Vom Frühjahr 1944 bis April 1945 gab es in Leonberg ein SS-geführtes Außenlager des KZ Natzweiler im Elsass. Insgesamt 5.000 männliche Gefangene aus 24 europäischen Nationen arbeiteten im Laufe dieses einen Jahres in den beiden bombensicheren Röhren des Engelbergtunnels, des ersten Reichsautobahntunnels. Seit 2008 befindet sich an diesem Ort eine Ausstellung zur Geschichte des KZ Leonberg.
Der erste Engelbergtunnel bei Leonberg wurde am 5. November 1938 nach dreijähriger Bauzeit für den Verkehr freigegeben. Er gehörte zur Reichsautobahn-Strecke 39 und war mit einer Länge von 318 Metern und zwei Röhren nach dem Nasenfelstunnel (Inbetriebnahme 30. Oktober 1937; heute A 8) der zweite Autobahntunnel Deutschlands.
Während des Zweiten Weltkrieges diente der alte Engelbergtunnel ab 1944 im Rahmen der U-Verlagerung (Untertage-Verlagerung der deutschen Rüstungsproduktion) als Werk der Messerschmitt AG. Etwa 3.000 aus dem KZ Natzweiler-Struthof im Elsass ins KZ-Außenlager Leonberg gebrachte Häftlinge montierten hier in 12- bis 18-Stunden-Schichten Flugzeugtragflächen für die Me 262. Zu diesem Zweck wurde eine Zwischendecke eingezogen, um die Produktionsfläche auf 11.000 m² zu vergrößern. Kurz vor Kriegsende wurden die Maschinen demontiert und die Röhren schließlich am 15. April 1945 gesprengt.
Insgesamt durchliefen etwa 5.000 Häftlinge das KZ Leonberg. Sie wurden vor allem zur Arbeit im Messerschmitt-Teilbetrieb »Presswerk Leonberg« in den beiden zugemauerten Autobahntunneln eingesetzt. Seit Produktionsbeginn im Juli 1944 stieg ihre Zahl bis Januar 1945 kontinuierlich auf 3.200 an. Damit waren die beiden Lager völlig überfüllt. Die Deportierten kamen aus 24 europäischen Ländern, vor allem aus Polen, der Sowjetunion, Italien, Frankreich und Ungarn. Sieben Prozent der Häftlinge waren Deutsche, mindestens ein Viertel Juden.
Insgesamt konnten 389 Todesfälle nachgewiesen werden, nicht eingerechnet die weitaus größere und unbekannte Zahl der Toten unter denen, die als Erschöpfte in die Lager Vaihingen/Enz, Dachau und Bergen-Belsen verschleppt wurden. Das Leonberger Lager wurde Mitte April 1945, wenige Tage vor dem Einmarsch der Franzosen, aufgelöst. Die noch lebenden 2.700 Häftlinge wurden teils zu Fuß, teils mit der Bahn auf einen Todesmarsch bzw. eine Todesfahrt in Richtung Bayern geschickt. Dort sollten sie erneut in Betrieben und auf Baustellen der Firma Messerschmitt eingesetzt werden. Durch Dokumente kann der Tod von 406 Häftlingen aus Leonberg als Opfer der Todesmärsche belegt werden. Die tatsächliche Zahl der gestorbenen Häftlinge liegt zweifellos um ein Vielfaches höher.
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In einem Prozess vor dem Französischen Militärtribunal in Rastatt vom 12. bis 19. April 1948 wurden zwei Angehörige der Wachmannschaften, vier Funktionshäftlinge (Lagerälteste und Kapos als Leiter von Arbeitskommandos) sowie drei leitende Angestellte der Firma Messerschmitt zu teilweise hohen Freiheitsstrafen, in einem Fall zur Todesstrafe verurteilt. Später wurden die Todesstrafen in Freiheitsstrafen umgewandelt und die Freiheitsstrafen nach Teilverbüßung verkürzt. Nur einer der vier Lagerleiter konnte gefasst und vor Gericht gestellt werden.
Im März 1999 gründete sich in Leonberg eine KZ-Gedenkstätteninitiative, die europaweit Kontakt zu noch lebenden ehemaligen KZ-Häftlingen aufnahm und zwei Jahre später unter dem Titel »Konzentrationslager und Zwangsarbeit in Leonberg« das Ergebnis einer umfangreichen Studie vorlegen konnte. Im selben Jahr wurde auch ein 1,5 km langer »Weg der Erinnerung« durch die Stadt angelegt, auf dem heute Besuchergruppen und Schulklassen geführt werden oder sich auf eigene Faust mit der Geschichte des Ortes auseinandersetzen können. Der Weg ist mit sechs Informationstafeln in deutscher, englischer und französischer Sprache ausgeschildert.
Im erhaltenen Teil des alten Engelbergtunnels befindet sich seit 2008 eine Ausstellung zur Geschichte des KZ Leonberg. Vor dem Tunnel errichtete die KZ-Gedenkstätteninitiative am 8. Mai 2005 ein vom Tübinger Künstler Johannes Kares gestaltetes Mahnmal in Form einer 25 Meter breiten und drei Meter hohen Stahlwand, in die die bis dahin bekannten Namen von 2.892 KZ-Häftlingen sowie von 16 Gestapo-Häftlingen und Zwangsarbeitern eingraviert sind. Im April/Mai 2013 wurde auf der gegenüberliegenden Seite vor dem Tunnel das ebenfalls von Johannes Kares entworfene »Haus der tausend Namen« errichtet. 150 Jugendliche schlugen im Rahmen eines zweiwöchigen Jugendcamps die rund tausend Namen des letzten Häftlingstransports von Flossenbürg nach Leonberg von Hand in Metalltafeln ein.
»Weg der Erinnerung«-Rundgang durch Leonberg, Ausstellung im Alten Engelbergtunnel, Gruppenführungen, Angebote für Schulklassen, Lehrmaterialien, Publikationen, Bibliothek
Das Dokumentationszentrum im Alten Engelbergtunnel ist von März bis November jeden Sonntag von 14.00 bis 17.00 geöffnet
Führung durch die Ausstellung von 13.15-14.00 an jedem ersten Sonntag im Monat
https://www.kz-gedenkstaette-leonberg.de
info@kz-gedenkstaette-leonberg.de
+49 (0)7152 41975
KZ-Gedenkstätteninitiative Leonberg e.V.
Untere Burghalde 49
71229 Leonberg