Mahnmal für die ermordeten Psychiatriepatienten in Mogilew

Памятник убитым пациентам психбольницы / Помнік забітым пацыентам псіхлячэбніцы


In der belarussischen Stadt Mogilew (belarussiscb: Mahilëŭ), nahe der russischen Grenze am Dnepr gelegen, erinnert seit dem 2. Juli 2009 ein Mahnmal an 1.200 Patienten des psychiatrischen Krankenhauses. Das Einsatzkommando 8 ermordete sie zwischen September 1941 und Januar 1942 im Rahmen des nationalsozialistischen »Euthanasie«-Programms.

Geschichte

Die deutsche Wehrmacht besetzte Mogilew im Juli 1941. Ihr folgte das Einsatzkommando 8 der Einsatzgruppe B unter dem Befehl von Otto Bradfisch Anfang August 1941. Kurz nach dem Einmarsch verhafteten deutsche Truppen den jüdischen Klinikdirektor des psychiatrischen Krankenhauses von Mogilew, Dr. Klipzan. Der neue Klinikleiter Dr. A.N. Stepanow bekam den Auftrag Listen aller Patienten der Klinik zu erstellen und diese in »arbeitsfähige« und »arbeitsunfähige« einzuteilen. Im September 1941 fand in der Psychiatrischen Klinik Mogilew ein Versuch statt bei dem die SS neue Tötungsmethoden probierte: Mindestens fünf Patienten wurden vom Pflegepersonal des Krankenhauses in einen Raum geführt, in den SS-Leute Abgase von einem PKW und einem LKW einleiteten. Die Menschen erstickten nach langem Todeskampf qualvoll an den giftigen Gasen. Diesem Versuch wohnten der Kommandant der Einsatzgruppe B Arthur Nebe und der Chemiker des Kriminaltechnischen Instituts Dr. Albert Widmann bei. Die Ermordung der Patienten wurde, vermutlich von Nebe, gefilmt. Ende September oder Anfang Oktober erfolgte die erste große Mordaktion: Das Einsatzkommando 8 tötete über 800 Patienten, indem es sie mit Motorabgasen erstickte. Jüdische Ghettobewohner aus Mogilew mussten die Leichen in Massengräbern verscharren. Mindestens eine weitere »Aktion« folgte im Januar 1942. Die Männer des Einsatzkommandos 8 erschossen alle noch verbliebenen Patienten des Psychiatrischen Krankenhauses und einer landwirtschaftlichen Kolonie für psychisch Erkrankte. Sie töteten diesmal über 250 Menschen. Nach der Räumung des Krankenhauses nutzte die Wehrmacht Gebäude und Personal als Militärhospital.

Opfergruppen

Die genaue Zahl der Menschen, die die SS von September 1941 bis Januar 1942 aus dem Psychiatrischen Krankenhaus Mogilew ermordete, ist nicht mehr ermittelbar. Schätzungen, basierend auf Zeugenaussagen, gehen davon aus, dass in Mogilew mindestens 1.200 Menschen der nationalsozialistischen »Euthanasie« zum Opfer fielen. Unter ihnen waren neben Frauen und Männern auch Kinder. Mindestens sechzig der Opfer waren Juden, die ausgesondert und gleich bei der ersten »Aktion« ermordet wurden.

Erfahre mehr über Belarus

Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs im September 1939 und dem Einmarsch der Roten Armee in Ostpolen kam der Nordosten des Landes zu Belarus als Teil der Sowjetunion. Im Sommer 1941 wurde dann ganz Belarus von deutschen Truppen erobert. Während der folgenden drei Jahre kam jeder vierte oder gar jeder dritte Einwohner gewaltsam ums Leben. Fast alle Städte des Landes wurden völlig zerstört. Wehrmacht oder SS brannten etwa 620 Dörfer, darunter Chatyn, systematisch samt ihren Einwohnern nieder. Malyj Trostenez, nahe der belarussichen Hauptstadt Minsk, war die größte Vernichtungsstätte auf dem Gebiet der besetzten Sowjetunion. Heute nimmt man an, dass mindestens 60.000 deutsche und einheimische Juden dort ermordet wurden. Für Minsk wird die Zahl der getöteten Juden auf bis zu 85.000 geschätzt, für das gesamte Gebiet auf 230.000. Belarus bildete von 1941 an mit über tausend aktiven Gruppen ein Hauptgebiet des sowjetischen Partisanenkampfes gegen die deutschen Besatzer. Ab Ende 1943 wurde das Land von der Roten Armee zurückerobert und galt im Sommer 1944 als vollständig von der deutschen Besatzung befreit. Das Land war weitestgehend verwüstet, das gesellschaftliche Gefüge erschüttert und die Menschen traumatisiert. Belarus gehörte ab 1944 wieder zur Sowjetunion. Ein großer Teil der 1939 einverleibten polnischen Gebiete blieben Teil des Landes. In der staatlichen Erinnerungs- und Denkmalkultur des Landes dominierten nach Kriegsende der Tag der Befreiung des Landes am 3. Juli 1944 und der Tag des Sieges am 9. Mai 1945 als Ende eines »heldenhaften« Kampfes im Großen Vaterländischen Krieg. Von zentraler Bedeutung war stets auch die Erinnerung an den Partisanenkrieg. Im sowjetischen Staatsverband verzichtete man auf eine eigenständige Nennung des Massenmords an den Juden. Daher stellt ein Obelisk in der Erschießungsgrube am ehemaligen Minsker Ghetto, der »Jama«, eine Besonderheit auf dem Gebiet der damaligen Sowjetunion dar. Er wurde bereits 1946 errichtet und blieb für Jahrzehnte das einzige Denkmal mit einer jiddischen Aufschrift und direkter Nennung der ermordeten Juden. Ungewöhnlich ist auch die Erinnerungsstätte in Chatyn, wo im März 1943 153 Menschen bei lebendigem Leib verbrannt worden waren. 1969 entstanden, zeichnet sie sich durch Schlichtheit aus und verzichtet auf die sonst übliche Monumentalität, es stehen die menschliche Dimension des Grauens und das Leid der Opfer im Vordergrund. Mit der Schaffung eines unabhängigen belarussischen Staates 1991 begann die Suche nach einer eigenen nationalen Identität. Hierbei spielen die Opferzahlen – insbesondere während des Zweiten Weltkrieges – eine entscheidende Rolle. Bewusst wird allerdings eine Unterscheidung zwischen dem Gebietstand vor und nach 1939 vermieden. Die Verbrechen der Stalinzeit, aber auch der Holocaust rückten ebenso in das Blickfeld, wurden aber aufgrund der vorhandenen Regierungsform nicht weitergehend öffentlich gemacht. Das staatliche Gedenken, das seinen Ausdruck auch im 2014 eröffneten, monumentalen Neubau des Museums der Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges findet, bleibt vom Kampf in den Jahren 1941 bis 1944 geprägt. Zugleich hat jedoch der Verband der jüdischen Gemeinden in Belarus inzwischen eine Reihe von Denkmälern für die Opfer des Massenmordes errichten lassen. Seit Anfang der 1990er Jahre haben mehrere deutsche Städte Stelen im Gedenken an die dorthin deportierten und getöteten Juden in Minsk errichtet; das Berliner Erinnerungszeichen wurde – vom Land Berlin und der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas finanziert – am 25. Juni 2009 feierlich eingeweiht. Auch eine würdige Gestaltung des Areals von Malyj Trostenez geht voran: seit 2015 erinnert eine Gedenkanlage an die Opfer. Ein zweiter Bauabschnitt wurde 2018 im Beisein der Staatspräsidenten Deutschlands, Österreichs und von Belarus eröffnet. An der Realisierung beteiligte sich auch die Bundesrepublik finanziell, wie auch an der Renovierung der Geschichtswerkstatt, die sich in einem historischen Gebäude auf dem Gebiet des ehemaligen Minsker Ghettos um die Dokumentation von Opferschicksalen kümmert.

Erinnerung

Das Mahnmal wurde am 2. Juli 2009 auf Initiative der Psychiatrischen Universitätsklinik Heidelberg und des Psychiatrischen Gebietskrankenhauses von Mogilew eingeweiht. Der Entwurf stammt vom Künstler Alexander Minkow aus Mogilew. Das Mahnmal in Mogilew war das erste auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion, das an die Ermordung von Patienten von psychiatrischen Kliniken während der deutschen Besatzung erinnert.

Öffnungszeiten

Das Mahnmal ist jederzeit zugänglich.

Kontakt

ul. Surganowa 41
212010 Mogilew