»Passagen« – Hommage an Walter Benjamin

»Passages« – El Memorial Walter Benjamin a Portbou


Der Gedenkort »Passagen« des israelischen Künstlers Dani Karavan im katalanischen Portbou erinnert seit 1994 an den deutsch-jüdischen Philosophen Walter Benjamin (1892–1940), der hier auf der Flucht den Freitod wählte.

Geschichte

Zwischen 1934 und 1944 war das spanische Portbou an der Costa Brava Sammelpunkt deutscher und französischer Emigranten. Auch der deutsche Philosoph und Literaturkritiker Walter Benjamin flüchtete – geleitet von Lisa (1909–2005) und Hans (1903–1960) Fittko – am 25. und 26. September 1940 über die Pyrenäen in den Grenzort. Von dort wollte Benjamin, der ein Visum für die USA besaß, nach Lissabon weiterreisen. Doch die spanischen Behörden verweigerten ihm die Einreise und wollten ihn zurück nach Frankreich schicken, wo ihm die Verhaftung durch die Gestapo drohte. In der Nacht vor seiner Abschiebung, vom 26. auf den 27. September, nahm sich Benjamin im Hotel »Francia de Portbou« durch eine Überdosis Morphium das Leben. Sein Leichnam wurde auf dem dortigen Friedhof bestattet.

Opfergruppen

Der deutsch-jüdische Philosoph, Kulturkritiker und Übersetzer Walter Benjamin (1892–1940) nahm sich auf der Flucht in der Nacht vom 26. auf den 27. September 1940 in Portbou das Leben. Zu seinen bekanntesten Werken gehören das »Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit« (1935) und das unvollendete »Passagen-Werk« (1927–1940).

Erfahre mehr über Spanien

Spanien war zu Beginn der 1930er Jahre durch scharfe Gegensätze zwischen Befürwortern der Republik, darunter den Sozialisten, sowie den Anhängern der Monarchie und einer traditionellen, katholischen Gesellschaftsordnung geprägt. Das Land erschütterten zudem Autonomiebestrebungen verschiedener Landesteile, etwa des Baskenlandes und Kataloniens. Die politische Gewalt, die sich in Spanien seit Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelt hatte, steigerte sich 1936 – nach dem Wahlsieg der »Frente Popular« (Volksfront) aus Sozialisten, Linksliberalen und Kommunisten – zu einem blutigen Bürgerkrieg von internationalem Ausmaß. Das nationalsozialistische Deutschland und das faschistische Italien unterstützten dabei die antirepublikanischen Kräfte. An deren Spitze stand seit Oktober 1936 General Francisco Franco (1892–1975). Die »Legion Condor« der deutschen Luftwaffe unterstützte ihn mit Truppentransporten und bombardierte verschiedene Städte. Die republikanischen Regierungstruppen wiederum wurden von den Internationalen Brigaden, Freiwilligenverbänden ausländischer Kommunisten und Linkssozialisten, unterstützt. Am 1. April 1939 verkündete Franco den Sieg. Tausende republikanische Flüchtlinge gerieten nach Beginn des Zweiten Weltkriegs im besetzten Nachbarland Frankreich in den Einflussbereich des nationalsozialistischen Deutschland und wurden in Konzentrationslager verschleppt. Über 5.000 Spanier kamen in der Haft zu Tode. Spanien selbst beteiligte sich nicht am Zweiten Weltkrieg. Allerdings kämpften Freiwillige und Angehörige der Armee als »División Azul« (Blaue Division) im Russlandfeldzug an der Seite der Wehrmacht. Die Politik des Franco-Regimes gegenüber Juden war zwiespältig. Wie auch Protestanten und andere Nichtkatholiken konnten sie seit der Machtübernahme des Generals ihre Religion nicht frei ausüben. Zugleich erlaubte die Staatsmacht zwischen 20.000 und 35.000 jüdischen Flüchtlingen aus dem Ausland, das Land zu passieren, um Europa zu verlassen. 1944 konnten etwa 3.500 Juden in der ungarischen Hauptstadt Budapest dank großzügiger spanischer Schutzbriefregelungen vor der Deportation durch die deutschen Besatzer bewahrt werden. Franco blieb bis 1975 an der Macht – zunächst international geächtet, dann jedoch eingebunden in die westliche Staatengemeinschaft. Eine Aufarbeitung der Verfolgung der Republikaner in Spanien und im deutschen Einflussbereich war bis zum Ende der Diktatur nicht möglich. Versuche, an einzelnen Schauplätzen des Bürgerkriegs in den 1970er Jahren kleine Gedenkorte zu errichten, wurden teils geduldet, teils durch Ordnungskräfte verhindert. Erst ab den 1990er Jahren kam zu einer kritischen Auseinandersetzung des Staates mit dem Bürgerkrieg der Jahre 1936 bis 1939. In Guernica, 1937 durch Bomben der »Legion Condor« vollkommen zerstört, entstand 1998 ein Erinnerungszentrum. 2005 besuchte mit José Luis Rodríguez Zapatero (*1960) erstmals ein spanischer Ministerpräsident eine KZ-Gedenkstätte und gedachte in Mauthausen der dort umgekommenen politischen Häftlinge aus Spanien. Im Dezember 2006 wurde das »Erinnerungsgesetz« zur Rehabilitierung von Opfern verabschiedet. Darin wird das diktatorische Regime, das zahllose Hinrichtungen und die Vertreibung Hunderttausender Menschen zu verantworten hat, offiziell verurteilt. 2007 wurde in Madrid ein staatliches Denkmal eingeweiht, das der »Erinnerung an Juden, Spanier, Zigeuner und andere Gruppen, die in den Vernichtungslagern ermordet wurden«, gewidmet ist.

Erinnerung

Das Denkmal geht auf eine Anregung von Bundespräsident Richard von Weizsäcker (1920–2015) zurück. Es befindet sich gegenüber dem Eingang zum Friedhof von Portbou, auf dem auch Walter Benjamin begraben liegt. Die begehbare Landschaftsskulptur »Passagen« des israelischen Künstlers Dani Karavan (1930–2021) wurde am 15. Mai 1994 in Anwesenheit von Lisa Fittko eingeweiht. Die aus Österreich stammende Widerstandskämpferin hatte Benjamins Flucht über die Pyrenäen belgeitet. »Passagen« besteht aus mehreren, in der Landschaft verteilten, aus Stahl gefertigten Elementen. Am Ende eines Korridors, der zum Mittelmeer führt, steht auf Deutsch das Zitat: »Schwerer ist es, das Gedächtnis der Namenlosen zu ehren als das der Berühmten. Dem Gedächtnis der Namenlosen ist die historische Konstruktion geweiht. Walter Benjamin, G. S. I, 1241«. Es stammt aus den Notizen zu seinem letzten, 1939 entstandenen Aufsatz »Über den Begriff der Geschichte«.
Seit September 2007 ist ein Wanderweg vom französischen Banyuls-sur-Mer nach Portbou ausgeschildert. Er entspricht dem von Lisa und Hans Fittko genutzten Fluchtweg und trägt den Namen »Ruta / Chemin Walter Benjamin«.

Angebote

Jährliche Gedenkveranstaltung am 11. September, deren Programm auf der Website der Stadt angekündigt wird.

Öffnungszeiten

Das Denkmal ist jederzeit zugänglich.

Kontakt

http://walterbenjaminportbou.cat/

portbou@portbou.cat

+34 (0)972 390 284

Pujada del Mirador
17497 Portbou