KZ-Gedenkstätte Gusen

KZ-Gedenkstätte Gusen


1939 errichtete die SS nahe dem oberösterreichischen Gusen ein Außenlager des Konzentrationslagers (KZ) Mauthausen. Die Häftlinge des KZ Gusen leisteten Zwangsarbeit in den nahe gelegenen Granitsteinbrüchen und in der Rüstungsproduktion. Eine offizielle Gedenkstätte entstand auf Initiative ehemaliger Häftlinge in den 1960er Jahren. 2004 eröffnete ein Besucherzentrum mit einer Dauerausstellung zur Geschichte des Lagers.

Geschichte

Im Dezember 1939 ließ die SS das Lager Gusen als Nebenlager des Konzentrationslagers Mauthausen errichten. Etwa 400 Häftlinge stellten das Lager bis Mai 1940 fertig. Die SS-eigene »Deutsche Erd- und Steinwerke GmbH« setzte daraufhin tausende Häftlinge aus den KZ Mauthausen, Dachau und Sachsenhausen in den Steinbrüchen und Ziegelwerken von Gusen ein. Ursprünglich als »Sommerlager« geplant, wurde Gusen im Herbst 1939 zu einem Dauerlager umgewandelt. 1942 fiel die Entscheidung, wegen des allgemeinen Arbeitskräftemangels Häftlinge aus Mauthausen und den Nebenlagern in die Kriegswirtschaft einzubeziehen. Gusener Häftlinge arbeiteten an dem Ausbau riesiger Stollenanlagen zur Verlagerung der Rüstungsindustrie unter Tage. 1943 übersiedelten die Steyr-Werke nach Gusen, wo sie Gewehre herstellen ließen. 1944 erfolgte dort – geschützt vor den Bombenangriffen der Alliierten - die Produktion des Jagdflugzeugs »Me 109«. Im März 1944 wurde die Errichtung des Lagers Gusen II vorangetrieben, im Dezember 1944 die Errichtung des Lagers Gusen III.
In den Gusener Lagern waren im Januar 1945 insgesamt 24.000 Menschen inhaftiert. Im April des Jahres schickte die SS die meisten jüdischen Gefangenen auf einen Todesmarsch nach Gunskirchen. In den Morgenstunden des 5. Mai 1945 befreite die 3. US-Armee das Lager.

Opfergruppen

1940 setzte die SS vorwiegend polnische KZ-Häftlinge in Gusen ein. 1941 kamen vor allem sowjetische Kriegsgefangene und Anhänger der spanischen Republik nach Gusen, ab 1943 größere Transporte von französischen und italienischen Gefangenen sowie von sowjetischen Zivilisten.
Die SS betrieb in Gusen eine systematische »Vernichtung durch Arbeit«: die schwere körperliche Zwangsarbeit und die Bedingungen im Lager überlebte die Mehrzahl der Häftlinge oft nur kurze Zeit.
Durch den enormen Bedarf an Arbeitskräften verdreifachte sich nach 1942 die Zahl der Lagerinsassen. Am Ausbau der Stollen für die Rüstungsindustrie arbeiteten überwiegend polnische und ungarische Juden. Sie trafen zu Tausenden in Transporten aus Auschwitz in dem neu entstandenen Lager Gusen II ein. Anfang 1945 folgten weitere Transporte mit jüdischen Häftlingen aus den aufgelösten Lagern im Osten. Mit mehr als 26.000 Menschen war Gusen im Februar 1944 völlig überfüllt, 10.000 Häftlinge starben allein in den wenigen Monaten bis zur Befreiung des Lagers Anfang Mai 1945.

Erfahre mehr über Österreich

Am 12. März 1938 rückte die deutsche Wehrmacht unter dem Jubel zahlreicher Einwohner in die Republik Österreich ein. Am folgenden Tag wurde der »Anschluss« des Landes an das Deutsche Reich proklamiert, das fortan »Ostmark« hieß. Einheimische Nationalsozialisten begannen umgehend mit der Verfolgung der jüdischen Minderheit und von Regimegegnern. Ab Mai 1938 besaßen die deutschen antijüdischen Gesetze auch im eingegliederten Österreich Gültigkeit. Bis Ende 1939 gelang über 126.000 Juden, meist aus Wien, die Flucht. Bereits im Herbst 1939 begannen erste Deportationen österreichischer Juden in das besetzte Polen. Bis 1945 verschleppte die SS fast 48.600 Juden aus Österreich und 16.600 weitere, die in anderen Ländern Zuflucht gefunden hatten, in den besetzten Osten, wo sie fast ausnahmslos ermordet wurden. Über 40.000 nichtjüdische Zivilisten fanden den Tod, darunter über 8.000 aus dem Burgenland verschleppte Sinti und Roma. 1945 teilten die Alliierten das Land in vier Besatzungszonen auf. Die sowjetische Besatzungsmacht errichtete ein »Befreiungsdenkmal« in Wien. Die Vertreter der provisorischen Allparteienregierung Österreichs aus Sozialisten, Kommunisten und Volkspartei nutzten dessen Übergabe am 19. August 1945, um Österreich als »das erste freie Land, das der Hitlerischen Aggression zum Opfer gefallen ist«, zu bezeichnen. Diese Haltung fand für Jahrzehnte breiten Widerhall in Politik und Bevölkerung. In den 1960er Jahren begannen allerdings heftige Auseinandersetzungen über die Beteiligung von Österreichern am Nationalsozialismus. Sie fanden bei einer Demonstration im März 1965 ihren Tiefpunkt, als ein rechtsextremer Student dem ehemaligen KZ-Häftling Ernst Kirchweger (*1898) tödliche Verletzungen zufügte. Kirchweger war das erste politische Todesopfer in Österreich nach 1945. In der Folgezeit wurden in der österreichischen Öffentlichkeit vermehrt Stimmen laut, die vor einer Verharmlosung der Jahre 1938 bis 1945 warnten. Mehrfach erschütterten Skandale um politisch Verantwortliche und deren Vergangenheit das Land, so während der »Waldheim-Debatte« zwischen 1986 und 1992. Der Vorwurf, der österreichische Bundespräsident und ehemalige UNO-Generalsekretär Kurt Waldheim (1918–2007) sei an Kriegsverbrechen auf dem Balkan beteiligt gewesen, spaltete das Land. Waldheim konterte, er habe »wie hunderttausend andere Österreicher« lediglich seine Pflicht getan. Erst Anfang der 1990er gestand der damalige Bundeskanzler Franz Vranitzky (*1937) eine österreichische Mitschuld am Holocaust ein. Bereits 1963 nahm das Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands seine Arbeit auf, das die Geschichte des Holocaust und den Rechtsextremismus in Österreich untersucht sowie eine kleine Ausstellung zeigt. Die 1970 in der KZ-Gedenkstätte Mauthausen eröffnete Dauerausstellung blieb für lange Zeit fast die einzige zur Geschichte des Nationalsozialismus in Österreich. 1983 beschloss der Wiener Gemeinderat, ein »Mahnmal gegen Krieg und Faschismus« zu errichten. Das durch den Bildhauer Alfred Hrdlicka (*1928) entworfene Erinnerungszeichen wurde 1991 eingeweiht, das »Mahnmal für die österreichischen jüdischen Opfer der Shoa« folgte 2000. Zeichen des staatlichen Umdenkens in Österreich sind Gesetze zur Entschädigung geraubten Eigentums, Entschädigungszahlungen an ehemalige Zwangsarbeiter sowie eine Historikerkommission, die zwischen 1998 und 2003 den Vermögensentzug während des Nationalsozialismus untersuchte. 2009 wurden ehemalige Deserteure der Wehrmacht juristisch rehabilitiert, 2014 ein Denkmal für sie eingeweiht.

Erinnerung

Sowjetische Besatzungskräfte übernahmen nach 1945 die Lager Gusen und nutzen die Baracken als Truppenunterkünfte. Im November 1947 sprengten sie die Stollenanlagen, die Steinbrüche führten sie als »Granitwerke Gusen« bis 1955 weiter.
An die Geschichte des Lagers und an die Opfer erinnerte lange Zeit nur eine inoffizielle Gedenkstätte, die ehemalige Häftlinge um die Krematoriumsöfen errichtet hatten. Nach Abzug der sowjetischen Truppen plante die für die Lager zuständige Gemeinde Langenstein den Bau einer Wohnhaussiedlung auf dem historischen Gelände. Die Reste der Krematoriumsöfen waren zum Abriss vorgesehen. Um sie zu bewahren, kauften ehemalige italienische Häftlinge das Grundstück und schenkten es der Gemeinde, die 1961 der Errichtung einer Gedenkstätte zustimmte. Verschiedene Häftlingsverbände sorgten für die Finanzierung und den Bau des Memorial Gusen. Die Einweihung fand am 8. Mai 1965 statt.
Seit 1997 erhält und betreut das österreichische Innenministerium die Gedenkstätte. 2004 eröffnete ein Besucherzentrum, das seit 2005 eine Dauerausstellung zur Geschichte des Lagers zeigt.
Vom ehemaligen Lager Gusen I sind außer dem Krematorium noch das Gebäude der SS-Lagerführung und -verwaltung (»Jourhaus«), das zugleich auch Haupteingang des Lagers gewesen war, ein Produktionskomplex (»Steinbrecher«), zwei aus Ziegeln erbaute Blocks und Reste des Appellplatzes, der Bunker und die Stollen in den Hügeln erhalten geblieben. Von den Lagern Gusen II und Gusen III sind keine Überreste mehr vorhanden.

Angebote

Führungen - nach Anmeldung - in mehreren Sprachen, Archiv, Ausstellungen, Filmvorführungen, lokale Initiativen zur Erforschung der Lagergeschichte zusammen mit polnischen Organisationen von Überlebenden


Öffnungszeiten

Besucherzentrum: 1. März bis 26. Oktober täglich 9.00 bis 16.30,
27. Oktober bis 28./29. Februar dienstags bis sonntags 9.00 bis 15.45
Geschlossen: 24.-26. und 31. Dezember und am 1. Januar

Kontakt

http://www.gusen-memorial.at

education@mauthausen-memorial.org

+43 (0)7238 2269-22