast vollständig zum Erliegen kam. Umso größer ist die Bedeutung des Jüdischen Historischen Instituts in Warschau für die Erinnerung an den Holocaust und die Bewahrung des kulturellen Erbes der polnischen Juden. Trotz großer Widerstände in den drei Jahrzehnten nach 1968 gelang es dem Institut, sich zu erhalten und das Ringelblum-Archiv - Oneg Schabbat - zu sichern. Heute untersteht das Jüdische Historische Institut Emanuel Ringelblum dem Ministerium für Kultur und Nationales Erbe und seine Aktivitäten werden aus dem Staatshaushalt sowie durch Zuwendungen von Stiftungen und privaten Spendern finanziert.
Dem Jüdischen Historischen Institut ist es gelungen, das Ringelblum-Archiv vollständig zu veröffentlichen. Es ist damit eine der weltweit wichtigsten Quellen für die Holocaust-Forschung. Darüber hinaus beherbergt das Institut eine Dauerausstellung sowie Wechselausstellungen zum Warschauer Ghetto und zum jüdischen Leben in Polen. Der Name der Hauptausstellung »Was wir nicht in die Welt hinausschreien konnten« geht auf die Worte des damals 19-jährigen Mitglieds der Gruppe Oneg Schabbat, Dawid Graber, zurück, der diesen Satz in seinem Testament niederschrieb. Heute umfasst die Bibliothek des Jüdischen Historischen Instituts mehr als 70.000 Bände und mehrere tausend Manuskripte. Die ältesten stammen aus dem frühen Mittelalter.
Dauerausstellung und wechselnde Ausstellungen, Führungen durch die Ausstellungen und thematische Stadtführungen, pädagogische Angebote für alle Altersgruppen, Archiv, Online-Bibliothek, Buchhandlung, Publikationen
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