In der ukrainischen Großstadt Donezk erinnern mehrere Denkmäler an die Zehntausende sowjetische Bürger, darunter etwa 15.000 Juden, die in der Stadt während der deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg ermordet wurden.
Geschichte
Donezk ist eine Industriestadt im Südosten der Ukraine. In der gesamten Region, Donezkbecken oder Donbass genannt, gibt es zahlreiche Rohstoffvorkommen. Aus diesem Grund errichtete der Waliser John Hughes 1867 eine metallurgische Fabrik auf dem heutigen Stadtgebiet, die darum entstehende Siedlung wurde Jusowka genannt. Der Ort wuchs rasch zu einem Zentrum der Metallindustrie heran. 1924 wurde Jusowka zu Ehren Stalins in Stalino umbenannt, diesen Namen trug die Stadt bis 1961. 1939 hatte die Stadt etwa 500.000 Einwohner, darunter Zehntausende Juden. Vier Monate nach dem Angriff auf die Sowjetunion erreichte die deutsche Wehrmacht im Oktober 1941 Stalino. Berichte über Gräueltaten und Massenerschießungen hinter der Front führten dazu, dass über 60.000 Einwohner der Stadt ins Landesinnere der Sowjetunion flohen, darunter viele Juden. Im Dezember 1941, wenige Wochen nach der Besetzung der Stadt, erschossen Angehörige der SS-Einsatzgruppe C mehrere hundert Juden. Später wurde ein Ghetto eingerichtet, in das etwa 3.000 jüdische Familien umziehen mussten. Bei katastrophal schlechter Versorgung mussten sie täglich bis zu 17 Stunden Zwangsarbeit leisten. In Stalino führten die Besatzungsbehörden immer wieder Massenerschießungen durch, vor allem an der Bergbauanlage »Schacht 4/4«. Bis zu 75.000 Menschen wurden hier bis zum Ende der deutschen Besatzung im September 1943 ermordet, vor allem sowjetische Kriegsgefangene und schätzungsweise 15.000 Juden. Die Täter warfen die Leichen in den Schacht, dort stapelten sie sich hunderte Meter tief.
Opfergruppen
Die genaue Zahl der Opfer ist unklar. Die Zahl der jüdischen Opfer liegt bei schätzungsweise 15.000.
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Ukraine
Die Ukraine, die zweitgrößte Republik der ehemaligen Sowjetunion, war einer der Hauptschauplätze des Zweiten Weltkriegs und des Holocaust. Die Zahl der ukrainischen Todesopfer wird auf fünf bis sechs Millionen Menschen geschätzt, darunter Hunderttausende Juden.
Mitte September 1939, nach der sowjetischen Besetzung Ostpolens entsprechend einem deutsch-sowjetischen Geheimabkommen – dem Hitler-Stalin-Pakt –, kamen die südöstlichen Regionen Polens zur Sowjetukraine. Repressionen gegen die einheimische Bevölkerung gehörten fortan zum Alltag. Im Sommer 1941 traf der deutsche Angriff auf die Sowjetunion zunächst genau diese Gebiete. Schon in den ersten Tagen wurde die jüdische Bevölkerung als angebliche Stütze der Sowjetmacht Ziel blutiger Übergriffe. Sie gingen häufig von national gesinnten Ukrainern aus, die den Vormarsch der Wehrmacht zunächst begrüßten. Bald darauf begannen deutsche SS-Einsatzgruppen und verbündete rumänische Einheiten mit Massenerschießungen von Juden. Die Schlucht von Babij Jar (ukrainisch Babyn Jar) nahe Kiew, wo deutsche Einheiten und ukrainische Miliz an zwei Tagen im September 1941 mehr als 33.700 Juden ermordeten, ist heute ein weltweites Symbol für den Völkermord an den Juden. Auch die nichtjüdische Bevölkerung geriet ins Visier der Verfolger. In der nationalsozialistischen Rassenideologie galten Ukrainer wie alle »Slawen« als »Untermenschen«. Die Besatzer plünderten das Land, verschleppten weit über eine Million Zivilisten zur Zwangsarbeit und verübten öffentliche Geiselmorde. Ab 1943 tobte nicht nur ein Partisanenkrieg gegen die Wehrmacht, sondern auch der Kampf der nationalistischen »Ukrajinska Powstanska Armija« (Ukrainische Aufstandsarmee = UPA) gegen die Sowjets und die polnische Bevölkerung der Westukraine. Weit über 100.000 Polen fanden hierbei den Tod. 1944 wurde die Ukraine wieder sowjetisch und umfasst seitdem auch ehemals ostpolnische Regionen. Die UPA setzte ihren Kampf bis Mitte der 1950er Jahre fort. Die sowjetischen Behörden verschleppten rund 300.000 Ukrainer nach Sibirien, um diesen Widerstand zu brechen.
Die Gedenkkultur war an der sowjetischen Symbolsprache ausgerichtet. Es entstanden monumentale Gedenkanlagen zur Feier des »Sieges« im Großen Vaterländischen Krieg. Erst in jüngerer Zeit trat neben die Heldenverehrung auch das Opfergedenken. In der Westukraine hat sich zudem eine Erinnerungskultur an den Kampf der UPA entwickelt, der als Unabhängigkeitskampf interpretiert wird. Eine Aufarbeitung der Kollaboration mit den deutschen Besatzern und des Antisemitismus hat erst um 2000 begonnen. Die Massenerschießungen an Juden wurden, mit wenigen Ausnahmen, bis in die 1980er Jahre übergangen. Erst die Regierung der unabhängigen Ukraine erkannte 1991 Babyn Jar als »Symbol jüdischen Märtyrertums« an. Die Ukraine war auch lange nach der Erlangung der Unabhängigkeit auf der Suche nach ihrer eigenen Identität. Die Dokumentation der sowjetischen Verbrechen – wie die staatlich herbeigeführte Hungerkatastrophe 1932/33 mit Millionen Toten (Holodomor) – hat größere Bedeutung als die Aufklärung über den Holocaust. Dennoch entstanden überall im Land neue Gedenkorte in Erinnerung an die ermordeten Juden, wie etwa die Gedenkstätte Drobizkij Jar in Charkiw oder das Holocaustmuseum in Odessa. An zahlreichen Massengräbern entstanden neue Denkmäler, teils mit Unterstützung aus Deutschland. In Kiew sollte bei der ehemaligen Massenerschießungsstätte Babyn Jar eine große Holocaustgedenkstätte mit weltweiter Ausstrahlung entstehen. Diese Pläne wurden mit dem großangelegten russischen Angriff auf die Ukraine vom 24. Februar 2022 auf Eis gelegt. Welche Auswirkungen der Verteidigungskrieg in Zukunft auf die Holocausterinnerung haben wird, bleibt abzuwarten.
Erinnerung
1965 wurde ein monumentales Denkmal zur Erinnerung an die »Opfer des Faschismus« errichtet. Es entstand an der Stelle, wo sich ein Lager für sowjetische Kriegsgefangene befand. Seit 1983 gibt es ein Denkmal an der Stelle des ehemaligen Schachts 4/4, in den die SS die Leichen der Ermordeten warf. 2006 wurde schließlich am Standort des ehemaligen Ghettos ein Denkmal zur Erinnerung an die jüdischen Opfer errichtet.