Mahnmal »Damit wir nicht vergessen«

Mahnmal »Damit wir nicht vergessen«


In Nassau-Scheuern wurde im Auftrag der nationalsozialistischen »T4«-Behörde eine sogenannte Zwischenanstalt eingerichtet. Psychisch Kranke und geistig Behinderte wurden hier ab 1941 gesammelt und zur Tötung in »T4«-Anstalten überführt. Seit 2000 erinnert das Mahnmal »Damit wir nicht vergessen« auf dem Gelände der Heime Scheuern an das Schicksal der »Euthanasie«-Opfer.

Geschichte

Der Begriff »Euthanasie« bezeichnete in der Zeit des Nationalsozialismus die Ermordung von Menschen mit geistigen und körperlichen Behinderungen. Geplant und organisiert wurde der Mord an den Patienten von Heil- und Pflegeanstalten von der unmittelbar Adolf Hitler unterstellten Organisation »T4«. Die Tötung erfolgte in der ersten Phase durch Nahrungsentzug, Gift und Medikamente. Ab Januar 1940 wurden in immer mehr »T4«-Anstalten Gaskammern in Betrieb genommen. Auf Befehl eines Runderlasses des Reichsministers des Innern vom 30. August 1940 sollten alle zur »Euthanasie« bestimmten Patienten an verschiedenen Orten im Deutschen Reich in sogenannten Zwischenanstalten konzentriert werden. Unter anderem sollte auf diese Weise die »T4«-Aktion besser getarnt werden. Nach einigen Wochen Aufenthalt in den Zwischenanstalten brachte die Gemeinnützige Krankentransport GmbH (GEKRAT) die Behinderten und psychisch Kranken in eine der sechs Tötungsanstalten.
Auch die Anstalt Scheuern bekam von der »T4«-Behörde den Status einer Zwischenanstalt zugewiesen. Daraufhin wurden die bisherigen Heimbewohner innerhalb weniger Monate in »T4«-Anstalten gebracht, um Platz für die zur »Euthanasie« vorgesehenen Patienten aus anderen Anstalten zu schaffen. Die ersten Sammeltransporte aus anderen Pflegeeinrichtungen trafen im April 1941 in Scheuern ein. Nach einigen Wochen überführte die GEKRAT die Patienten in getarnten, grauen Bussen nach Hadamar. Viele von ihnen tötete das dortige Anstaltspersonal noch am selben Tag in der Gaskammer.
Nach der offiziellen Einstellung der »T4«-Aktion im August 1941 setzten Ärzte und Pflegekräfte die Tötungen im Rahmen des »Euthanasie«-Programms fort. Die Morde erfolgten durch Giftspritzen sowie durch Nahrungsentzug und Überdosierung von Medikamenten. Ab Januar 1943 begann die Anstaltsleitung in Scheuern auf Weisung der »T4«-Behörde erneut Sammeltransporte für Hadamar und weitere Tötungsanstalten zusammenzustellen.

Opfergruppen

Von März bis Ende April 1941 wickelte die GEKRAT mehrere Transporte mit über 300 Patienten aus der Anstalt Scheuern in die Tötungsanstalten Pirna-Sonnenstein und Hadamar ab. Bei diesen Personen handelte es sich um die ursprünglichen Anstaltsbewohner. Insgesamt ermordete das Personal der Tötungsanstalten bis 1945 etwa 1.500 körperlich und geistig Behinderte und psychisch Kranke, die über die Zwischenanstalt Scheuern in »T4«-Anstalten gebracht wurden.

Erfahre mehr über Deutschland

Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 begann die staatliche Verfolgung der Gegner des Regimes, von Juden, als »Zigeuner« bezeichneten Roma, Patienten sowie zahlreichen anderen Gruppen. Antisemitismus wurde erstmals Bestandteil der Regierungspolitik eines modernen Staates, die Verfolgung aller Gruppen schrittweise verschärft. Dabei griffen staatliche Verordnungen, Gewalttaten von Anhängern des Regimes und die Hetze der Presse ineinander. Der Terror gegen Juden im November 1938 (»Kristallnacht«) mit etwa hundert Toten bildete den Scheitelpunkt hin zur vollständigen Ausgrenzung und Ermordung der jüdischen Minderheit. Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs im September 1939 gerieten weite Teile Europas unter deutsche Herrschaft. Insbesondere im Osten entstand ein vielgliedriges System von Lagern und Mordstätten, in dem die SS bis zu sechs Millionen Juden, unter ihnen etwa 165.000 deutsche Juden, ermordete. Die Zahl der übrigen Deutschen, die in Folge des Krieges ihr Leben verloren, wird auf etwa sieben Millionen geschätzt, darunter fast 3,5 Millionen Zivilisten. Etwa 28 Millionen Einwohner der besetzten Sowjetunion (Soldaten und Zivilbevölkerung) und drei Millionen nichtjüdische Polen kamen gewaltsam zu Tode; an sie wird in Deutschland bis heute kaum erinnert. Deutschland wurde 1945 von den Alliierten besetzt; 1949 entstanden die Deutsche Demokratische Republik (DDR) und die Bundesrepublik Deutschland (BRD) mit sehr unterschiedlichen Gedenkkulturen. In der DDR dominierte die Selbstinterpretation als »antifaschistischer« deutscher Nachfolgestaat. Die Orte der ehemaligen Konzentrationslager (KZ) Buchenwald, Ravensbrück und Sachsenhausen wurden zu »Nationalen Mahn- und Gedenkstätten« und stellten vor allem den kommunistischen Widerstand dar. In der Bundesrepublik dominierte zunächst die Erinnerung an die Opfer der alliierten Bombenangriffe, von Flucht und Vertreibung. Das Gedenken an die nationalsozialistische Verfolgung, den Holocaust oder den Widerstand war einzelnen Gruppen überlassen, Täter und Tatbeteiligungen – außerhalb juristischer Prozesse – kein Gegenstand öffentlicher Diskussion. Das änderte sich ab Mitte der 1960er Jahre, als nach intensiver Debatte die Verjährung für Mord aufgehoben wurde. Gleichzeitig entstanden Erinnerungsstätten an Orten ehemaliger KZ (1965: Dachau und Neuengamme; 1966: Bergen-Belsen) und die Gedenkstätte Deutscher Widerstand 1968 in West-Berlin. Erst in den 1980er Jahren entwickelte sich durch lokale Initiativen eine vielfältige, oft kleinteilige Erinnerungslandschaft. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands 1990 wurden eine gesamtstaatliche Gedenkstättenkonzeption entwickelt und Orte der Erinnerung umfangreich überarbeitet. Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin konnte 2005 der Öffentlichkeit übergeben werden. Eine umfangreiche Dokumentation der nationalsozialistischen Verbrechen und ihrer Täter, die Topographie des Terrors, wurde im Mai 2010 eröffnet; das Ausstellungszentrum »Flucht, Vertreibung, Versöhnung« folgte 2021. Mittlerweile erinnern zentrale Denkmäler in Berlin auch an weitere Opfergruppen: An die ermordeten Sinti und Roma, an die Opfer im Rahmen der NS-»Euthanasie« ermordeten Patienten und an die verfolgten Homosexuellen. Die Opfer des nationalsozialistischen Terrors in den früheren Ostgebieten fielen nach Kriegsende einem doppelten Vergessen anheim. Die Erinnerung blieb für Jahrzehnte auf landsmannschaftliche Verbände in der BRD beschränkt und schloss die Zeit von 1933 bis 1945 meist aus. Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs nehmen sich jedoch deutsche, polnische, litauische und russische Initiativen auch dieses Teils der deutschen Vergangenheit an.

Erinnerung

1999 beschloss der Vorstand der Stiftung der Heime Scheuern die Errichtung eines Mahnmals zur Erinnerung an die Opfer der »Euthanasie«-Verbrechen sowie die Erarbeitung einer Dokumentation zum Thema. Das Denkmal, das der Künstler Christian Rudolph entwarf, besteht aus fünf überdimensionalen »Briefbögen« aus rostendem Stahl. Darauf sind Zitate aus Briefen von Patienten an ihre Angehörigen eingestanzt. Die Briefe wurden von der Anstaltsleitung nie abgeschickt. Das Mahnmal wurde am 19. November 2000 eingeweiht und kann seither zusammen mit einer Ausstellung auf dem Gelände der heutigen Heime Scheuern besichtigt werden.

Angebote

Ausstellung auf dem Heimgelände

Öffnungszeiten

Jederzeit zugänglich

Kontakt

http://www.heime-scheuern.de

info@heime-scheuern.de

+49(0)260 497 90