Auf dem Gelände des Schlosses Grafeneck im württembergischen Gomadingen befand sich 1940 eine »Euthanasie«-Anstalt. Hier wurden auf Anordnung der nationalsozialistischen Führung tausende geistig behinderte und psychisch erkrankte Menschen mit Gas ermordet. Die Gedenkstätte Grafeneck erinnert an das Schicksal der Opfer.
Der Begriff »Euthanasie« bezeichnete in der Zeit des Nationalsozialismus die Ermordung von Menschen mit geistigen und körperlichen Behinderungen. Geplant und organisiert wurde der Mord an den Patienten von Heil- und Pflegeanstalten von einer unmittelbar Adolf Hitler unterstellten Organisation im Hauptamt II. Sie erhielt nach ihrer Adresse in der Berliner Tiergartenstraße 4 die Tarnbezeichnung »T4«. Nachdem anfangs Kleinkinder bis zu drei Jahren der »Euthanasie« zum Opfer fielen, weitete sich die Tötung in der Folgezeit auf ältere Kinder und Jugendliche, ab 1940 unter dem Decknamen »Aktion T4« auch auf erwachsene Behinderte und Kranke aus. Die Tötung erfolgte in der ersten Phase durch Nahrungsentzug, Gift und Medikamente. Ab Januar 1940 wurden in immer mehr »T4«-Anstalten Gaskammern in Betrieb genommen.
In Gomadingen begann die Tötung von Patienten am 18. Januar 1940. Zuvor hatte hier die »T4«-Behörde die dazu nötigen Einbauten auf dem Gelände des Schlosses Grafeneck angeordnet. Das Schloss wurde seit 1928/29 von der evangelischen Samariterstiftung Stuttgart als Behinderteneinrichtung genutzt. Zehn Jahre später, im Oktober 1939, wurde die Einrichtung samt zugehörigem Gelände auf Weisung des Stuttgarter Innenministeriums beschlagnahmt. Die in grauen Bussen ankommenden Transporte mit den zur Tötung bestimmten Menschen wurden von den Pflegekräften zum Vernichtungskomplex auf dem Gelände des Schlosses geführt. Dieser bestand aus einer Aufnahmebaracke, einem Bau, in dem sich die als Duschraum getarnte Gaskammer befand sowie vermutlich drei Verbrennungsöfen. Der Komplex war durch eine hohe Bretterwand von dem Rest des Schlossgeländes abgetrennt. Die hierher zur Tötung überführten Personen stammten aus Behindertenheimen und Krankenhäusern der Umgebung. Nachdem Ende 1940 beinahe alle Personen dieser Einrichtungen in Grafeneck ermordet worden waren, ließ die »T4«-Behörde die »Euthanasie«-Anstalt schließen und die Spuren der Verbrechen beseitigen.
In Grafeneck wurden zwischen Januar und Dezember 1940 mehr als 10.600 Menschen mit Gas erstickt. Sie stammten aus etwa 48 Behinderteneinrichtungen und psychiatrischen Abteilungen aus Krankenhäusern Südwestdeutschlands. Einige der Opfer wurden auch aus dem Berliner Raum nach Grafeneck überstellt. Nur sehr wenige wurden von den Ärzten bei einer letzten Untersuchung zurückgestellt und somit vor dem Tod bewahrt.
Erfahre mehr über Deutschland
Nach der Rückgabe an die Samariterstiftung kurz nach Kriegsende wurde Grafeneck wieder eine Behinderteneinrichtung. 1989/90 entstand unter dem Motto »Das Gedenken braucht einen Ort« die Gedenkstätte Grafeneck. Eine in die Erde eingelassene steinerne Schwelle am Zugang zur Gedenkstätte nennt die Namen der etwa 48 baden-württembergischen und bayerischen Einrichtungen und Heime, aus denen die Opfer hierher verschleppt wurden. Ein Dokumentationszentrum auf dem Schlossgelände ergänzt die Gedenkstätte. Darin befindet sich die zweigeteilte Ausstellung mit dem Titel: »»Euthanasie«-Verbrechen in Südwestdeutschland/Grafeneck 1940 – Geschichte und Erinnerung«. Das vom 1994 gegründeten Verein »Gedenkstätte Grafeneck« der Öffentlichkeit übergebene Gedenkbuch listet die Namen von nahezu 8.000 Opfern des Massenmordes auf.
Führungen, Seminare auf Anfrage, Wanderausstellung, Vorträge
Montags bis sonntags 9.00 bis 18.00
http://www.gedenkstaette-grafeneck.de
info@gedenkstaette-grafeneck.de
+49 (0)7385 966 206
Samariterstift
72532 Gomadingen