Mahnmal für die Opfer der NS-Gewaltherrschaft am Morzinplatz

Mahnmal für die Opfer der NS-Gewaltherrschaft am Morzinplatz


Am ehemaligen Sitz der Wiener Leitstelle der Gestapo erinnerte seit 1951 ein Gedenkstein an die hier inhaftierten Menschen. 1985 ließ die Stadt Wien ein offizielles Mahnmal an der gleichen Stelle errichten, diesmal jedoch allen Opfern der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft gewidmet.

Geschichte

Unmittelbar nach dem »Anschluss« Österreichs an das Deutsche Reich richtete die Geheime Staatspolizei (Gestapo) eine Leitstelle in Wien ein, Zweigstellen entstanden in Innsbruck, Salzburg, Klagenfurt, Linz, Eisenstadt und Graz. Diese Stellen betrieben die Verfolgung politischer Gegner in Österreich und dienten der Durchsetzung der antijüdischen Politik des nationalsozialistischen Staates.
Die Wiener Leitstelle der Gestapo entstand am Morzinplatz im ehemaligen »Hotel Métropole«, ihr Leiter war Franz Josef Huber. 1939 verfügte sie über 840 Mitarbeiter und besaß damit mehr Personal als die Berliner Gestapo. Mitarbeiter der Leitstelle nahmen zwischen 1938 und 1945 insgesamt etwa 50.000 Menschen zeitweise in »Schutzhaft«. Im Keller des Gebäudes, der als Gefängnis diente, waren die Häftlinge Misshandlungen und Folter ausgesetzt. Viele Schutzhäftlinge wurden anschließend in Konzentrationslager verschleppt. Die Wiener Gestapoleitstelle wirkte außerdem an den Deportationen von etwa 45.000 Wiener Juden in die Vernichtungslager im besetzten Polen mit.
1945 zerstörten Bombeneinschläge das Gebäude der Gestapo am Morzinplatz.

Opfergruppen

Das Mahnmal ist laut Inschrift »den Opfern des Faschismus« gewidmet. Eine Inschrift am Mahnmal bezieht sich auf die Opfer der Wiener Gestapo, deren Hauptsitz sich in unmittelbarer Nähe zum heutigen Mahnmal am Morzinplatz befand. Etwa 50.000 Menschen waren hier zeitweise in »Schutzhaft«: Kommunisten, Sozialdemokraten, Juden, Monarchisten und Mitglieder verschiedener religiösen Gruppen. Betroffen waren zudem so genannte »Asoziale«, Kriminalisierte und Homosexuelle.

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Am 12. März 1938 rückte die deutsche Wehrmacht unter dem Jubel zahlreicher Einwohner in die Republik Österreich ein. Am folgenden Tag wurde der »Anschluss« des Landes an das Deutsche Reich proklamiert, das fortan »Ostmark« hieß. Einheimische Nationalsozialisten begannen umgehend mit der Verfolgung der jüdischen Minderheit und von Regimegegnern. Ab Mai 1938 besaßen die deutschen antijüdischen Gesetze auch im eingegliederten Österreich Gültigkeit. Bis Ende 1939 gelang über 126.000 Juden, meist aus Wien, die Flucht. Bereits im Herbst 1939 begannen erste Deportationen österreichischer Juden in das besetzte Polen. Bis 1945 verschleppte die SS fast 48.600 Juden aus Österreich und 16.600 weitere, die in anderen Ländern Zuflucht gefunden hatten, in den besetzten Osten, wo sie fast ausnahmslos ermordet wurden. Über 40.000 nichtjüdische Zivilisten fanden den Tod, darunter über 8.000 aus dem Burgenland verschleppte Sinti und Roma. 1945 teilten die Alliierten das Land in vier Besatzungszonen auf. Die sowjetische Besatzungsmacht errichtete ein »Befreiungsdenkmal« in Wien. Die Vertreter der provisorischen Allparteienregierung Österreichs aus Sozialisten, Kommunisten und Volkspartei nutzten dessen Übergabe am 19. August 1945, um Österreich als »das erste freie Land, das der Hitlerischen Aggression zum Opfer gefallen ist«, zu bezeichnen. Diese Haltung fand für Jahrzehnte breiten Widerhall in Politik und Bevölkerung. In den 1960er Jahren begannen allerdings heftige Auseinandersetzungen über die Beteiligung von Österreichern am Nationalsozialismus. Sie fanden bei einer Demonstration im März 1965 ihren Tiefpunkt, als ein rechtsextremer Student dem ehemaligen KZ-Häftling Ernst Kirchweger (*1898) tödliche Verletzungen zufügte. Kirchweger war das erste politische Todesopfer in Österreich nach 1945. In der Folgezeit wurden in der österreichischen Öffentlichkeit vermehrt Stimmen laut, die vor einer Verharmlosung der Jahre 1938 bis 1945 warnten. Mehrfach erschütterten Skandale um politisch Verantwortliche und deren Vergangenheit das Land, so während der »Waldheim-Debatte« zwischen 1986 und 1992. Der Vorwurf, der österreichische Bundespräsident und ehemalige UNO-Generalsekretär Kurt Waldheim (1918–2007) sei an Kriegsverbrechen auf dem Balkan beteiligt gewesen, spaltete das Land. Waldheim konterte, er habe »wie hunderttausend andere Österreicher« lediglich seine Pflicht getan. Erst Anfang der 1990er gestand der damalige Bundeskanzler Franz Vranitzky (*1937) eine österreichische Mitschuld am Holocaust ein. Bereits 1963 nahm das Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands seine Arbeit auf, das die Geschichte des Holocaust und den Rechtsextremismus in Österreich untersucht sowie eine kleine Ausstellung zeigt. Die 1970 in der KZ-Gedenkstätte Mauthausen eröffnete Dauerausstellung blieb für lange Zeit fast die einzige zur Geschichte des Nationalsozialismus in Österreich. 1983 beschloss der Wiener Gemeinderat, ein »Mahnmal gegen Krieg und Faschismus« zu errichten. Das durch den Bildhauer Alfred Hrdlicka (*1928) entworfene Erinnerungszeichen wurde 1991 eingeweiht, das »Mahnmal für die österreichischen jüdischen Opfer der Shoa« folgte 2000. Zeichen des staatlichen Umdenkens in Österreich sind Gesetze zur Entschädigung geraubten Eigentums, Entschädigungszahlungen an ehemalige Zwangsarbeiter sowie eine Historikerkommission, die zwischen 1998 und 2003 den Vermögensentzug während des Nationalsozialismus untersuchte. 2009 wurden ehemalige Deserteure der Wehrmacht juristisch rehabilitiert, 2014 ein Denkmal für sie eingeweiht.

Erinnerung

Am 11. April 1951 stellte der KZ-Verband in Erinnerung an die Opfer der Gestapo einen Gedenkstein auf. Er trug die Inschrift: »Niemals vergessen – Hier stand das Haus der Gestapo. Es war für die Bekenner Österreichs die Hölle. Es war für viele von ihnen der Vorhof des Todes. Es ist in Trümmer gesunken wie das Tausendjährige Reich. Österreich aber ist wiederauferstanden und mit ihm unsere Toten, die unsterblichen Opfer«.
In den 1980er Jahren stiftete die Stadt Wien ein offizielles Mahnmal, das den Gedenkstein ersetzte. Es stellt eine Bronzefigur dar, die von Granitsteinblöcken aus dem ehemaligen Konzentrationslager Mauthausen umgeben ist. Die Inschrift des früheren Gedenksteins wurde beibehalten. Der damalige Wiener Bürgermeister Helmut Zilk und die Arbeitsgemeinschaft der KZ-Verbände und Widerstandskämpfer Österreichs enthüllten das Mahnmal am 1. November 1985.
Direkt auf dem Gelände der ehemaligen Gestapoleitstelle wurde 1968 ein Neubau, der »Leopold Figl-Hof« errichtet. Heute befindet sich im Erdgeschoss des Gebäudes eine Gedenkstätte, die an die Geschichte des Ortes zwischen 1938 und 1945 und an die Opfer erinnert.
Das Mahnmal am Morzinplatz verweist auf zwei Opfergruppen des Nationalsozialismus im Besonderen: An der oberen Steinplatte erinnert ein roter Winkel - einst das Kennzeichen, das Häftlinge in den Konzentrationslagern tragen mussten – an die politischen Häftlinge. Ein gelber Stern steht für die jüdischen Opfer. Seit Ende der 1990er Jahre setzten sich mehrere Initiativen dafür ein, dass auch andere Opfergruppen am Mahnmal symbolisch dargestellt werden.
2005 beschloss der Wiener Stadtrat den Bau eines »Mahnmals für die homosexuellen und transgender Opfer des Nationalsozialismus in Wien« auf dem Morzinplatz, um erstmals ein öffentliches Denkmal für diese Opfergruppe in Wien zu schaffen. Die Ausschreibung gewann 2006 das Projekt »Der Rosa Platz« des österreichischen Künstlers Hans Kupelwieser. Das Projekt wurde jedoch nicht umgesetzt.

Öffnungszeiten

Das Mahnmal ist jederzeit zugänglich.

Kontakt

http://www.nachkriegsjustiz.at

info@nachkriegsjustiz.at

+43 (0)1 534 369 031 5

Morzinplatz
1010 Wien