Gedenkstern Reichspogromnacht

Gedenkstern Reichspogromnacht


Wie vielerorts in Deutschland haben auch in Schwäbisch Hall Nationalsozialisten und ihre Anhänger in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 jüdische Geschäfte geplündert, Synagogen in Brand gesteckt und jüdische Bürger drangsaliert. Auf dem Marktplatz der Stadt wurden Einrichtungsgegenstände aus jüdischen Privatwohnungen und aus dem Betsaal in der Oberen Herrengasse 8 verbrannt. An dieses Ereignis erinnert eine Gedenktafel in Form eines Davidsterns am Ort der Verbrennungen auf dem Haller Marktplatz. Sie wurde am 2. Juni 1989 eingeweiht und ersetzte ein ähnliches Denkmal, das die SPD Schwäbisch Hall 1988 zum 50. Jahrestag der Reichspogromnacht angebracht hatte.

Geschichte

In Schwäbisch Hall existierte bereits im Mittelalter eine jüdische Gemeinde. Sie wurde erstmals Mitte des 13. Jahrhunderts urkundlich erwähnt. Im Zuge der Welle der Judenverfolgung in Mitteleuropa während der Pestzeit wurde die Gemeinde 1349 durch einen Pogrom ausgelöscht. Ende des 14. Jahrhunderts entstand erneut eine jüdische Gemeinde in der Stadt, doch auch diese verschwand wenige Jahrzehnte später.

Ab 1688 siedelten Juden wieder dauerhaft in Schwäbisch Hall. Dennoch waren sie weiterhin zahlreichen Benachteiligungen ausgesetzt und besaßen kein Bürgerrecht. In dieser Zeit entstanden einige Zimmersynagogen in Steinach und in der Vorstadt Unterlimpurg. Die bemalte Täfelung der Unterlimpurger Zimmersynagoge befindet sich heute im Hällisch-Fränkischen Museum in Schwäbisch Hall. Erst 1864 erhielten die Juden die bürgerliche Gleichstellung im Königreich Württemberg, zu dem Schwäbisch Hall gehörte. In dieser Zeit erreichte die jüdische Gemeinde auch ihren Höchststand mit insgesamt 263 Mitgliedern, was etwa drei Prozent der Stadtbevölkerung entsprach.

1933 wurden 115 jüdische Einwohner gezählt – etwa ein Prozent der Stadtbevölkerung. Infolge des wirtschaftlichen Boykotts und der zunehmenden Repressalien durch die Nationalsozialisten verließ in den folgenden Jahren ein Großteil der Juden die Stadt. In der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 verwüsteten nationalsozialistische Schlägertrupps den jüdischen Betsaal in der Oberen Herrngasse 8, demolierten jüdische Privatwohnungen und Geschäfte, misshandelten zum Teil deren Bewohner und setzten die Steinbacher Synagoge in Brand. Einrichtungsgegenstände aus dem Betsaal und den Wohnungen wurden auf dem Haller Marktplatz verbrannt. In den Jahren 1941 und 1942 wurden die noch verbliebenen Juden deportiert.

Opfergruppen

Von den jüdischen Einwohnern Schwäbisch Halls wurden in der Zeit des Nationalsozialismus 46 nachweislich ermordet. Die meisten der übrigen Juden flohen entweder aus der Stadt oder überlebten die Deportation, kehrten aber nicht mehr in die Stadt zurück.

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Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 begann die staatliche Verfolgung der Gegner des Regimes, von Juden, als »Zigeuner« bezeichneten Roma, Patienten sowie zahlreichen anderen Gruppen. Antisemitismus wurde erstmals Bestandteil der Regierungspolitik eines modernen Staates, die Verfolgung aller Gruppen schrittweise verschärft. Dabei griffen staatliche Verordnungen, Gewalttaten von Anhängern des Regimes und die Hetze der Presse ineinander. Der Terror gegen Juden im November 1938 (»Kristallnacht«) mit etwa hundert Toten bildete den Scheitelpunkt hin zur vollständigen Ausgrenzung und Ermordung der jüdischen Minderheit. Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs im September 1939 gerieten weite Teile Europas unter deutsche Herrschaft. Insbesondere im Osten entstand ein vielgliedriges System von Lagern und Mordstätten, in dem die SS bis zu sechs Millionen Juden, unter ihnen etwa 165.000 deutsche Juden, ermordete. Die Zahl der übrigen Deutschen, die in Folge des Krieges ihr Leben verloren, wird auf etwa sieben Millionen geschätzt, darunter fast 3,5 Millionen Zivilisten. Etwa 28 Millionen Einwohner der besetzten Sowjetunion (Soldaten und Zivilbevölkerung) und drei Millionen nichtjüdische Polen kamen gewaltsam zu Tode; an sie wird in Deutschland bis heute kaum erinnert. Deutschland wurde 1945 von den Alliierten besetzt; 1949 entstanden die Deutsche Demokratische Republik (DDR) und die Bundesrepublik Deutschland (BRD) mit sehr unterschiedlichen Gedenkkulturen. In der DDR dominierte die Selbstinterpretation als »antifaschistischer« deutscher Nachfolgestaat. Die Orte der ehemaligen Konzentrationslager (KZ) Buchenwald, Ravensbrück und Sachsenhausen wurden zu »Nationalen Mahn- und Gedenkstätten« und stellten vor allem den kommunistischen Widerstand dar. In der Bundesrepublik dominierte zunächst die Erinnerung an die Opfer der alliierten Bombenangriffe, von Flucht und Vertreibung. Das Gedenken an die nationalsozialistische Verfolgung, den Holocaust oder den Widerstand war einzelnen Gruppen überlassen, Täter und Tatbeteiligungen – außerhalb juristischer Prozesse – kein Gegenstand öffentlicher Diskussion. Das änderte sich ab Mitte der 1960er Jahre, als nach intensiver Debatte die Verjährung für Mord aufgehoben wurde. Gleichzeitig entstanden Erinnerungsstätten an Orten ehemaliger KZ (1965: Dachau und Neuengamme; 1966: Bergen-Belsen) und die Gedenkstätte Deutscher Widerstand 1968 in West-Berlin. Erst in den 1980er Jahren entwickelte sich durch lokale Initiativen eine vielfältige, oft kleinteilige Erinnerungslandschaft. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands 1990 wurden eine gesamtstaatliche Gedenkstättenkonzeption entwickelt und Orte der Erinnerung umfangreich überarbeitet. Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin konnte 2005 der Öffentlichkeit übergeben werden. Eine umfangreiche Dokumentation der nationalsozialistischen Verbrechen und ihrer Täter, die Topographie des Terrors, wurde im Mai 2010 eröffnet; das Ausstellungszentrum »Flucht, Vertreibung, Versöhnung« folgte 2021. Mittlerweile erinnern zentrale Denkmäler in Berlin auch an weitere Opfergruppen: An die ermordeten Sinti und Roma, an die Opfer im Rahmen der NS-»Euthanasie« ermordeten Patienten und an die verfolgten Homosexuellen. Die Opfer des nationalsozialistischen Terrors in den früheren Ostgebieten fielen nach Kriegsende einem doppelten Vergessen anheim. Die Erinnerung blieb für Jahrzehnte auf landsmannschaftliche Verbände in der BRD beschränkt und schloss die Zeit von 1933 bis 1945 meist aus. Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs nehmen sich jedoch deutsche, polnische, litauische und russische Initiativen auch dieses Teils der deutschen Vergangenheit an.

Erinnerung

In der unmittelbaren Nachkriegszeit kamen mehrere tausend jüdische und polnische Displaced Persons (DPs) nach Schwäbisch Hall und Umgebung. Sie lebten zumeist in DP-Lagern und bauten eigene Einrichtungen wie Schulen und Kulturzentren auf. In dieser Zeit entstanden auch die ersten Denkmäler für die Opfer des Nationalsozialismus in Schwäbisch Hall. So befindet sich noch heute auf dem jüdischen Friedhof in Steinbach ein Denkmal für die Opfer der ermordeten Juden aus Staszów (Polen).

Ab den 1980er Jahren setzten sich zunehmend auch zivilgesellschaftliche Initiativen aus der Stadtbevölkerung für die Einweihung von Denkmälern und Gedenkstätten ein. 1988 wurde auf Initiative der SPD Schwäbisch Hall zum 50. Jahrestag der Novemberpogrome und der Verbrennungen auf dem Marktplatz eine Gedenktafel am historischen Ort angebracht. Am 2. Juni 1989 wurde schließlich der Gedenkstern installiert, der sich bis heute auf dem Haller Marktplatz befindet. Der Gedenkstern trägt die Inschrift: »In der Nacht vom 9. auf 10. November 1938 verbrannten an dieser Stelle Haller Nazis Kultgegenstände, Möbelstücke und Bücher aus dem jüdischen Betsaal in der Oberen Herrengasse 8«.

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74523 Schwäbisch Hall