Am Ort einer Massenerschießung im Wald und auf dem jüdischen Friedhof erinnern Denkmäler an die in Wachniwka ermordeten Juden.
Wachniwka ist eine 1578 gegründete Kleinstadt in der Zentralukraine, 30 Kilometer nordöstlich von Winnyzja gelegen. Spätestens seit Mitte des 18. Jahrhunderts stand in Wachniwka eine Synagoge, und Ende des 19. Jahrhunderts machten Juden etwa 45 Prozent der Bevölkerung aus. In den Wirren des Bürgerkrieges nach dem Zusammenbruch des Russischen Zarenreiches gab es 1919 und 1920 dreimal antijüdische Pogrome in Wachniwka. Nachdem sich die Sowjetmacht in der Ukraine stabilisiert hat, zogen viele Juden aufgrund der veränderten wirtschaftlichen und politischen Bedingungen vom Land in die Städte, so dass der Anteil der Juden an der Gesamtbevölkerung auch in Wachniwka stark zurückging: wurden 1926 noch über 2.000 Juden in Wachniwka gezählt, lebten bei Kriegsausbruch schätzungsweise nur noch 600 bis 700 Juden im Ort.
Deutsche Truppen besetzten Wachniwka am 22. Juli 1941. Im Ort wurde eine lokale ukrainische Polizeieinheit aufgestellt. Juden mussten einen Judenrat zur Ausführung deutscher Befehle bilden und Zwangsarbeit leisten. Bei der großen Welle der Massenerschießungen im Spätsommer und Herbst 1941 blieb Wachniwka zunächst verschont. Vermutlich Anfang des Jahres 1942 mussten alle Juden Wachniwkas in ein Ghetto umziehen. Ende Mai oder Anfang Juni 1942 wurden alle Juden Wachniwkas ermordet. Die Täter waren höchstwahrscheinlich Einheiten des SD (Sicherheitsdienst) und der Gendarmerie sowie lokale Hilfspolizisten. Zunächst wurden die jüdischen Kinder, Frauen und Männer in eine Kirche gesperrt. Danach wurde 20 jüdischen Männern befohlen, im Wald von Turbiw etwa 3,5 Kilometer südwestlich von Wachniwka eine Grube auszuheben. Anschließend wurden sie erschossen. Wenige Stunden später wurden alle verbliebenen Juden zur Grube getrieben, wo sie sich ausziehen und in die Grube legen mussten, bevor sie erschossen wurden.
Einige Wochen erschossen deutsche Einheiten 40 Juden, die nicht aus Wachniwka stammten, auf dem jüdischen Friedhof.
Bei der Massenerschießung Ende Mai oder Anfang Juni 1942 ermordeten deutsche Einheiten mehr als 400 jüdische Kinder, Frauen und Männer im Wald von Turbiw. Wenige Wochen später wurden etwa 40 weitere Juden auf dem jüdischen Friedhof erschossen.
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Als Wachniwka im März 1944 durch die sowjetische Armee befreit wurde, hatten nur eine Handvoll der jüdischen Einwohner von Wachniwka Krieg und deutsche Besatzung im Versteck überlebt. Nach dem Krieg lebten nur noch einzelne Juden im Ort.
Eine sowjetische Untersuchungskommission befragte einen Augenzeugen nach dem Krieg, zu größeren Ermittlungen kam es jedoch nicht. Auch in der Bundesrepublik wurde nur gegen einzelne Männer ermittelt, die an Verbrechen in Wachniwka beteiligt gewesen sein könnten, aber nicht konkret wegen der Mordaktionen dort. Der Ort Wachniwka taucht in den Dokumenten der Täter nicht auf.
Kurz nach dem Krieg wurde über dem Massengrab im Turbiw-Wald ein Erdhügel errichtet und ein Obelisk aufgestellt. Ob das Denkmal auch eine Inschrift hatte, kann nicht mehr festgestellt werden. Nach Jahrzehnten der Vernachlässigung ist der Stein verwittert und der Hügel von Vegetation überwuchert gewesen. Ähnlich verlassen blieb der jüdische Friedhof, wo die vermutete Stelle des Massengrabs nach dem Krieg umzäunt wurde.
2016 wurden im Rahmen des Projekts »Erinnerung bewahren«, das bei der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas angesiedelt ist, nicht-invasive archäologische Untersuchungen im Wald und auf dem jüdischen Friedhof durchgeführt. Sie ergaben, dass sich die Massengräber tatsächlich dort befanden, wo nach dem Krieg die Erinnerungszeichen aufgestellt wurden. Im September 2019 wurden im Rahmen von »Erinnerung bewahren« im Wald und auf dem jüdischen Friedhof neue Denkmäler eingeweiht. Sie werden durch Informationsstelen ergänzt, die in ukrainischer, englischer und hebräischer Sprache über die Geschichte des Ortes und das Schicksal der Juden Wachniwkas informieren.
Die Denkmäler sind jederzeit zugänglich.
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