Gedenkstätte Bernburg

Gedenkstätte Bernburg


In der ehemaligen Landes-Heil- und Pflegeanstalt Bernburg befand sich von 1940 bis 1943 eine von mehreren »Euthanasie«-Anstalten des nationalsozialistischen Deutschland. Die Gedenkstätte für die Opfer der NS-»Euthanasie« erinnert an das Schicksal Tausender Menschen mit körperlichen und geistigen Behinderungen sowie an die Häftlinge aus Konzentrationslagern, die in Bernburg von Ärzten und Pflegepersonal ermordet wurden.

Geschichte

Der Begriff »Euthanasie« bezeichnete in der Zeit des Nationalsozialismus die Ermordung Tausender Menschen mit geistigen und körperlichen Behinderungen. Geplant und organisiert wurde der Mord an den Patienten von Heil- und Pflegeanstalten von einer unmittelbar Adolf Hitler unterstellten Organisation im Hauptamt II. Sie erhielt die Tarnbezeichnung »T4« nach der Anschrift der Zentrale in der Berliner Tiergartenstraße. Nachdem anfangs Kleinkinder bis zu drei Jahren der »Euthanasie« zum Opfer fielen, weitete sich die Tötung in der Folgezeit auf ältere Kinder und Jugendliche, ab 1940 unter dem Decknamen »Aktion T4« auch auf erwachsene Behinderte und Kranke aus. Die Tötung erfolgte in der ersten Phase durch Nahrungsentzug, Gift und Medikamente. Ab Januar 1940 wurden in immer mehr »T4«-Anstalten Gaskammern in Betrieb genommen. Ab 1941 nutzte auch die SS die Heil- und Pflegeanstalten im Rahmen der »T4-Aktion« für die Ermordung von nicht mehr arbeitsfähigen oder unerwünschten Häftlingen aus Konzentrationslagern. Die Massentötung der Häftlinge wurde in der Aktensprache der Nationalsozialisten »Sonderbehandlung 14f13« genannt. Ein Teil der ehemaligen Landes-Heil- und Pflegeanstalt Bernburg war in den Jahren 1940/41 eine der sechs zentralen »Euthanasie«-Anstalten in Deutschland. Im Oktober 1940 wurden im ehemaligen Männerhaus II eine als Duschraum getarnte Gaskammer, ein Sezierraum und ein Krematorium eingerichtet. Damit wurden die Voraussetzungen geschaffen, Patienten noch am Tag ihrer Ankunft zu töten. Am 21. November 1940 traf in Bernburg der erste von vielen Transporten mit 25 Patienten aus der Brandenburgischen Landesanstalt Neuruppin ein. Innerhalb weniger Monate wurden in Bernburg daraufhin Tausende weitere Menschen ermordet. Im Frühjahr 1943, anderthalb Jahre nach dem offiziellen Ende der »Aktion T4«, wurde die »Euthanasie«-Anstalt Bernburg aufgelöst. Einige der Verantwortlichen wirkten anschließend an der systematischen Ermordung von Juden im besetzten Polen mit.

Opfergruppen

Bis August 1941 waren bereits über 9.300 psychisch Kranke und geistig Behinderte in der Landes-Heil- und Pflegeanstalt Bernburg von angestellten Pflegern und Ärzten ermordet worden. Insgesamt wurden in den Jahren 1940/41 auf dem Gebiet des Deutschen Reiches mehr als 70.000 alte, kranke und behinderte Menschen ermordet. Bis März 1943 kamen im Rahmen der »Aktion 14f13« etwa 5.000 Häftlinge aus den KZ Buchenwald, Flossenbürg, Groß-Rosen, Neuengamme, Ravensbrück und Sachsenhausen nach Bernburg. Zu ihnen zählten vor allem Juden, aber auch Homosexuelle, Zeugen Jehovas, Sinti und Roma und »Asoziale«. Insgesamt soll sich die Zahl der bis 1945 in den Heil- und Pflegeanstalten des nationalsozialistischen Deutschland ermordeten Menschen auf über 200.000 belaufen.

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Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 begann die staatliche Verfolgung der Gegner des Regimes, von Juden, als »Zigeuner« bezeichneten Roma, Patienten sowie zahlreichen anderen Gruppen. Antisemitismus wurde erstmals Bestandteil der Regierungspolitik eines modernen Staates, die Verfolgung aller Gruppen schrittweise verschärft. Dabei griffen staatliche Verordnungen, Gewalttaten von Anhängern des Regimes und die Hetze der Presse ineinander. Der Terror gegen Juden im November 1938 (»Kristallnacht«) mit etwa hundert Toten bildete den Scheitelpunkt hin zur vollständigen Ausgrenzung und Ermordung der jüdischen Minderheit. Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs im September 1939 gerieten weite Teile Europas unter deutsche Herrschaft. Insbesondere im Osten entstand ein vielgliedriges System von Lagern und Mordstätten, in dem die SS bis zu sechs Millionen Juden, unter ihnen etwa 165.000 deutsche Juden, ermordete. Die Zahl der übrigen Deutschen, die in Folge des Krieges ihr Leben verloren, wird auf etwa sieben Millionen geschätzt, darunter fast 3,5 Millionen Zivilisten. Etwa 28 Millionen Einwohner der besetzten Sowjetunion (Soldaten und Zivilbevölkerung) und drei Millionen nichtjüdische Polen kamen gewaltsam zu Tode; an sie wird in Deutschland bis heute kaum erinnert. Deutschland wurde 1945 von den Alliierten besetzt; 1949 entstanden die Deutsche Demokratische Republik (DDR) und die Bundesrepublik Deutschland (BRD) mit sehr unterschiedlichen Gedenkkulturen. In der DDR dominierte die Selbstinterpretation als »antifaschistischer« deutscher Nachfolgestaat. Die Orte der ehemaligen Konzentrationslager (KZ) Buchenwald, Ravensbrück und Sachsenhausen wurden zu »Nationalen Mahn- und Gedenkstätten« und stellten vor allem den kommunistischen Widerstand dar. In der Bundesrepublik dominierte zunächst die Erinnerung an die Opfer der alliierten Bombenangriffe, von Flucht und Vertreibung. Das Gedenken an die nationalsozialistische Verfolgung, den Holocaust oder den Widerstand war einzelnen Gruppen überlassen, Täter und Tatbeteiligungen – außerhalb juristischer Prozesse – kein Gegenstand öffentlicher Diskussion. Das änderte sich ab Mitte der 1960er Jahre, als nach intensiver Debatte die Verjährung für Mord aufgehoben wurde. Gleichzeitig entstanden Erinnerungsstätten an Orten ehemaliger KZ (1965: Dachau und Neuengamme; 1966: Bergen-Belsen) und die Gedenkstätte Deutscher Widerstand 1968 in West-Berlin. Erst in den 1980er Jahren entwickelte sich durch lokale Initiativen eine vielfältige, oft kleinteilige Erinnerungslandschaft. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands 1990 wurden eine gesamtstaatliche Gedenkstättenkonzeption entwickelt und Orte der Erinnerung umfangreich überarbeitet. Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin konnte 2005 der Öffentlichkeit übergeben werden. Eine umfangreiche Dokumentation der nationalsozialistischen Verbrechen und ihrer Täter, die Topographie des Terrors, wurde im Mai 2010 eröffnet; das Ausstellungszentrum »Flucht, Vertreibung, Versöhnung« folgte 2021. Mittlerweile erinnern zentrale Denkmäler in Berlin auch an weitere Opfergruppen: An die ermordeten Sinti und Roma, an die Opfer im Rahmen der NS-»Euthanasie« ermordeten Patienten und an die verfolgten Homosexuellen. Die Opfer des nationalsozialistischen Terrors in den früheren Ostgebieten fielen nach Kriegsende einem doppelten Vergessen anheim. Die Erinnerung blieb für Jahrzehnte auf landsmannschaftliche Verbände in der BRD beschränkt und schloss die Zeit von 1933 bis 1945 meist aus. Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs nehmen sich jedoch deutsche, polnische, litauische und russische Initiativen auch dieses Teils der deutschen Vergangenheit an.

Erinnerung

Heute befindet sich auf dem Gelände der ehemaligen Landes-Heil- und Pflegeanstalt ein Fachkrankenhaus für Psychiatrie und Neurologie. Eine bereits vorher bestehende kleine Gedenkstätte wurde 1989 neu eröffnet. Sie befindet sich in den Kellerräumen und im ersten Stockwerk des Krankenhauses. Besucher können die Reste des Krematoriums sowie die Gaskammer besichtigen. Das ehemalige Krematorium dient heute als Gedenkraum. Ebenfalls erhalten geblieben ist die »Leichentransportrinne«: Auf dieser wurden die Toten aus der Gaskammer durch den Flur zum Krematorium geschleift. Noch heute sind Spuren auf dem Boden sichtbar. Dieser wurde vom Personal der »Euthanasie«- Anstalt immer wieder mit Schmierseife bearbeitet, um die Toten leichter darauf transportieren zu können.
Eine Ausstellung in den Räumen der Gedenkstätte informiert über nationalsozialistische Zwangssterilisation, das »Euthanasie«-Programm und die »Sonderbehandlung 14f13« in Bernburg. Die Gedenkstättenarbeit in Bernburg beschränkt sich nicht nur auf den Umgang mit sozialen Randgruppen in der Zeit des Nationalsozialismus, sondern behandelt das Thema in der Zeitperiode seit Anfang des 20. Jahrhunderts bis in unsere Gegenwart hinein insgesamt.

Angebote

Führungen, Projekttage, Fachbibliothek, Archiv, Stadtführungen, Vermittlung von Zeitzeugen zu Gesprächen in Schulen

Öffnungszeiten

Dienstags bis freitags 9.00 bis 16.00, jeden ersten Sonntag im Monat 10.00 bis 16.00, Führungen und Projekttage auch zu anderen Terminen nach Vereinbarung möglich

Kontakt

https://gedenkstaette-bernburg.sachsen-anhalt.de/

info-bernburg@erinnern.org

+49 (0)3471 319 816

Olga-Benario-Straße 16/18
06406 Bernburg