Museum des Rigaer Ghettos und des Holocaust in Lettland

Rīgas geto un Latvijas Holokausta muzejs


In der lettischen Hauptstadt Riga mussten etwa 30.000 Juden ab Oktober 1941 in einem abgesperrten Ghetto leben. Die SS ermordete die Juden Rigas wenig später und deportierte Juden aus dem Deutschen Reich in das Rigaer Ghetto. Seit 2010 erinnert das Ghettomuseum an das Ghetto und das Schicksal seiner Bewohner.

Geschichte

Etwa 40.000 Juden lebten in der lettischen Hauptstadt Riga vor dem Zweiten Weltkrieg. 1940 besetzte die Sowjetunion Lettland. Nachdem sich die Rote Armee im Juli 1941 vor der herannahenden Wehrmacht zurückgezogen hatte, begrüßten viele Letten die Deutschen als Befreier. Lettische Nationalisten entfachten brutale Pogrome gegen Juden, die sie als Kollaborateure der Sowjets ansahen, hunderte Juden kamen dabei um. Zusammen mit der Wehrmacht war das SS-Einsatzkommando (EK) 2 eingerückt. Die SS-Männer führten das Morden fort: Sie erschossen mehrere tausend jüdische Männer aus Riga und Umgebung im Wald von Biķernieki außerhalb der Stadt. Zur gleichen Zeit planten Wehrmacht und SS die Juden Rigas in einem großen Ghetto zu sammeln: Auf Befehl der Besatzungsbehörden mussten alle Juden ab Mitte August 1941 in das Ghetto umziehen. Es wurde im besonders heruntergekommenen Stadtteil »Moskauer Vorstadt« eingerichtet, in dem viele Arme und Juden lebten. In diesem überwiegend aus Holzhäusern bestehenden Stadtviertel gab es weder Sanitäranlagen noch Wasserleitungen. Bis Ende Oktober siedelten etwa 30.000 in das Ghetto um, danach riegelte die Wehrmacht den Bezirk ab. Die Bewachung übernahmen lettische Hilfspolizisten. Juden durften das Ghetto nur zum Arbeiten verlassen, der Kontakt zwischen Juden und Letten war strengstens verboten. Einen Monat später befahl der Höhere SS- und Polizeiführer Friedrich Jeckeln, die »Moskauer Vorstadt« bis Ende November zu räumen und alle Insassen zu ermorden. SS-Männer erschossen die Juden Rigas in zwei großen »Aktionen« im Wald von Rumbula. In das leer geräumte Ghetto deportierte die SS ab Dezember 1941 etwa 25.000 deutsche, österreichische und tschechische Juden. Anfang 1942 ermordeten SS-Leute und lettische Helfer tausende von ihnen im Wald Biķernieki. Die überlebenden 12.000 Juden mussten bis zur Auflösung des Ghettos im November 1943 Zwangsarbeit leisten.

Opfergruppen

Nach den Pogromen und den Mordaktionen der Einsatzgruppen an jüdischen Männern waren es vor allem Alte, Frauen und Kinder, die bis Oktober 1941 in das große Rigaer Ghetto zogen. Von den etwa 30.000 Insassen waren etwa 8.200 Männer, 15.700 Frauen und 5.600 Kinder unter 14 Jahren. Nahezu alle Rigaer Juden wurden später von SS-Männern und ihren Helfern ermordet. Die 1942 noch lebenden etwa 12.000 deutschen Juden im Ghetto von Riga wurden 1943 nach der Auflösung des Ghettos in das Konzentrationslager Kaiserwald bei Riga verschleppt. Ihr weiteres Schicksal ist ungewiss.
Fast alle, etwa 70.000 lettische Juden kamen durch die Verfolgung der Nationalsozialisten und ihrer lettischen Helfer ums Leben.

Erfahre mehr über Lettland

1940 wurde das seit 1918 unabhängige Lettland gemäß einem deutsch-sowjetischen Vertrag – dem so genannten Hitler-Stalin-Pakt – von der Roten Armee besetzt. Am 22. Juni 1941, als deutsche Truppen die Sowjetunion angriffen, lebten noch etwa 70.000 Juden im Land. Über 23.000 waren – wie Zehntausende andere Letten – kurz zuvor vom sowjetischen Geheimdienst NKWD nach Sibirien verschleppt worden oder hatten in das Landesinnere fliehen können. Der kämpfenden Wehrmacht folgte die SS-Einsatzgruppe A, die unter aktiver Beihilfe von Angehörigen des lettischen »Selbstschutzes« zwischen Juli und Anfang Dezember 1941 etwa 30.000 Juden erschoss. Die Ortskommandanturen der Wehrmacht richteten noch im Spätsommer 1941 zwei Ghettos ein: in der Hauptstadt Riga mit 30.000 und in Dünaburg (Daugavpils) mit 14.000 jüdischen Häftlingen. In zwei großen Massenerschießungen Ende 1941 im Wald von Rumbula bei Riga ermordeten deutsche und lettische Sondereinheiten 25.500 Juden aus dem dortigen Ghetto. Das leergeräumte »Große Ghetto« in Riga war ab Dezember 1941 Ziel von Deportationszügen mit 25.000 deutschen, österreichischen und tschechischen Juden. Anfang 1942 fanden erneut Massenerschießungen im Wald von Bikernieki bei Riga statt, denen Tausende Juden zum Opfer fielen. Bis Kriegsende kamen 95 Prozent der jüdischen Vorkriegsbevölkerung Lettlands und etwa 120.000 nichtjüdische Zivilisten gewaltsam zu Tode. Mit der Rückeroberung Lettlands durch die Rote Armee 1944 wurde das Gebiet erneut Teilrepublik der Sowjetunion. Es entstanden zahlreiche Denkmäler zur Erinnerung an den »Sieg« im »Großen Vaterländischen Krieg«. Erst 1990/91 erkämpfte Lettland seine staatliche Unabhängigkeit von Moskau auch gegen sowjetische Panzer. Anschließend wurden viele sowjetische Monumente abgebaut, die jahrzehntelange Besatzung und der Widerstand rückten ins Zentrum der nationalen Erinnerung. Die Annexion Lettlands durch die Sowjetunion 1940/41 sowie 1944 bis 1990 und die deutsche Besetzung wurden gleichgesetzt; wie in Litauen und Estland Okkupationsmuseen eingerichtet, deren inhaltlicher Schwerpunkt die Jahre des sowjetischen Terrors ist. Während des Krieges hatten um die 160.000 Letten – freiwillig oder gezwungen – in der Lettischen Legion der Waffen-SS gedient und waren bei Massenerschießungen, Brandschatzungen und der Bewachung von Lagern, aber auch im Krieg und gegen Partisanen eingesetzt. Zu sowjetischen Zeiten ausgegrenzt und verfolgt, wurden die früheren »Legionäre« nach 1990/91 von vielen als Freiheitskämpfer gegen die kommunistische Fremdherrschaft angesehen und geehrt. Gegen diese einseitige Sichtweise regte sich Protest im Ausland. Ende 1998 wurde eine internationale Historikerkommission zum Thema »Verbrechen gegen die Menschlichkeit während der zwei Okkupationen 1940–1956« beim Präsidenten der Republik eingerichtet. Stätten des Gedenkens an den Holocaust gibt es vor allem auf dem Gelände des früheren Konzentrationslagers Salaspils seit 1967 und seit 2001 in Bikernieki. Im Wald von Rumbula stellten jüdische Dissidenten bereits 1962 einen Davidstern zur Erinnerung auf. Das Gedenkzeichen wurde von den sowjetischen Behörden beseitigt und durch ein Ehrenmal für die »Opfer des Faschismus« ersetzt. Im November 2002 konnte ein neues Denkmal eingeweiht werden. In der Hauptstadt Riga gründeten Holocaustüberlebende 1989 ein jüdisches Museum. 2005/06 entstand auf den Fundamenten der ehemaligen Choralsynagoge in Riga eine Gedenkstätte zur Erinnerung an alle Opfer des Holocaust und an alle Juden, die auf lettischem Boden ermordet wurden. Seit 2010 gibt es ein Museum des Rigaer Ghettos.

Erinnerung

Das Ghettomuseum befindet sich im Stadtteil Spīķeri, an der Grenze zum Gebiet des ehemaligen Rigaer Ghettos. Die Museumsgebäude sowie das umliegende Gelände gab die Stadt Riga zur kostenfreien Nutzung an die jüdische Organisation Shamir, die die Gründung des Museums angestoßen hatte. Im September 2010 wurde das Museum mit einer Außenausstellung eröffnet. Das eigentliche Ausstellungsgebäude wird zurzeit saniert, außerdem befindet sich die Rekonstruktion eines authentischen Ghettogebäudes im Bau. Nach und nach sollen weitere Ausstellungsbereiche hinzukommen. Besonderes Augenmerk legt die Außenausstellung auf die Darstellung persönlicher Schicksale lettischen Juden. Im Hof des Museums befindet sich eine Tafel mit über 70.000 Namen lettischer Holocaustopfer.

Öffnungszeiten

täglich 10.00 bis 18.00

Kontakt

http://www.rgm.lv

rgm@rgm.lv

+371 672 708 2

Maskavas iela 14a
LV-1050 Rīga