KZ-Gedenkstätte Neuengamme

KZ-Gedenkstätte Neuengamme


Am südöstlichen Stadtrand von Hamburg, im Stadtteil Bergedorf, liegt die KZ-Gedenkstätte Neuengamme. Von 1938 bis 1945 befand sich hier eines der größten Konzentrationslager des Deutschen Reichs mit seinen über achtzig Außenlagern. Auf Initiative von Überlebenden entstand 1965 ein erster Gedenkort.

Geschichte

Die SS kaufte im Herbst 1938 eine alte Ziegelei in Neuengamme in der Nähe des Hamburger Stadtteils Bergedorf mit dem Ziel hier ein Konzentrationslager einzurichten. Am 12. Dezember 1938 transportierte die SS hundert Häftlinge aus dem KZ Sachsenhausen in das Außenlager Neuengamme, das vorerst dem KZ Sachsenhausen unterstellt blieb. Die Häftlinge mussten das Lager aufbauen und die alte Ziegelei wiederherrichten. Im Frühjahr 1940 schlossen die Stadt Hamburg und die SS Verträge über den Neubau eines großen Klinkerwerks zur Herstellung von Ziegeln. Das bisherige Außenlager Neuengamme führte die SS von nun an als KZ Neuengamme. Bis Juni 1940 trafen in mehreren Transporten 1.000 weitere Häftlinge aus Sachsenhausen ein. Ende 1940 wurden schon etwa 2.900 Häftlinge in Neuengamme festgehalten. Etwa 1.000 von ihnen mussten im »Arbeitskommando Dove Elbe« Zwangsarbeit leisten: Sie verbreiterten und vertieften den Fluss Dove Elbe, damit Transportschiffe das Klinkerwerk in Neuengamme anlaufen konnten. Die schwere körperliche Arbeit und die schlechte Versorgung der Häftlinge forderten viele Todesopfer. Häftlinge, die nicht mehr arbeiten konnten, ermordete die SS ab Januar 1942 auch durch Phenolinjektionen. Am 28. August 1942 wurde in Wittenberge ein erstes Außenlager mit 150 Häftlingen aus Neuengamme errichtet, die in Industriebetrieben arbeiten mussten. In den folgenden Jahren entstanden in ganz Norddeutschland Außenlager, allein 1944 richtete die SS sechzig weitere Außenlager ein. Die Häftlinge in den insgesamt 87 Außenlagern des KZ Neuengamme mussten auf Baustellen und in Rüstungsbetrieben arbeiten und in Städten Bombentrümmer beseitigen. Am 26. März 1945 begann die SS mit der Räumung des KZ Neuengamme und seiner Außenlager mit über 50.000 Häftlingen. Die meisten der Häftlinge wurden in »Auffanglager« wie Wöbbelin oder Bergen-Belsen transportiert. Das Stammlager in Neuengamme löste die SS am 20. April 1945 auf, viele Häftlinge brachte sie auf KZ-Schiffen nach Lübeck.

Opfergruppen

Insgesamt waren im KZ Neuengamme und seinen Außenlagern mehr als 100.000 Menschen aus ganz Europa inhaftiert. Sie wurden aus unterschiedlichen Gründen verfolgt, die meisten von ihnen wegen Widerstand gegen die deutsche Besatzung. Aber auch Juden, Sinti und Roma, Homosexuelle und so genannte Asoziale brachte die SS nach Neuengamme. Ab 1941 kamen auch 1.000 sowjetische Kriegsgefangene nach Neuengamme, ab 1944 vermehrt ausländische Juden. Die größte Gruppe im KZ Neuengamme bildeten die 22.000 Häftlinge aus der Sowjetunion, gefolgt von den über 15.000 polnischen Häftlingen. Etwa 11.600 Häftlinge kamen aus Frankreich. Im Stammlager Neuengamme und den Außenlagern sowie bei der Räumung der Lager starben mindestens 42.900 Menschen, einige Tausend starben noch nach der Räumung des Lagers in den »Auffanglagern«, kurz nachdem sie im Frühjahr 1945 dort ankamen.

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Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 begann die staatliche Verfolgung der Gegner des Regimes, von Juden, als »Zigeuner« bezeichneten Roma, Patienten sowie zahlreichen anderen Gruppen. Antisemitismus wurde erstmals Bestandteil der Regierungspolitik eines modernen Staates, die Verfolgung aller Gruppen schrittweise verschärft. Dabei griffen staatliche Verordnungen, Gewalttaten von Anhängern des Regimes und die Hetze der Presse ineinander. Der Terror gegen Juden im November 1938 (»Kristallnacht«) mit etwa hundert Toten bildete den Scheitelpunkt hin zur vollständigen Ausgrenzung und Ermordung der jüdischen Minderheit. Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs im September 1939 gerieten weite Teile Europas unter deutsche Herrschaft. Insbesondere im Osten entstand ein vielgliedriges System von Lagern und Mordstätten, in dem die SS bis zu sechs Millionen Juden, unter ihnen etwa 165.000 deutsche Juden, ermordete. Die Zahl der übrigen Deutschen, die in Folge des Krieges ihr Leben verloren, wird auf etwa sieben Millionen geschätzt, darunter fast 3,5 Millionen Zivilisten. Etwa 28 Millionen Einwohner der besetzten Sowjetunion (Soldaten und Zivilbevölkerung) und drei Millionen nichtjüdische Polen kamen gewaltsam zu Tode; an sie wird in Deutschland bis heute kaum erinnert. Deutschland wurde 1945 von den Alliierten besetzt; 1949 entstanden die Deutsche Demokratische Republik (DDR) und die Bundesrepublik Deutschland (BRD) mit sehr unterschiedlichen Gedenkkulturen. In der DDR dominierte die Selbstinterpretation als »antifaschistischer« deutscher Nachfolgestaat. Die Orte der ehemaligen Konzentrationslager (KZ) Buchenwald, Ravensbrück und Sachsenhausen wurden zu »Nationalen Mahn- und Gedenkstätten« und stellten vor allem den kommunistischen Widerstand dar. In der Bundesrepublik dominierte zunächst die Erinnerung an die Opfer der alliierten Bombenangriffe, von Flucht und Vertreibung. Das Gedenken an die nationalsozialistische Verfolgung, den Holocaust oder den Widerstand war einzelnen Gruppen überlassen, Täter und Tatbeteiligungen – außerhalb juristischer Prozesse – kein Gegenstand öffentlicher Diskussion. Das änderte sich ab Mitte der 1960er Jahre, als nach intensiver Debatte die Verjährung für Mord aufgehoben wurde. Gleichzeitig entstanden Erinnerungsstätten an Orten ehemaliger KZ (1965: Dachau und Neuengamme; 1966: Bergen-Belsen) und die Gedenkstätte Deutscher Widerstand 1968 in West-Berlin. Erst in den 1980er Jahren entwickelte sich durch lokale Initiativen eine vielfältige, oft kleinteilige Erinnerungslandschaft. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands 1990 wurden eine gesamtstaatliche Gedenkstättenkonzeption entwickelt und Orte der Erinnerung umfangreich überarbeitet. Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin konnte 2005 der Öffentlichkeit übergeben werden. Eine umfangreiche Dokumentation der nationalsozialistischen Verbrechen und ihrer Täter, die Topographie des Terrors, wurde im Mai 2010 eröffnet; das Ausstellungszentrum »Flucht, Vertreibung, Versöhnung« folgte 2021. Mittlerweile erinnern zentrale Denkmäler in Berlin auch an weitere Opfergruppen: An die ermordeten Sinti und Roma, an die Opfer im Rahmen der NS-»Euthanasie« ermordeten Patienten und an die verfolgten Homosexuellen. Die Opfer des nationalsozialistischen Terrors in den früheren Ostgebieten fielen nach Kriegsende einem doppelten Vergessen anheim. Die Erinnerung blieb für Jahrzehnte auf landsmannschaftliche Verbände in der BRD beschränkt und schloss die Zeit von 1933 bis 1945 meist aus. Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs nehmen sich jedoch deutsche, polnische, litauische und russische Initiativen auch dieses Teils der deutschen Vergangenheit an.

Erinnerung

Nach dem Krieg nutzten die Briten das Gelände drei Jahre lang als Internierungslager. 1948 übergaben die britischen Behörden Gelände und Gebäude der Stadt Hamburg, die hier eine Justizvollzugsanstalt (JVA) einrichtete. Ende der 1960er Jahre erbaute die Stadt ein weiteres Gefängnis. Für die Öffentlichkeit war das ehemalige KZ-Gelände somit nicht zugänglich. Eine erste Gedenkstele wurde auf Verlangen französischer Überlebender 1953 am Rande des Geländes aufgestellt. Der Überlebendenverband »Amicale Internationale de Neuengamme« setzte sich erfolgreich für ein neues Mahnmal ein, das 1965 in der ehemaligen Gärtnerei des Lagers eingeweiht und 1981 um ein »Dokumentenhaus« erweitert wurde, das dem Museum für Hamburgische Geschichte angegliedert wurde. Der Hamburger Senat entschied 1989, nach anhaltender Kritik, die JVA zu verlegen. Die endgültige Schließung des Gefängnisses auf dem Gelände des ehemaligen dauerte noch bis 2003. In der Zwischenzeit eröffnete 1995 eine Dauerausstellung auf dem Gelände der ehemaligen Walther-Werke, einem ab 1942 errichtetem Rüstungsbetrieb in der Nähe des KZ, in dem die Häftlinge Zwangsarbeit leisten mussten. Dadurch konnte das »Dokumentenhaus« zu einem »Haus des Gedenkens« umgebaut werden. Von 2003 bis 2005 ließ der Hamburger Senat das gesamte Gelände umgestalten: Die Nachkriegsgebäude wurden abgerissen, historische Gebäude restauriert und die ehemaligen Standorte der Baracken markiert. Anlässlich des 60. Jahrestags der Befreiung des Lagers wurde die neu gestaltete Gedenkstätte am 4. Mai 2005 eröffnet.

Angebote

Führungen, Fortbildungen, Tagungen und Seminare, Projekte für Jugendliche, Jugendbegegnungen, offenes Archiv und Bibliothek, vier verschiedene Dauerausstellungen

Öffnungszeiten

Montag bis Freitag: 9.30 bis 16.00
Samstag, Sonntag und an Feiertagen:
Oktober bis März: 12.00 bis 17.00
April bis September: 12.00 bis 19.00

Kontakt

http://www.kz-gedenkstaette-neuengamme.de

info@kz-gedenkstaette-neuengamme.de

+49 (0)40 428 131 500

Jean-Dolidier-Weg 75
21039 Hamburg